Hamburg. Festakt zum 100. Geburtstag erinnert an „Spiegel“-Gründer und die gesellschaftliche Bedeutung von Journalismus, Kultur und Politik.

Der Ort für den Festakt ist klug gewählt. Der Bunker an der Feldstraße nämlich ist ein zentraler Bezugspunkt für die Hamburger Medienentwicklung: Hier entwarf Axel Springer nach 1945 seine Programmzeitschrift „Hörzu“, hier legte der damalige NWDR den Grundstock für den Rundfunk in der Bundesrepublik. Also: gute Idee, hier, im Resonanzraum, einem clubähnlichen Veranstaltungsort innerhalb der Bunkermauern, den 100. Geburtstag von „Spiegel“-Gründer Rudolf Augstein mit einem Festakt zu begehen.

Der Bunker ist aber eben nicht nur Medienort, er ist auch Kulturort. Weswegen es beim Festakt nicht nur um den „Spiegel“ gehen soll, sondern auch um Kultur, genauer: um Heinrich Heine. Den der Journalist Augstein verehrte, und dem er in mancher Hinsicht nahe war. Zum Beispiel in Bezug auf sprachliche Pedanterie und einen Hang zum Besserwissertum, wie Augsteins Tochter Franziska in ihrer Begrüßung beschreibt. So habe ihr Vater einst inhaltliche Verbesserungen bei Richard Wagner angemahnt, freilich ohne eine Antwort aus Bayreuth zu erhalten. Und Heine habe vorgeschlagen, die Bibel nochmal zu überarbeiten. Auch keine Antwort.

Spiegel-Gründer: Rudolf Augstein im „Spiegel“ der Zeit

Wobei es mit ein paar inhaltlichen Korrekturen bei Richard Wagner nicht getan sei, meint Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda in seiner Laudatio. „Da würde wohl ein grundsätzlicheres Redigat anstehen.“ Gelächter. Brosda ist bekanntermaßen ein charmanter Redner, bei dessen Ausführungen man gar nicht merkt, in was für halsbrecherischen Volten er vom Hölzchen aufs Stöckchen kommt. Beziehungsweise hier: von den zu unterschiedlichen Zeiten ähnlich verlaufenen Biografien Heines und Augsteins über Bismarck zu den Aufgaben den freien Presse, von der Kultur über die Politik zur Medienpraxis. Wobei Brosda all diese Bereiche natürlich kenntnisreich abzudecken weiß: Der Kultursenator (Kultur!) ist Sozialdemokrat (Politik!) und ausgebildeter Journalist (Medien!), das passt alles.

Mehr zum Thema

Aber dass man sich Gedanken machen sollte, was die Aufgabe von Medien ist, in Zeiten von populistischem Lautsprechertum, das ist ja tatsächlich etwas, an das man am Geburtstag eines wichtigen Medienmachers erinnern sollte. Augstein hatte das Motto „Sagen, was ist“ für den Journalismus ausgegeben (und, wie am Abend mehrfach betont wird, auch immer wieder unterlaufen). Brosda antwortet darauf mit einem abgewandelten Harry-Rowohlt-Zitat: „Sagen, was man denkt. Und vorher was gedacht haben.“

Worauf der Festakt in die kulturelle Zielgerade einbiegt – mit dem Literaturkonzert „Ich bin ein Wolf geblieben. Heinrich Heine: Paris. Musik. Politik“, in dem Barbara Auer (als Erzählerin) und Thalia-Schauspieler Jens Harzer (als Rezitator) das Leben Heines Revue passieren lassen, begleitet von Pianistin Olena Kushpler und Bariton Ludwig Mittelhammer, die Heine-Vertonungen von Robert Schumann bis Fanny Mendelssohn-Hensel darbieten.