Hamburg. Roisin Murphy knüpft dank DJ Koze an die Zeiten von „The Time Is Now“ an. Und Mitski ist amerikanisch wie nie. Top, beides.
Es waren die 1990er-Jahre, in denen Fischmob „Susanne zur Freiheit“ sangen. Herrliche Zeiten, Hamburger HipHop-Zeiten! Was haben wir das alles geliebt. Wir waren jung, die Sonne ging hinter dem Stadion unter, an der Weser lag man im Gras. Eigentlich war Fischmob da schon vorbei, oder? Ein paar Jahre später jedenfalls hörten alle wie besessen Moloko, zumindest will man das im Nachhinein genau so erinnern. „The Time Is Now“ ist die ultimative Discohymne der Jahrtausendwende. Der fetteste Knaller, der je mit einer Akustikgitarre und Streichern über dem Dancefloor pulsierte.
Himmel, ist das ein Song, immer noch. 2018 ist die Magie von Fischmob und Moloko dann verschmolzen, unglaublich, unwahrscheinlich, vom Anfang her gedacht, aber wahr. Weiß ja längst jeder, dass zum einstigen Fischmob der glorreiche DJ und Produzent Stefan Kozalla alias DJ Koze gehörte. Sein in nämlichem Jahr erschienenes, viel gepriesenes Meisterwerk der elektronischen Musik heißt „Knock Knock“, und unter anderem die Moloko-Sängerin Roisin Murphy singt da auf zwei Stücken mit. Es sind die besten auf dem Album.
Neues Album: Roisin Murphy und DJ Koze: Schon 2018 arbeiteten sie zusammen
Und weil das so gut klappte, hat die Londonerin Murphy, die mittlerweile auf Ibiza lebt, DJ Koze nun ihr gesamtes neues Solo-Album produzieren lassen. Und das hört man diesem Werk, das famoserweise den Titel „Hit Parade“ (Ninja Tune) trägt, natürlich an. In Hamburg hat der Soundzauberer Koze, der schon länger auch viel in Spanien lebt, gelernt, wie man die Geräusche schön und tanzbar und soulful zusammenmischt. Für die Seele ist übrigens auch Murphy zuständig, deren Gesang betörend wie eh und je ist, besonders bei „Fader“, dessen Video in ihrem irischem Geburtsort gedreht wurde.
Sechs Jahre haben die beiden Musiker an „Hit Parade“ gearbeitet, es hat sich gelohnt. Jeder Beat sitzt, jeder Akkord – das Album vermischt die Einflüsse zum perfekten, zeitgenössischen Pop.
Nur zum Ende hin hätten Murphy und Kozalla mit der Veröffentlichung ein bisschen auf die Tube drücken können. Es ist doch eine wunderbare Sommerplatte, insgesamt; die im Winter aber nichts von ihrer Power verlieren wird. Bestes Tanzalbum des Jahres, gemeinsam mit Jessie Wares „That! Feels! Good!“.
US-Japanerin Mitski ist längst ein Star des Indiepop
Es soll hierzulande Menschen geben, die von der US-Japanerin Mitski noch nie etwas gehört haben. Nun, die haben etwas verpasst. In Amerika ist die bald 33-jährige Tochter eines amerikanischen Vaters und einer japanischen Mutter längst ein großer Indiepop-Star, dessen 2018 erschienenes Album „Be the Cowboy“ bei Publikum und Kritikern gleichermaßen Anklang fand. Einen Mitski-Song erkennt man sofort, wegen seiner tief empfundenen Lyrics, die poetisch vom Ich und der Welt handeln. Es sind oft Metaphern, die einem bei Mitski begegnen und zu denen man als Hörer sofort einen Zugang findet, sie singt sie mit manchmal engelsgleicher Stimme.
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Mitskis neues Album „The Land Is Inhospitable and So Are We“ (Dead Oceans) ist ein Feuerwerk aus Americana und Songwriter-Pop. Weil die Pedal-Steel-Gitarre immer auch nerven kann bei falscher Dosierung, tut Mitski genau das, sie setzt sie („Heaven“!) nicht übertrieben ein.
Vom 80s-Synthies-Sound, der zuletzt vorherrschte, ist auch noch manches übrig geblieben; aber es ist ein chorales Hammer-Stück wie „Bug Like An Angel“, das einen am Ende mehr überwältigt als alles andere.
Ennio-Morricone-Bombast wollen manche hier manchmal hören. Gut, vielleicht bisschen übertrieben. Aber an klangliche Grenzen geht die Musikerin doch hie und da. Zum Beispiel, weil sie so viele Ideen in wieder einmal gerade eine halbe Stunde packt und ganz viel Gefühl dazu: „You know I’d always been alone/‘Til you taught me/To live for somebody“.