Hamburg. Sympathisch verrückt: „Pianomania“-Konzertreihe dreht sich um Liszts h-Moll-Sonate. Denis Kozhukhin kombinierte sie mit Schubert.
Diese Idee der Elbphilharmonie-Konzertplanung ist an sich sympathisch verrückt. Eine „Pianomania“-Reihe in vier Folgen rund um eines der größenwahnsinnigsten Stücke Liszts für den Kleinen Saal zu programmieren, der in dieser Kategorie nun wirklich einiges geliefert hat: die h-Moll-Sonate, genau 170 Jahre alt. Wie damit klarkommen, wie sie einhegen für einen Konzertabend? Nun war es an Denis Kozhukhin (der übrigens wie die fast gleichaltrigen Kollegen Daniil Trifonov und Igor Levit in Nischni Nowgorod geboren wurde), das 30-Minuten-Biest entschlossen niederzuringen.
Gegenmittel und Kontrast seiner Wahl in der ersten Konzerthälfte war allerdings eine interessante Überraschung: Schuberts späte, todtraurig beginnende und sich dann immer wieder trotzig aufhellende späte B-Dur-Sonate. Ein episch erzählendes Stück, für das man empathisches Fingerspitzengefühl braucht und einen Anschlag, der jeden Ton liebkost und jedes Legato singt, man muss sanfte Melancholie nachzeichnen wollen und können. Hier hatte Kozhukhin allerdings Anfangsschwierigkeiten. Er blieb im Kopfsatz zu konkret, zu hart, zu wenig auskostend. Motive und ihre Weiterspinnungen und Wiederaufnahmen wurden von ihm eher deklamiert und behauptet, anstatt sie als vertontes Grübeln zu verstehen. Ein bisschen unromantisch, ein wenig zu nüchtern war dieser erste Satz.
Elbphilharmonie Hamburg: Ein Klavierabend nach dem Zuckerbrot-und-Peitsche-Prinzip
Womöglich war er aber auch die für Kozhukhins Eifer notwendige Abkühlphase, um danach, im Andante, zur nötigen Ruhe zu kommen und diesen Abschnitt als wolkenverhangenen Zartbitter-Tagtraum auszuloten. Danach wurde es empfindsamer, weicher, eigener, weniger druckvoll. Das kleine, feine Spieldosen-Scherzo und das raffinierte Tänzeln ins Finale. Noch keine reife, aber eine engagierte Leistung.
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Bei Liszt ging Kozhukhin dann gleich in die Vollen. Er verschwendete keinen Moment, um noch über die tiefdunkel pochenden Anfangsoktaven nachzugrübeln, stattdessen: großes Risiko, frontal. Das ständige Hakenschlagen von donnernder Brillanz zu samtweichem Herumfantasieren trieb ihn an, und diese Interpretation mit Nachdruck nach vorn. Weil es ja oft stimmt, dass man an seinen Herausforderungen wächst, wuchs Kozhukhin auch hier über die bloße Bewältigung hinaus. Er genoss jede Hürde, die ihm als Interpret von Liszt in den Weg gestellt wurde, tobte sich in den virtuosen Etappen glänzend und mühelos wirkend aus. Das Zuckerbrot-und-Peitsche-Prinzip der ständigen Stimmungsumschwünge und Extremlagen brachte ihn nicht aus dem Konzept oder an den Rand des Aufgebens, im Gegenteil, Kozhukhin gönnte sich und dem begeisterten Publikum auch noch drei kurze Zugaben.
Nächstes h-Moll-Sonaten-Konzert: 17.2., Yulia Avdeeva, kombiniert mit spätem Liszt, Elbphilharmonie, Kleiner Saal. Aktuelle Aufnahme: auf Igor Levits „Fantasia“ (Sony Classical, CD ca. 15 Euro)