Hamburg. Die Elbphilharmonie organisierte einen Ortstermin mit Konzerttechniker und Pianistin in der Flügelmanufaktur von Steinway & Sons.

„Ich hör mir das mal an…“, das dürfte so ziemlich der häufigste Therapie-Satz sein, den Simon Rempe während seiner Arbeitszeit als Konzerttechniker zu sagen hat; am besten mit beruhigendem Balsam-Timbre in der Stimme, um das Gegenüber nur ja nicht auch noch zu verstimmen. Denn genau das Gegenteil ist sein Job, von außen betrachtet eine Mischung aus Feinstmechaniker, Psychotherapeut und notfalls auch mal Virtuosen-Babysitter.

Rempe ist einer der „fünf Musketiere“ der Klaviermanufaktur Steinway & Sons am Rondenbarg, die in Hamburg regelmäßig dafür sorgen, dass Pianistinnen und Pianisten bei ihren Auftritten in Elbphilharmonie und Laeiszhalle sicher sein können: Falls tatsächlich live etwas schiefgeht – am Flügel-Service vor dem ersten gespielten Ton hat’s eher nicht gelegen.

Elbphilharmonie Hamburg: Wie man einen Steinway-Flügel im Konzert zum Abheben bringt

Normalerweise bekommt das Publikum fast nichts von dieser Wartungs-Präzisionsarbeit mit, es sei denn, einer dieser Steinway-Sanitäter muss in der Konzertpause kleine Notfälle ambulant einrenken. Gut zwei Dutzend Interessierte hatten nun die Gelegenheit, bei einer „Elbphilharmonie Plus“-Führung durch die Fertigungsabteilungen zunächst Schritt für Schritt zu besichtigen, wie in einem Jahr aus rund 12.000 Einzelteilen ein Instrument wird. Überall der entsprechend spezielle Geruch, zunächst nach sehr viel Holz, in der „Rimbiegerei“, wo die Außenrahmen der Instrumente vorsichtigst in Form gebracht werden.

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Die Schmink-Ecke, in der etliche Furniervarianten für Spezialmodelle aufgetragen werden. Die „Innere“, in der aus handverlesenen Alaska-Fichte-Portionen die charakterprägenden Resonanzböden entstehen. Der Keller, Geburtsstation für die Gussplatten, die alles zusammenhalten müssen.

Nach der Erklär-Runde spielte Avdeeva zwei Stücke von Chopin und Liszt. Am 17. Februar gibt sie ein Liszt-Recital im Kleinen Saal der Elbphilharmonie.
Nach der Erklär-Runde spielte Avdeeva zwei Stücke von Chopin und Liszt. Am 17. Februar gibt sie ein Liszt-Recital im Kleinen Saal der Elbphilharmonie. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Steinway & Sons: Klingt der Flügel „wie verschnupft“, kann Rempe einiges wieder ins Lot bringen

In einer der Fertigungshallen, dekorativ vor einigen Flügel-Rohlingen eingedeckt, berichtete die Pianistin Yulianna Avdeeva aus der Perspektive der Praktikerin über den sehr empfindlichen Beziehungsgeflecht-Dreiklang zwischen Interpret, Instrument und Intonateur: Das sei wie mit Menschen, mit dem einen fände man sofort eine gemeinsame Sprache, mit dem anderen… Wie diffizil die Anforderungen sind, zeigte Rempe im Anschluss. Macht der Ton „ein paar Kurven“, bekommt man ihn mit einigen Justierungen durch den Stimmhammer wieder in die Spur.

Klingt der Flügel für die Pianistin nicht ideal, sondern „wie verschnupft“, kann Rempe mit einer Korrektur am linken Pedal, das die Klaviatur mitsamt der Mechanik einen Tick nach rechts verschiebt, einiges wieder ins Lot bringen.

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Die Instrumente in den Flügellagern der Elbphilharmonie und der Laeiszhalle werden fast wie Intensivpatienten überwacht und gepflegt, weil ständig Konzerteinsätze kommen und gehen; so haben sie kaum Gelegenheit, um dramatische Probleme auszubrüten. Umso entscheidender sind dann eben die kleinen Nuancen: Ist ein Ton doch etwas zu kurz, etwas zu hart, etwas zu spitz, etwas zu unrund? Irgendwie anders als seine Nachbarn eben?

Dagegen helfen womöglich einige gut gesetzte Nadelstiche in den Filzbezug des kränkelnden Hammerkopfs. Rempe ermöglicht praktisch so gut wie alles. Nur spielen muss der Künstler oder die Künstlerin am Abend dann noch eigenhändig selbst.

Nächstes Avdeeva-Konzert: 17.2., 19.30 Liszts h-Moll-Sonate und andere Werke von Liszt, Elbphilharmonie, Kl. Saal. Evtl. Restkarten.