Hamburg. Belgische Kompanie FC Bergman gibt mit „The Sheep Song“ eine bildgewaltige Fabel über das Streben des Menschen nach Höherem.

Die tierischen Statisten machen ihre Sache gut. Als sich der Vorhang hebt, blicken die Zuschauer auf eine kleine Herde aus Schafen, die ihnen gemütlich ihre wollige Rückansicht entgegenstrecken. Ein Schaf sondert sich ab, streckt sich, erhebt sich, bis es schließlich auf zwei Beinen steht. Bald springt es mit den Menschen auf einem Laufband munter um die Wette.

Die belgische Kompanie FC Bergman ist nach einer pandemiebedingten Absage mit ihrer wortlosen, aber bildgewaltigen Fabel „The Sheep Song“ endlich beim Lessingtage-Festival im Thalia Theater angekommen. Die sieben Performerinnen und Performer erzählen eine zutiefst bewegende – aber auch sehr düstere – Allegorie von einem Schaf, das sich aufmacht, als Zweibeiner unter Menschen zu leben. Das geht nicht ohne Konflikte ab. Es trifft beängstigende Hunde, Banditen, die ihm nichts Gutes wollen. Und es erlebt eine Tragödie, als das gemeinsame Kind mit einem menschlichen Wesen nicht lebensfähig ist.

Bald ist das Schaf, das inzwischen Sakko trägt, gefangen in einem Dazwischen. Unter Menschen ist es nur zum Teil willkommen, die alte Tierfamilie ist weit weg. Schutzlos ist es als Außenseiter Gewalt und Unglück ausgeliefert. Immer wieder trifft es aber auch auf Verbündete, etwa einen stummen, nackten Engel mit verhülltem Gesicht.

Thalia Theater: Wie kommen denn echte Schafe auf die Bühne?

Viele der starken Bilder, die FC Bergman in einem Raum voller Nebel und der verzaubernden Banjo-Musik des Musikers Frederik Leroux-Roels aufrufen, wirken so erhaben, als wären sie dem Mittelalter entliehen. Die Beteiligten, allen voran der körperlich enorm geforderte Tierdarsteller, formen die Odyssee des Schafs mit beeindruckend exakter Präsenz. Das Laufband wird mit immer neuen, fantasievollen Requisiten bestückt.

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Die Sehnsucht des Schafs nach Verwandlung und einem anderen, besseren Leben, ist einerseits menschlich, auch notwendig; gleichzeitig ist sie Furcht einflößend und enthält eine große Anmaßung. So überrascht es nicht, dass das Schaf irgendwann seine historischen Verwandten aus anderen Erzählungen trifft: den großen Käfer aus Kafkas „Die Verwandlung“. Und „Pinocchio“, jene Puppe, die zum Leben erwacht und ihrem Schöpfer ausreißt. Und wie Pinocchio trifft auch das Schaf immer wieder auf ein derbes, unheimliches Puppentheater. Am Ende ist das Schaf vielleicht selbst eine Art Narrenfigur, die letztlich uns alle in unserem menschlichen Streben nach Höherem spiegelt.

„The Sheep Song“28.1., 15.00, Thalia Theater (U Jungfernstieg), Alstertor, Restkarten; thalia-theater.de