Hamburg. Silbermond bespielen die Grenze zwischen Indierock und Schlager – vorhersehbar. Und dann packt einen die Begeisterung doch wieder.
- Im Stadtpark trat die Band Silbermond am Freitag beim ersten von zwei bereits ausverkauften Konzerten auf
- Bekannte Hits, Crowdsurfing von Frontfrau Stefanie Kloß: Fans kamen voll auf ihre Kosten
Cool werden Silbermond in diesem Leben nicht mehr. Allerdings will das vor einem Vierteljahrhundert als Schülerband im sächsischen Bautzen gegründete Quartett das wohl auch gar nicht. Sondern: ein Publikum glücklich machen, das gemeinsam mit der Band gealtert ist, ein Publikum, das früher bauchfreie Tops trug und heute Funktionsjacken, und das ganz zufrieden mit dieser Entwicklung ist. Wie am Freitag, beim ersten von zwei ausverkauften Konzerten im Stadtpark.
Silbermond startet mit aktuellem Titel statt bekanntem Hit
Wobei die Band um Sängerin Stefanie Kloß das Publikum durchaus fordert: Als Einstieg spielt sie nicht etwa einen Hit, sondern „Auf Auf“, den Titelsong der neuen Platte, die erst in einigen Tagen erscheint. Das Stadtpark-Rund nimmt ihn aber begeistert auf, klar, er bewegt sich zuverlässig an der Grenze zwischen Indierock und Schlager, wie man es von Silbermond gewohnt ist.
Ein Soundbereich, in dem die Band zuverlässig abliefert, vor allem aber eine Nische, die live origineller klingt als erwartet. Weil sich von hier aus harsch losrocken lässt, um bald darauf in die wärmende Gefühligkeit der Balladen zurückzukehren.
Silbermond-Sängerin Stefanie Kloß crowdsurft über die Menge
Bei „Verschwende deine Zeit“ traut sich Kloß, über die wogende Menge crowdzusurfen, zu einer kleinen Bühne an der Stirnseite des Festivalgeländes. Von der aus dann ein Fünf-Song-Set gespielt wird, sparsamer arrangiert als im immer sehr satten Sound auf der Hauptbühne, konzentriert auf langsame Stücke wie „Das Beste“ und „Krieger des Lichts“.
Die dann vielleicht auch ein wenig die Grenzen des Silbermond-Konzepts beschreiben: Mal eine gefühlvolle Ballade ist als Abwechslung im Rockwummern ganz schön, wenn aber Ballade auf Ballade folgt, dann ist man schnell überzuckert.
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Zumal die Inhalte, freundlich ausgedrückt, vorhersehbar erscheinen: Lob der Zweisamkeit, Angst vor Neuem. „Ich glaub nicht mehr, dass du ein Engel bist/Baby, du veränderst dich“, wirft Kloß dem Liebhaber im Trennungsrocker „Engel“ vor – Veränderung als positives Konzept ist hier undenkbar. „Gib mir ein kleines bisschen Sicherheit/In einer Welt, in der nichts sicher scheint!“ heißt es in „Irgendwas bleibt“. Na gut.
Silbermond: Stefanie Kloß widmet Tina Turner einen Song
Und dann packt einen die Begeisterung doch wieder, die diese Band auf der Bühne lebt. In der Rockkonvention, in den kurzen Ausflügen in benachbarte Genres wie Yachtrock und Hardrock, auch in der charmanten Unsicherheit, mit der Kloß „Hey Ma“ erst der eigenen Mutter widmet, dann der Mutter ihres Stiefvaters, schließlich der kürzlich verstorbenen Tina Turner. Hier merkt man: Die Sängerin ist von der Emotionalität des Songs selbst angefasst, das Sentiment, das hier transportiert wird, ist echt.
Später grüßt sie Dana im Publikum, eine Schaffnerin, die sie vor zwei Jahren kennenlernte, als Dana Maskenverweigerern Kontra gab. Alles schön, alles gut, alles sympathisch. „Ihr seid nicht bei Metallica“, freut sich Kloß, „ihr seid bei Silbermond!“ Wirklich cool wird diese Band nicht mehr, diese Band weiß: Die echten Weltstars spielen gerade im Volksparkstadion, Bautzen spielt im Stadtpark. Aber: Zwei Abende in Folge ausverkauft, das ist schon was. Und ein sichtbar glückliches Publikum hat auch seinen Wert.