Hamburg. Bei seiner eigenen Vernissage in der berühmten Kunstbuchhandlung tritt Richter als der Querkopf auf, als der er Hamburg einst verließ.
Beengt ist gar kein Ausdruck. Vielmehr ist es so, dass die Kunstbuchhandlung Felix Jud am Neuen Wall aus allen Nähten platzt: Über drei Etagen drängeln sich Kunstfans, klar, zum 100-jährigen Bestehen der Buchhandlung stellt mit Daniel Richter ja auch ein veritabler Star in den Räumen aus.
Aber Richter ist nicht nur ein Star, einer der erfolgreichsten und einflussreichsten deutschsprachigen Künstler, er ist auch eng mit Hamburg verbunden. Hier studierte der 1962 in Eutin geborene Maler an der HfBK, hier war er eine der zentralen Figuren der Subkultur St. Paulis, und als er 2010 nach Berlin zog, war das Wehklagen groß. Entsprechend besitzt die kleine Ausstellung mit dem etwas albernen (aber für die Hamburger Szene um Werner Büttner und Albert Oehlen durchaus typischen) Titel „Geht nicht ohne Hosen“ auch ein nostalgisches Moment: Wenn der verlorene Sohn zurückkehrt, dann will man einfach dabei sein.
Daniel Richter ist immer noch der Querkopf, den man aus den Nullerjahren kannte
Wobei Richter nicht reumütig und milde aus der Hauptstadt zurückkehrt, tatsächlich ist er immer noch der Querkopf, den man aus den Nullerjahren kannte. Felix-Jud-Geschäftsführer Robert Eberhardt führt ihn die Treppen zur Ausstellung hinauf, der Künstler sieht die Menschenmassen, murmelt „Das habe ich mir aber ganz anders vorgestellt!“ – und stürmt wieder nach unten. Erst mal auf die Straße, erst mal eine rauchen. Immerhin, er war mal Punk, also bleibt er die nächsten zehn Minuten draußen. Und die Society? Darf warten.
Irgendwann aber hat Eberhardt seinen Star dann doch noch auf die Empore im dritten Stock bugsiert. Da darf sich Richter dann eine so freundliche wie sympathische Einführung von Marina Krauth anhören, in der sie die Verzögerung mit einer Erinnerung an den Gründer der Buchhandlung beschreibt: „Das ist hier wie zu Zeiten von Felix Jud – bevor es losgeht, muss erst mal eine Zigarette geraucht werden.“ Gelächter.
Dass Richter sie in der Folge immer wieder auflaufen lässt, indem er jede Passage, in der sie die gemeinsame Geschichte beschreibt, mit einem spöttischen „Stimmt!“ kommentiert – geschenkt. Also: Ein erster Kontakt zwischen Buchhandlung und Künstler sei 2007 entstanden, anlässlich seiner Retrospektive in der Hamburger Kunsthalle. 2010 zeigte er hier „19 Empfindlichkeiten. Reaktionen auf Hubert Fichte“ („Stimmt!“), 2011 las er hier gemeinsam mit dem damaligen Kunsthallen-Direktor Hubertus Gaßner aus dem Briefwechsel zwischen Max Liebermann und Alfred Lichtwark („Stimmt auch!“), 2013 zeigte er eine Reihe kleinformatiger Arbeiten („Stimmt schon wieder!“).
Daniel Richter: In Berlin vermisst er die Buchhandlung Felix Jud
„Geht nicht ohne Hosen“ ist also nicht in erster Linie der Coup eines agilen Buchhändlers, es ist die Fortführung einer langen Arbeitsbeziehung. Immerhin, 2010 antwortete der gerade wegziehende Richter im Abendblatt-Interview auf die Frage, was er in Berlin wohl vermissen werde: den Filmregisseur Peter Sempel, die Plattenfirma Buback Tonträger – und Felix Jud.
Und wie macht sich nun die Kunst in der Buchhandlung? Jedenfalls beweist sie, dass Richter weiterhin einer der ästhetisch unvorhersehbarsten Künstler der Gegenwart ist. Manche Bilder sind expressiv-abstrakte Farbattacken, andere stille Figurendarstellungen, manchmal dringt sogar eine Strenge in den Vordergrund, die man so von ihm noch nicht kannte. Was aber allen gezeigten Arbeiten gemein ist, ist ein etwas abseitiger Humor. Den Richter auch im Ausstellungskonzept verwirklicht sieht: „Es gibt kleine Formate in Öl, es gibt große Plakate als Collage, es gibt ein Bild“, beschreibt er die Hängung. „Und dann gibt es noch ein paar Sachen von anderen Künstlern, die ich ganz amüsant finde.“
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Daniel Richter: „Ich hasse Jeff Bezos“
Ganz amüsant, das ist ein Schlüsselbegriff für diese Kunst, und es ist sympathisch, dass das auch weitere Künstler einschließt, den langjährigen Freund Jonathan Meese etwa, der ein absurdes Richter-Porträt beisteuert, oder das Karikaturistenduo Hauck & Bauer. Oder aber eine Buchhandlung wie Felix Jud, einen Kunstort, der auch politisch wichtig ist. „Ich hasse Jeff Bezos!“, schimpft Richter plötzlich unvermittelt über den Gründer des Online-Marktplatzes Amazon. „Der hat den Buch- und den Plattenhandel zerstört!“
Stimmt schon, würden alle nur noch im Internet kaufen, gäbe es keine Buchhandlungen mehr. Obwohl an diesem Abend tatsächlich doch noch ziemlich viele Menschen da sind, trotz Jeff Bezos.
Daniel Richter: „Geht nicht ohne Hosen“, bis 18. November, Felix Jud, Neuer Wall 13, Montag bis Sonnabend, 10 bis 18 Uhr, www.felixjud.com