Malen ist für ihn harte, unfrohe Arbeit. Mehr Spaß macht ihm das Beobachten - bei den Festspielen ist er ganz offensichtlich auf Input gepolt.

Salzburg. Wenn man mit Daniel Richter über seine Arbeit als Maler und über das Dasein im Atelier reden will, kann es sein, dass man innerhalb eines Satzes, der beim Pinselreinigen beginnt, erst bei Bismarck und dann bei den Römern landet. Oder bei Strauss-Opern, bei Musik von Nono oder der Frage, welche Anlage den besten Sound für alte Reggae-Platten liefert. Oder einer Lektion im Umgang mit österreichischen Kellnern.

Richter ist, wie er malt. Unbremsbar, neugierig, interessiert an Menschen, flirrend und vielschichtig. Vollgas als Leitmotiv. Flottes Mundwerk mit enorm viel dahinter.

Wollen wir zum Warmwerden doch mal grundsätzlich werden. Die Idee der Malerei sei nicht, Können vorzuführen, war von ihm zu lesen. Nö, das stimmt. Was dann? "Kunst. Kunst und Können haben nichts miteinander zu tun. Ob man dafür malt, auf dem Kopf steht, in die Ecke pinkelt oder Videos macht, ist egal."

Man kann Richter abseits seiner Bilder durch Zufälle begegnen.

Die Salzburger Festspiele sind so einer. Am heutigen Mittwoch hat dort Bartóks "Blaubart" Premiere, kombiniert mit dessen "Cantata profana" und den Vier Orchesterstücken op. 12, inszeniert von Johan Simons, dirigiert von Peter Eötvös. Richter wurde von Intendant Jürgen Flimm angefragt und sagte ohne großes Zögern zu, das Bühnenbild zu entwerfen. Deswegen ist er hier, voller Respekt für die Aufgabe und die Kollegen. Klapprad, verstrubbelte Frisur, ausgesprochen freundlich. Bei der "Otello"-Premiere trifft man ihn wieder. Freudig fassungslos über das Spektakel im Foyer, die Frisuren, die Kleider, das gockelige Upperclass-Getue. Man sieht förmlich, wie er all das in sich aufsaugt. Vielleicht landet irgendetwas irgendwann in einem seiner Bilder.

Man kann sich Richter und seiner Arbeit aber auch ganz offiziell und beeindruckt nähern. Dann ist er einer der bekanntesten deutschen Maler der Gegenwart. Eine erste große Retrospektive in der Hamburger Kunsthalle. Seine Arbeiten - das heißt: die wenigen, die es im Berliner Atelier bis auf die Leinwand schaffen - werden weltweit zu stolzen Preisen gehandelt. Und da wären wir dann auch schon beim Problem. Malen findet Richter nämlich echt anstrengend. Nicht nur mühsam und langwierig, mal Monate, mal ein Jahr für ein Bild. Sondern: so richtig anstrengend. "Das ist wie eine Aufgabe, die ich lösen will, verbissen und sorgfältig. Aber ich geh nicht fröhlich ins Atelier. Ich geh schon gern dorthin, aber ich mag das Malen nicht. Ist ganz selten, dass ich das wirklich genieße. Das ist eher mühselig, wie für jemanden, der seine Ziegen den Berg hochtreiben muss und eben nicht der Wanderer ist, der sein Lied singt."

Der Kollege Neo Rauch, der sei da ganz anders. Der müsse mit schöner Regelmäßigkeit ins Atelier, zur Arbeit ans Werk. Richters Blick grinst ob so viel Pflichtgefühl aus seiner professoralen Brille. Klar, er muss da auch hin. Nur ist der Antrieb bei ihm ein ganz anderer, ein viel verspielterer. "Das Atelier ist für mich der Raum, in dem ich am liebsten bin. Malen ist die Entschuldigung, ins Atelier zu gehen. Da gibt&39;s keine Möbel, die dreckig werden. In der Wohnung kann ich nicht arbeiten. Im Atelier kann ich alles benutzen, Schallplatten werden zerkratzt - da ist mir das alles egal. Lesen, Musik hören, wieder lesen, darüber nachdenken, dann mäandere ich so rum, schau mir alte Filme an, schäme mich dann dafür ..."

Und irgendwann ist trotzdem oder deswegen eines dieser farbenprallen Bilder fertig, das ihm seine Galeristen am liebsten noch feucht von der Atelierwand pflücken würden. "Ja, aber es sind nicht mehr so viele. Das ist eigentlich ärgerlich, ich hätte auch lieber 15 Bilder als fünf."

Der Geist ist also willig, die Ablenkungen sind nur so wichtig, könnte man das Richtersche Grund-Dilemma zusammenfassen. Und was Farben an sich angeht, auch für dieses Thema hat Richter ein paar Ansagen parat. "Das mit der Lieblingsfarbe" - die es für ihn nicht gibt - "werde ich öfter gefragt, weil Menschen meine Bilder als sehr farbig und sehr farbverliebt wahrnehmen. Doch das stimmt überhaupt nicht. Es geht mir immer nur um den Nutzen billiger Effekte. Ist gar nicht so einfach." Noch ein Grinsen. Noch ein Espresso. Der Druck im Denken will gehalten werden.

So profan wie die Einstellung zum Entstehungsprozess an sich ist für Richter auch der Umgang mit dem Arbeitsmaterial. Die Farben sind wichtig, aber gewissermaßen von der Stange. Pinsel werden weggeworfen, wenn sie durch sind, das Rumgeputze nervt ihn viel zu sehr. Alles Verklärende dazu hält Richter für Kitsch. "Es ist immer das Denken, das sich das Material sucht. Aber letztendlich würde ich das, was ich tue, auch mit einem schlechten Bleistift und Kaugummi machen können", kommt Momente später hinterher, "es würde mich nur mehr Mühe kosten."

Musik und Malen? Gehört für ihn zusammen. Zumindest, bis es ernst wird an der Leinwand. "In Phasen, in denen man weiß, was man tut, ist Musik angenehm, wenn man denken muss, stört sie." Mühe und Malen? Zwei Seiten einer Medaille. Bei der Arbeit für Salzburg will ihm das K-Wort aber nur bedingt für das Ergebnis über die Lippen. Ob das schon Kunst sei, oder noch Gebrauchsgegenstand? "Ich finde, das ist ein Bühnenbild. Als Kunst würde ich&39;s ungern betrachten." Im Frühstadium der Proben ist ihm hier ein Bühnenteil formschön zusammengebrochen. Auch das nimmt Richter sportlich, fast schon dankbar. "Interessant daran war, dass es dadurch letztlich besser geworden ist, weil ich genauer über das Material nachdenken musste." Eine erstaunlich gelassene Haltung. Erst recht, wenn man bedenkt, dass er abgesehen von einer Arbeit 1999 in Hamburg für seine Frau, die Regisseurin Angela Richter, noch keine Erfahrung als Bühnenbildner hat. Das Resultat für die brutal große Bühne des Großen Festspielhauses ist jedenfalls schlicht umwerfend. Schlüssig, aggressiv, verrätselt und vor allem so typisch Richter, dass Galeristen es bestimmt gern in handlichen Portionen auf den Markt werfen würden.

Kunst als Eigentum ist Richter aus seiner Hersteller-Perspektive ein wenig suspekt. Da er ja nur so wenig fertig malt, hat er nur eine Handvoll eigene und auch sonst nur wenige Bilder. Einen Vallotton besitzt er, einige Arbeiten von Comic-Zeichnern und Kinderbuch-Illustratoren. "Mit Jonathan Meese und einigen anderen tausche ich. Aber je mehr die Kollegen so faul sind wie man selbst, desto schwerer wird das. Ganz ehrlich - von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen - mag ich Kunst in Museen."

Wichtiges Thema, also lange Antwort: "Ich finde, Kunst gehört in Museen. Die sind Refugien der Kontemplation, die man unbedingt verteidigen muss. Wenn Ausstellungen erfolgreich sind, heißt das ja, dass immer Leute dort sind und die Bilder nicht mehr zu sehen sind. Kunst hat aber mit der Betrachtung des Gegenübers in Ruhe zu tun. In dem Moment, in dem da 30 andere mit stehen und schnattern, ist dieser Moment der Sorgfalt nicht mehr gewährleistet. Ich war damals mit ein paar Malerkollegen in der MoMA-Ausstellung", erinnert Richter sich bei Marillenknödeln und einem weiteren Koffein-Nachschlag in Rage, "und das war das Erniedrigendste, was man der Malerei antun kann. Zusammen mit einem Haufen Leuten, für die das ein Event ist. Grauenhaft. Du kannst die Bilder nicht mehr sehen, du siehst nur noch das Poster."

Womit wir wieder beim Kunstmarkt und seinen Gesetzen wären, beim Produktionsdruck auf die Nervenenden. "Ich hab&39; immer Probleme damit", gesteht Richter. "Wenn ich weiß, dass ich eine Ausstellung habe, dann arbeite ich. Vorher sind die Bilder im Kopf, es ist mir aber einfach zu anstrengend, etwas zu machen. Jetzt höre ich schon von anderen, dass ich im nächsten Mai wieder eine Ausstellung habe", feixt er. "Ich will aber gar nicht! Ich will meine Ruhe haben und Dinge tun, die mich interessieren. Die Ausstellung in Hamburg, das reicht doch für fünf Jahre, oder nicht? Das flackert ja noch nach auf der Netzhaut. Das hier in Salzburg hindert mich beim Malen. Aber die anderen im Team zu beobachten, das ist gerade jetzt für mich viel interessanter. Malen kann ich ja schon."


Internet-Tipp : Bis zu seiner nächsten großen Ausstellung kann man auf www.danielrichter.com bei einem virtuellen Boxkampf zwischen Richter und dem Maler-Kollegen Jonathan Meese die Zeit totschlagen.