Hamburg. Der estnische Stardirigent und seine Deutsche Kammerphilharmonie Bremen brachten einen besonderen Solisten am Klavier mit.
Es musste für die Studierenden der Kölner Musikhochschule an deren Standort Wuppertal schon klasse gewesen sein, als ihnen 2020 mit dem in Bonn geborenen Pianisten Fabian Müller ein Klavierprofessor gegenübertrat, der nur wenige Jahre älter war als sie selber. Damals war er gerade mal 30 und wurde erst in diesem Jahr von der erst 27 Jahre alten Juniorprofessorin für Applied Microeconomics Alicia von Schenk als jüngster Professorin Deutschlands mit einer so frühen Berufung überholt.
Paavo Järvi und seine Deutsche Kammerphilharmonie Bremen hatten den von vielen internationalen Orchestern umworbenen Senkrechtstarter und Gründer eines eigenen Kammerorchesters am Sonntag als Solisten von Beethovens Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur op. 15 mit in die Elbphilharmonie gebracht. Und wer das bis heute revolutionäre Beethoven-Projekt dieses Orchesters kennt, wusste schon im Voraus, auf welche Überraschungen er sich dabei einstellen durfte.
Elbphilharmonie Hamburg: Paavo Järvi voll in Fahrt – Senkrechtstarter am Piano zu Gast
Natürlich waren bei den Bläsern die historischen ventillosen Naturtrompeten und Holz- anstelle silberner Böhmflöten im Orchester besetzt. Jede Note und jede kleinste Phrase wurden in der schwungvoll anhebenden Orchesterexposition perfekt ausgeformt.
Die Crescendi und die Akzente waren so scharf konturiert, dass das erste Klaviersolo Müllers danach fast ein wenig zu brav und zurückhaltend wirkte. Das änderte sich aber schnell, als der Solist im weiteren Verlauf einzelne Betonungen deutlich kräftiger und zuweilen mit kleinen Verzögerungen herausarbeitete.
Elbphilharmonie: Die sprudelnde Lebendigkeit der Kammerphilharmonie war mitreißend
Nicht nur Järvi war auch körperlich in voller Fahrt und trat bei dem Orchestertutti vor der fünf Minuten langen Solokadenz des Kopfsatzes, mit der Beethoven den Rahmen der klassischen Konzertform sprengte, einmal kräftig mit dem Fuß auf. Auch Müller benutzte seinen linken Fuß, um mit zitternd-wippenden Bewegungen einen extrem schnellen Triller der rechten Hand anzuheizen.
Das Thema des Largo-Satzes sang er förmlich auf den Tasten und ließ sich von der sprudelnden Lebendigkeit der Kammerphilharmonie im Finale nur so mitreißen. Zur Überraschung aller kündigte er als Zugabe das Wiegenlied von Brahms an und bat das Publikum sogar darum mitzusummen.
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Diese vergnügte Stimmung passte auch zu Joseph Haydns Londoner Sinfonien C-Dur Hob:97 und B-Dur Hob. I:102, die die Deutsche Kammerphilharmonie mit einem Witz und einer ungeheuren dynamischen Variationsbreite spielte. Den Höhepunkt bildete im Adagio der C-Dur-Sinfonie eine Art Super-Pianissimo, bei dem die ersten Geigen das Thema nur noch zu flüstern schienen. Nach ihrem Beethoven-Projekt ist für die Bremer ein Haydn-Projekt mit allen 104 Sinfonien nun aber wirklich an der Zeit.