Hamburg. Kunstverein zeigt Silke Otto-Knapp, eine Künstlerin zwischen Malerei und Bühne. Außerdem: Wie die Türkei ihre Pop-Revolution erlebte.
Natürlich ist das ein Gemälde, hier, im Eingang zur Ausstellung von Silke Otto-Knapps Ausstellung „Bühnenbilder“ im Kunstverein. Einerseits. Andererseits besteht das großformatige Werk aus mehreren Paneelen, ist also im Grunde eine Zusammenstellung verschiedener Bilder, die gemeinsam ein Ganzes ergeben.
Und es steht mitten im Vorraum zur Ausstellung: Eine Skulptur aus bemalten Keramikfliesen, um die man erst einmal herumgehen muss, bevor man den eigentlichen Ausstellungssaal betritt. Der Eingang also schafft eine Bühnensituation, die weit über die Malerei hinausweist.
Ausstellung Hamburg: Wenn der Direktor durch die Räume tanzt
„Untitled“ ist die letzte Arbeit der im Oktober 2022 in ihrer US-amerikanischen Wahlheimat gestorbenen Künstlerin, geschaffen wurde sie exklusiv für den Kunstverein. Das ist passend, weil sich hier eine Einführung in Otto-Knapps Werk finden lässt: „Untitled“ zeigt eine stilisierte Szene aus Fassbinders Film „Warnung vor einer heiligen Nutte“ (1970), in dem der Skandalregisseur das Filmemachen selbst thematisierte (und das 2017 vom belgischen Choreografen Michael Laub fürs Theater adaptiert wurde). Es geht also um eine Reflexion der darstellenden Künste, durch die man in den Kosmos der Ausstellung eintritt, der selbst eine Auseinandersetzung mit Theater und Tanz ist.
Eine Auseinandersetzung, die mit den Mitteln der Malerei vorgenommen wird – mit Ausnahme der Keramikarbeit vom Eingang zeigt Otto-Knapp ausschließlich Aquarelle und bleibt auch zweidimensional. Inhaltlich bewegt sie sich aber eng an der Bühne: „Stage (North and South)“ (2012) beschäftigt sich mit der US-amerikanischen Choreografin Anna Halprin, die Serie „Group“ (2020) mit dem Briten Michael Clark, und „In The Midnight Hour“ (2016) entführt einen auf eine stilisierte Probebühne, auf der Dehnen, Strecken und Aufwärmen im Zentrum stehen.
Der Kunstverein Hamburg zeigt ganz besondere „Bühnenbilder“
Dazu kommt eine originelle Ausstellungsarchitektur, die den Raum in oranges Licht taucht und die (ansonsten gerne mal störenden) Säulen des ehemaligen Industriegebäudes als Träger für die Gemälde nutzt, die so gleichsam im Raum zu schweben scheinen. „Das ist eine Art Choreografie, die wir entwickelt haben, um den Bildern einen Körper zu geben“, beschreibt Kunstverein-Direktor Milan Ther das. Und tanzt zwischen Otto-Knapps Bühnenentwürfen hin und her.
Und weil die Ausstellung zwar eindeutig bildende Kunst ist, ihre Beeinflussung durch die darstellenden Künste nicht verstecken mag, passt auch die zweite Ausstellung im Erdgeschoss gut zu „Bühnenbilder“. „The 90s Onstage“ präsentiert die türkische Kunstszene, die sich in den 1990er-Jahren explosionsartig entwickelte, beeinflusst durch einen Aufschwung der Popkultur, die Buntheit des (1989 in der Türkei eingeführten) Privatfernsehens und radikale politische Verwerfungen. Die von Amira Akbıyıkoğlu kuratierte Ausstellung zeigt eine Gesellschaft im Ausnahmezustand, die ihre Brüche und Narben in Kunst zu verwandeln wusste, welche vor allem durch ihren interdisziplinären Charakter beeindruckte.
Und Interdisziplinarität, das ist dann auch der passende Übergang zu Otto-Knapp ein Stockwerk höher, mit ihrem konsequenten Brückenschlag zwischen Malerei und Bühnenkunst.
„Silke Otto-Knapp: Bühnenbilder“ / „The 90s Onstage“bis 14.4., Kunstverein in Hamburg (U Steinstraße), Klosterwall 23, Di–Fr 12.00–18.00, Sa/So 11.00–18.00, Führungen jeden Do 17.00, Eintritt 5,-/3,- (erm.); kunstverein.de