Hamburg. Anfang des Jahres läuft wieder Axel Ranischs Inszenierung von „Il trittico“. Ein Abend voll Herz, Schmerz und bitterbösem Witz.
Das italienische Staatsfernsehen ist auch da. Na klar, Puccini ist schließlich kulturelles Nationalheiligtum. Dafür kann man auch mal ein Team ins ferne, regengraue Hamburg schicken, wenn an der dortigen Staatsoper „Il trittico“ gezeigt wird.
Ein Triptychon, ein streng konzipiertes dreiteiliges Bild bei Puccini, das klingt erst mal nach einem Versehen. Steht der italienische Komponist doch für große Tableaus, für mit breitem Pinsel verschwenderisch aufgetragene Farben, für Gefühle im XXL-Format. „Butterfly“, „Bohème“, und „Tosca“ lassen grüßen.
„Il trittico“ an der Staatsoper Hamburg: Ranisch bindet drei wenig bekannte Puccini-Einakter zusammen
Bei „Il trittico“ dagegen geht es nicht ohne Reduktion. Das Werk besteht aus drei Kurzopern: einem Ehedrama, der Geschichte einer Nonne, die vom Tod ihres Kindes erfährt, und einer Erbschleicherkomödie.
Ab Ende Januar steht die Inszenierung von Axel Ranisch viermal auf dem Spielplan. Die zahlreichen Rollen übernehmen zum größten Teil Ensemblemitglieder wie schon bei der Premiere im vergangenen Frühjahr, die musikalische Leitung hat in dieser Serie Alexander Joel.
Die drei Teile haben auf den ersten Blick rein gar nichts miteinander zu tun. Sie in Beziehung zu setzen ist für jeden Regisseur eine spezielle Herausforderung. Ranisch geht gleichsam eine Stufe höher und erfindet eine Rahmenerzählung: Die Mitwirkenden teilen per Projektion auf den Vorhang mit, dass sie das Stück dem Andenken der Schauspielerin Chiara de Tanti widmen.
Figuren des deutschen Films erinnern an Chiara de Tanti
Chiara wer? Ranisch hält sein Publikum lange im Ungewissen darüber, ob die Widmung womöglich einen Anlass im echten, äußeren Leben hat. Ob es diese Frau wirklich gegeben hat. Figuren des deutschen Films erinnern an sie, der Regisseur Tom Tykwer etwa und der Schauspieler Gustav Peter Wöhler, und ihre Erschütterung lässt ahnen, welche Tragödie sich da ereignet haben muss.
Die blättert Ranisch schön chronologisch auf, indem er die drei Mini-Opern mit Stationen in de Tantis Biografie verknüpft. Man muss ein bisschen um die Ecke denken dabei. Ranisch wandelt gleichsam das Stilmittel des „Theaters auf dem Theater“ ab zu „Film in der Oper“: Jede der drei Opern ist bei Ranisch ein Spielfilm. Daher die Fernsehkameras. De Tanti hat in jedem dieser Filme mitgespielt, und in jedem spiegelt sich ein Wendepunkt ihres Lebens.
Habgier und Heuchelei der unterhaltsamsten Sorte
Allem Anfang wohnt bekanntlich ein Zauber inne, weshalb der Regisseur die Reihenfolge der drei Kurzopern mal eben ändert und mit der Komödie „Gianni Schicchi“ beginnt. Nun ist die Handlung dieser Farce weniger zauberhaft als zynisch: Die habgierigen Hinterbliebenen heucheln Trauer nach dem Ableben eines reichen florentinischen Hagestolzes – doch halt, Moment, Regieeinfall! Bei Ranisch lebt er noch und stirbt erst an einem Herzanfall, als eine junge, hübsche Nonne mit eindeutigen Absichten zu ihm ins Bett steigt. Die Nonne wird im weiteren Verlauf nicht mehr gebraucht, aber de Tanti lernt durch diesen Kurzeinsatz den prominenten Darsteller Gianni Schicchi kennen.
Damit nimmt eine Amour fou ihren Lauf, wie Weggefährten und Angehörige de Tantis in den fingierten Interviews nach dem turbulenten Ende des ersten Teils erzählen. In „Il tabarro“ haben sich die Verhältnisse bereits umgekehrt: Die aufstrebende junge Schauspielerin ist mittlerweile ein Star, während seine Karriere ihren Zenit deutlich überschritten hat. Das gibt dem Eifersuchtsdrama, das Puccini in einer französischen Hafenstadt angesiedelt hat, noch zusätzlich Zunder.
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Die dritte Oper des Abends (bei Puccini steht sie nicht von ungefähr in der Mitte) nimmt die Perspektive einer trauernden Mutter ein: Eine Tochter aus vornehmem Hause hat ein nicht eheliches Kind bekommen. Man hat es ihr gleich nach der Geburt weggenommen und sie in ein Kloster geschickt. Dort führt sie als „Suor Angelica“ ein stilles Leben und verzehrt sich insgeheim nach ihrem Söhnchen. Ihr Leid ist schon im Original kaum zu ertragen; bei Ranisch kommt dazu die persönliche Katastrophe de Tantis.
So genau und knapp wie die Werke ist auch Puccinis Tonsprache. Die wurde lange als süßlich-kitschig geschmäht. In „Il trittico“ ist sie im Gegenteil psychologisch, sparsam und geistreich. Für seine Aussage reichen dem Komponisten wenige Pinselstriche aus.
„Il trittico“ 21.1., 17.00, 26. und 30.1. sowie 1.2.2024, jeweils 18.30, Staatsoper, Karten zu 6,- bis 109,- unter T. 35 68 68; www.staatsoper-hamburg.de