Hamburg. Die Band um Stefanie Hempel feierte mit Anna Depenbusch, Fjarill und vielen weiteren Gästen den 80. Geburtstag von Joni Mitchell.
Birgit Reuther
Letztlich lässt sich nur staunen, mit offenem Mund und ganz weitem Herzen, was Stefanie Hempel da erneut für ein wahrhaftiges Musikereignis auf die Bühne gebracht hat. Bekannt ist sie für ihre Beatles-Expertise und ihre konzertanten Happenings rund um die Fab Four.
Nun hat sie mit ihrem The Joni Project nach Kampnagel geladen, um die Lieder der großen Songschreiberin Joni Mitchell mit ihrem ganz eigenen Spirit aufzuladen. Die Songs der kanadischen Künstlerin hätten sich in Köpfe, Herzen und Haut eingeprägt wie Tätowierungen, sagt Hempel zum Auftakt. Ein kollektives Kulturgut. Und eine Musik, die einen stets aufs Neue individuell fühlen lässt.
Konzert Kampnagel: The Joni Project sorgt für kollektive Begeisterung
Dass das Joni Project für sich allein bereits emotional abendfüllend durch das bunte „Joniversum“ führen könnte, ist zu Beginn deutlich zu spüren. Während der Pandemie hat sich dieses außergewöhnliche Trio gefunden, um sich selbst einen Lichtblick in dieser Zeit zu schaffen.
Neben Hempel an der Gitarre ist da in der Auftaktnummer „All I Want“ die niederländische Musikerin, Sängerin und Komponistin Iris Romen am Bass zu erleben. Die Hamburger Multiinstrumentalistin Anne de Wolff wiederum spielt die Saz. Der Sound klar und detailverliebt. Und die Stimmen einzeln und im Harmoniegesang schlichtweg schön, transparent und bewegend. Da haben sich drei Seelenverwandte gesucht und gefunden. Eine Begegnung, die nun auch in das Album „Shades of Blue“ mündete.
The Joni Project: Herausragende Talente in Wohlfühlatmosphäre
In Anne de Wolffs BluHouse-Studio in Wellingsbüttel fanden die Proben zum Joni Project statt. Diese warme Wohnzimmeratmosphäre transportiert das Trio auf die Bühne in der bestens gefüllten Halle K6. Der dreieinhalbstündige Abend gerät zur hippiesken wie hoch professionellen Session. Denn wenn Stefanie Hempel bescheiden „& Friends“ auf das Ticket schreibt, dann ist nicht weniger als eine Zusammenkunft unfassbar talentierter Menschen zu erwarten. Das Gefühl von wirklich gemeinsamem Musizieren, von echtem Austausch und Achtsamkeit prägt das Geschehen.
Dazu trägt besonders die beeindruckende Backing-Band bei: Timon Schempp an Schlagzeug und Percussion, Ulrich „Ulle“ Rode an der Gitarre, Lisa Wulff am Bass und Friedrich Paravicini an diversen Tasteninstrumenten. Und dann geht es Schlag auf Schlag: Katharina Franck (Rainbirds) interpretiert „Coyote“. Halb singend, halb intensiver Spoken-Word-Vortrag. In verschiedenen Konstellationen ist die herausragende junge Künstlerin CATT bei dieser „Celebration of Joni Mitchell“ zu sehen und zu hören. Sich selbst am Flügel begleitend singt sie eine eindringliche Version von „Woman Of Heart And Mind“.
Konzert Hamburg: Anna Depenbusch, Fjarill und Lisa Bassenge sind Gäste
Auch Joni Mitchell liebte und liebt es, so erzählt Hempel, in ihrem Haus im kalifornischen Laurel Canyon musizierende Freunde zu versammeln. Diese Atmosphäre erweckt das Joni Project gemeinsam mit Jazz-Sängerin Lisa Bassenge und Liedermacherin Anna Depenbusch in „Ladies Of The Canyon“ zum Leben. Anne de Wolff und Hanmari Spiegel vom Hamburger Duo Fjarill spielen Geige dazu. Wie im Traum geht es durch Höhen, Tiefen und alles dazwischen. Melancholie, Sehnsucht, Freundschaft.
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Starke Künstlerinnen bringt das Joni Project da auf die Bühne. Doch auch Singer-Songwriter Niels Frevert nähert sich mit dem Weihnachtssong „River“ äußerst empathisch der Essenz von Joni Mitchell an. Und einige Hürden werden an diesem abwechslungsreichen Abend mit Charme und Improvisation überbrückt: Der an Corona erkrankte Musiker Martin Gallop ist via Handyaufnahme dabei. Und die wegen der Flughafensperrung verspätet aus der Schweiz angereiste Sängerin Alma Naidu rückt mit ihren Songs eben ans Ende des zweiten Sets.
The Joni project: Gitte Hænning singt den „Jahrhundertsong“
Die Generation Joni am stärksten verkörpert die dänische Sängerin Gitte Hænning, drei Jahre jünger als die verehrte Künstlerin. Bunt gewandet tritt sie ins Scheinwerferlicht und präsentiert unter anderem mit CATT und Bassenge die Nummer „Both Sides Now“. Ein „Jahrhundertsong“, so Hempel. Hænning gewinnt ihrem Part viel Tiefe und Verletzlichkeit ab.
Wunderbar gemeinschaftlich wird es, als Aino Löwenmark von Fjarill mit dem Publikum den Refrain von „The Circle Game“ einübt. Der Kreislauf des Lebens, mit allen zelebriert. Dermaßen gut eingesungen, passt dann auch noch ein vielstimmiges Geburtstagsständchen für Joni Mitchell, die diesen Dienstag 80 Jahre alt wird. Nach dem rock-‘n‘-rolligen „Big Yellow Taxi“ und dem heilsamen „You Can Close Your Eyes“ bleibt schließlich das Gefühl, wesentlich mehr erlebt zu haben als eine Hommage. Da wurde sich Joni anverwandelt. Und vor allem: gefühlt und gelebt.