Hamburg. Matthias Pintschers Ensemble Intercontemporain begeistert im Großen Saal. Doch zum anschließenden Konzert wird es plötzlich leer.

Wie sehr es doch dabei helfen kann, der oft so abstrakten Avantgardemusik besser zu folgen, wenn die Komponisten der Gegenwart ihren Stücken außermusikalische Bilder beigeben, hat der Komponist Matthias Pintscher mit seinem Klavierkonzert „NUR“ einmal mehr bewiesen.

Am Freitag war der Leiter des berühmten, in Paris ansässigen Ensemble Intercontemporain mit dem ersten Klavierkonzerts seines umfangreichen Werkkatalogs beim Elbphilharmonie-Festival zu Gast. Und es war alles andere als schwer, seinem Versuch, die Urgewalt des Feuers, dies bedeutet nämlich der hebräische Begriff NUR, in verschiedensten Zuständen vom Glimmen über das Aufflackern bis hin zu seiner zerstörerischen Kraft des Verbrennens und Versinkens in Staub und Asche zu folgen.

Der Charakter der Musik ändert sich sekundenschnell

Kein Geringerer als Dimitri Vassilakis, der als Pianist zu dem von Pierre Boulez einst gegründeten Ensemble Intercontemporain gehört, war der Solist dieses Konzertes, das dem Klavier aber nur sehr begrenzt eine dominierende Rolle zugesteht. Aus einem geheimnisvollen Rauschen im Bläser- und Streicherensemble, sanften Tamtam-Schlägen und hellen Marimba-Klängen tritt das Klavier mit klaren, meist sehr hohen Tönen und knappen Kaskaden hervor.

Wie so oft in Pintschers famosen Werken ändert sich der Charakter der Musik sekundenschnell, plötzlich übernimmt die Konzertmeisterin die Solistenrolle und muss sich gegen hölzerne Akzente aus der Schlagzeuggruppe behaupten. Dann wieder wirkt es so, als blase ein imaginärer Wind durch die Klänge oder die damit beschriebenen Zustände des Feuers, das ganz unberechenbar auflodert oder in Stichflammen aggressiv hervortritt und dann in den Flageoletts der Streicher oder metallisch schwingenden Klangstäben der Marimba verglüht.

Interview auf Englisch: Saalflucht in der Elbphilharmonie

Im Podiumsgespräch mit der künstlerischen Betriebsdirektorin der Elbphilharmonie, Barbara Lebitsch, gestand Pintscher nach diesem begeistert aufgenommenen Werk: „Ich hatte ehrlich gesagt Manschetten vor dem ganzen Ballast eines Klavierkonzerts, als ich NUR schrieb. Aber ich wollte vor allem einen Resonanzraum schaffen, in dem das Klavier klingen kann.“

Lebitsch setzte das Gespräch daraufhin mit dem schottischen Gegenwartskomponisten James Dillon auf Englisch fort und bezog auch Pintscher plötzlich auf Englisch in den Dialog mit ein. Obwohl man dem Dialog mit ein wenig musikalischer Kenntnis ganz gut folgen konnte, versäumte es die Moderatorin aber, die Aussagen besonders von Dillon kurz auf Deutsch zusammenzufassen.

Zuschauer verlassen Konzert – „Abschiedssinfonie“ mal anders herum

Viele Leute verließen daraufhin den Saal, um in dem Konzert ohne Pause lieber noch mal auszutreten. Danach wurde es dann auch lang und auch ein wenig langweilig. James Dillons stoisch sich wiederholende Klangblöcke in seinem vierteiligen, fast einstündigen Zyklus „Pharmakeia“ tröpfelten so vor sich hin.

Und man musste unweigerlich an Joseph Haydns „Abschiedssinfonie“ denken, nur dass sich nicht wie in dessen Werk die Musiker nacheinander aus dem Saal schlichen, sondern bei Dillon eine beträchtliche Zahl von Zuhörerinnen und Zuhören, die diesem Werk nun einmal nichts abgewinnen konnten.