Hamburg. US-Star Anastacia über ihr Album „Our Songs“ mit deutschen Hits auf Englisch und ihre Begeisterung für die Hamburg-Ikone Lindenberg.
„Cello“, „Symphony“, „Still Loving You“, „Forever Young“, „Supergirl“: Die Titelliste auf dem neuen Album „Our Songs“ von Anastacia kommt einem irgendwie bekannt vor. Und tatsächlich interpretiert die New Yorkerin sechs Jahre nach ihrem letzten Studioalbum „Evolution“ jetzt ausgerechnet Rock- und Pophits aus Deutschland, von den Scorpions und den Toten Hosen über Silbermond und Tokio Hotel bis zu den Hamburger Lieblingen Udo Lindenberg und Johannes Oerding.
Beim Interview in einem Hamburger Hotel erzählt sie bestens gelaunt und geradezu aufgeregt, wie es zu der Idee kam, welche Songs sie besonders berührten – und warum sie mit Helene Fischer nichts anfangen kann.
Anastacia bringt neues Album raus – und interpretiert Udo Lindenberg und Co. neu
Hamburger Abendblatt: Eine Amerikanerin singt deutsche Pop-Hits, das ist trotz Ihrer Popularität in Deutschland gelinde gesagt eine Überraschung.
Anastacia: Oh, für mich auch. Die Idee hatte der Produzent Christian Geller, der unbedingt ein Coveralbum mit mir machen wollte. „Ich habe doch schon ein Coveralbum gemacht mit ,It‘s A Man‘s World‘“, winkte ich ab. Aber er sagte: „Nein, ein deutsches Coveralbum.“ Irgendwie denkt jeder, dass ich gut Deutsch kann, weil ich so oft in Deutschland bin. Stimmt leider nicht. Aber dann fingen wir an zu überlegen, Songs aus Deutschland auf Englisch zu singen, wobei wir zu Beginn mit „Forever Young“ und „Still Loving You“ erst mal den einfachsten Weg gewählt haben – aber irgendwie hat Campino davon Wind bekommen und uns „Tage wie diese“ geschickt, auf Deutsch und auf Englisch. Das war die Initialzündung, das Wagnis tatsächlich einzugehen.
Deutschland ist ein absolutes Pop-Import-Land, Erfolge von deutschen Künstlerinnen und Künstlern im Ausland kann man an einer Hand abzählen, von Kraftwerk bis Tokio Hotel.
Anastacia: Absolut. Deshalb heißt das Album auch „Our Songs“, weil sie überall ihre Botschaft verbreiten können. Es war mir sehr wichtig beim Übersetzen, dass der Spirit der Songs erhalten bleibt. Es ist auch ein nicht alltägliches Projekt, ich bin da fast schon eine Pionierin – und werde dafür gern die Schläge kassieren (lacht).
Anastacia: „Ich habe mich auf meinen musikalischen Instinkt verlassen“
Waren Sie erstaunt bei der Liedauswahl, wie divers die deutsche Popszene ist? Punk, Hardrock, Synthie-Pop, Goth-Pop, Krautrock, Electro, Schlager ...
Anastacia: Ich liebe es, denn es kommt mir sehr entgegen, ich habe mich nie auf ein Genre beschränkt. Und ich habe mich ungeahnten Herausforderungen stellen müssen, wann singe ich denn schon mal in Höhen wie in Silbermonds „Symphonie“ oder in Tiefen wie in Unheiligs „Geboren um zu leben“?
Haben Sie sich auch mit den Künstlerinnen und Künstlern, ihrer Geschichte, Werk und Wirken auseinandergesetzt?
Anastacia: Kaum. Ich habe mich komplett auf meinen musikalischen Instinkt verlassen und mich ansonsten nur kurz umgehört, ob die Menschen hinter den Liedern auch okay sind. Nicht, dass ich Lieder von jemandem singe, der jeden zweiten Tag im Gefängnis landet.
Anastacia: „Ich wünschte, ich könnte Texte wie Udo Lindenberg schreiben“
Dabei sind die Geschichten nicht uninteressant. Von Tokio Hotel, die als Teenager durch die Decke gingen, aber immer als Industrieware abgetan wurden, bis zu Udo Lindenberg, mit dem eigentlich – was deutschen Rock und Pop betrifft – alles begann. Eine Ikone, die Stadien füllt.
Anastacia: Zu Recht. Aber mir war es nicht wichtig, dass Udo Lindenberg Stadien füllt. Sondern, wie er singt, wie er sich anfühlt. Ich liebe „Cello“, es ist der Song, der sich am meisten von den anderen auf dem Album unterscheidet. Ich wünschte, ich könnte Texte wie Udo Lindenberg schreiben. Jemand, der sich in ein Mädchen verliebt, das Cello spielt, so poetisch. Wie ein deutscher Bob Dylan.
Haben Sie zumindest kurz daran gedacht, „Atemlos durch die Nacht“ von Helene Fischer zu singen?
Anastacia: Nein. Ich habe viel von ihr gehört, aber absolut keine Berührungspunkte mit ihren Liedern. Ich habe nichts gegen Schlager und Dance-Pop, aber ich brauche vom Inhalt bis zu Akkordfolgen einfach mehr ... Rock.
Danke, dass Sie von den Scorpions „Still Loving You“ gewählt haben und nicht „Wind Of Change“.
Anastacia: Haha, gern! Allerdings habe ich mir bei „Still Loving You“ gedacht: Meine Güte, wie lang ist der Song und wie haben die den damals ins Radio bekommen?
Anastacia: Viele werden die Lieder für Originale der US-Amerikanerin halten
„Now Or Never“, Ihre Interpretation von Johannes Oerdings „An guten Tagen“, ist bereits auf YouTube veröffentlicht, aber man muss in den Kommentaren sehr weit scrollen, bis sein Name fällt. Die meisten halten „Now Or Never“ für einen Anastacia-Song.
Anastacia: Ja, ich befürchte, dass viele denken, dass das ganze Album eine originale Anastacia-Platte ist. Deshalb heißt es auch „Our Songs“, denn es sind nicht meine Songs, und ich möchte wirklich eine Hommage einem Land widmen, was vom Rest der Welt nicht gerade als Pop-Nation wahrgenommen wird – und dass die Menschen dadurch neugierig werden und sich auch die Originalversionen anhören. In Zeiten von Streaming setzen sich aber viele kaum noch mit Liedern auseinander, sondern hören sie einfach so weg. Bis auf die deutschen Fans, die freuen sich über das Liederraten und welche ursprünglich deutschen Songs hinter den englischen Titel stecken.
Bei „Forever Young“ ist das einfach. Aber „Born To Live“, sprich „Geboren um zu leben“ wurde schon sehr durch den Popwolf gedreht.
Anastacia: Durch den Pop-Schredder (lacht). Ich musste den schon sehr auf meine Stimme anpassen, damit es funktioniert, anders hätte ich das Lied verloren, und das wollte ich auf keinen Fall.
Anastacia zu neuem Album: Duette mit deutschen Künstlern wären ihr eine Ehre
Auf dem Album gibt es auch das Duett „Just You“ („So bist du“) mit Peter Maffay, den Sie nächstes Jahr auf Abschiedstour begleiten. Könnten Sie sich weitere Duette vorstellen, mit Campino zum Beispiel?
Anastacia: Oh, ja, definitiv. Also hier klar und deutlich an alle auf diesem Album: Ich würde mich sehr freuen, mit euch zusammen eure Songs zu singen, egal wo, auf der Bühne, im Kleiderschrank, überall.
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Johannes Oerding ist schon fast berüchtigt dafür, bei Konzerten von Kollegen auf der Bühne aufzutauchen. Wann sind Sie das nächste Mal in Hamburg?
Anastacia: Am 8. und 9. Dezember bei der „Night of the Proms“ in der Barclays Arena.
Ihr Konzert im Oktober 2022 wurde aus gesundheitlichen Gründen abgesagt. Sie sind aber wieder fit?
Ja, ich hatte damals Corona, auf meiner „I‘m outta Lockdown“-Tour (lacht). Ich war sozusagen sehr spät auf der Party.
„Night of the Proms“ Fr 8.12., Sa 9.12., 20.00, Barclays Arena (S Stellingen + Bus 380), Sylvesterallee 10, Karten ab 60,- im Vorverkauf; www.notp.com