Hamburg. Masaaki Suzuki kam mit dem Orchestra of the Age of Enlightenment und Johann Sebastian Bach in die Stadt. Nicht alles gelang.

Johann Sebastian Bach, Weihnachtsoratorium, Elbphilharmonie, Großer Saal. Das Orchester beschließt den ersten Teil nach all dem Jauchzen und Frohlocken mit einem Akkord, der in die Stille zurückführt. Das Publikum lässt ihn nachklingen und wartet auf die Hirtenklänge der „Sinfonia“ von Teil zwei, da schaufelt der Dirigent unversehens mit den Armen. Die jähe Bewegung unterbricht die Versenkung. Schließlich erhebt sich ein zögerndes Klatschen. Worauf der Dirigent, als tobte frenetischer Jubel, auch noch einzelne Sänger und Sängerinnen hervorhebt. Die Geste wirkt einigermaßen deplatziert.

Masaaki Suzuki, der Altmeister der historischen Aufführungspraxis in Japan, ist mit einer englischen Elite-Combo nach Hamburg gekommen, dem Orchestra of the Age of Enlightenment und dem Chor mit dem entsprechenden bandwurmartigen Namen. Die können alles, das werden sie wieder einmal vorführen. Paradoxerweise wird gerade deshalb ein schaler Nachgeschmack bleiben.

Elbphilharmonie Hamburg zeigt Weihnachtsoratorium: Im Orchester gehen Kleinigkeiten daneben

Das Weihnachtsoratorium (kurz W.O.) kann jeder und jede dieser Superprofis im Schlaf. Aber: Vorsicht Falle! Dieses Einzelkönnen muss man immer wieder zusammenfügen. Im Orchester gehen immer mal Kleinigkeiten daneben, hier klappert es, dort hängt die Intonation durch oder franst ein Schlusston aus. So klingt es, wenn man zu wenig geprobt hat.

Das ist, um es klarzustellen, Jammern auf allerhöchstem Niveau. Die Age-of-Enlightenment-Ensembles reißen die Messlatten, die sie zuvor selbst mit hinreißend inspirierten Aufführungen gelegt hatten.

Elbphilharmonie Hamburg: Inspiration ist leider nicht Suzukis Sache an diesem Abend

Inspiration ist leider nicht Suzukis Sache an diesem Abend. Dies ist eher ein digitales W.O., wobei Suzuki den Temporegler ziemlich weit nach oben schiebt (der Eingangschor zum dritten Teil „Herrscher des Himmels“ klingt als hätte man wie früher versehentlich den Plattenteller auf 45 statt auf 33 gestellt). Der Chor singt das alles locker weg, mit müheloser Homogenität und leider wenig plastischer oder gar sprachnaher Gestaltung. Die Motette „Singet dem Herrn ein neues Lied“, vor dem dritten W.O.-Teil eingeschoben, gerät zu einer reinen Leistungsschau.

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Zum Staunen gibt es genug. Der Countertenor Hugh Cutting, der all die wunderbaren Alt-Arien singen darf, kommt in der Weichheit oft einer Frauenstimme nah. Und der Tenor Guy Cutting (woher die Namensgleichheit rührt, bleibt ein Geheimnis) singt die Partie des Evangelisten mitsamt den Arien so beseelt und aus dem Moment heraus, wie man sich das nur wünschen kann. In der Arie „Frohe Hirten“ streuen Sänger und Soloflötistin die Koloraturen wie Schneekristalle aus, ohne von der Innigkeit des Bildes abzulenken.

Es ist ein Ruhepunkt der Aufführung. Und einer der ganz wenigen Momente, die zu Herzen gehen.