Hamburg. HVV hat erstmals eine Million Abonnenten, viele steigen vom Pkw auf Busse und Bahnen um. Jetzt kommt ein weiteres Angebot dazu.
Das 49-Euro-Ticket sorgt weiter für Rekorde im HVV und tiefgreifende Veränderungen im Mobilitätsverhalten der Menschen in Hamburg und dem Umland. Wie die Verkehrsbehörde und der Verkehrsverbund am Mittwoch mitteilten, habe der HVV erstmals die „Schallmauer“ von einer Million Abonnentinnen und Abonnenten übertroffen. Gleichzeitig nutzen mehr Menschen Busse und Bahnen als je zuvor, und viele lassen dafür auch ihr Auto stehen.
Mit mehr als einer Million Abonnenten habe man nicht nur den Wert des Vorjahres (673.000 Abos) um fast 50 Prozent übertroffen, sondern auch den bisherigen Rekord aus dem Vor-Corona-Jahr 2019, als der HVV 786.000 Abonnenten hatte. Möglich wurde das, weil nicht nur fast alle bestehenden Zeitkarteninhaber diese in ein bundesweit im Nah- und Regionalverkehr gültiges Ticket (daher der offizielle Name „Deutschlandticket“) zum Preis von 49 Euro im Monat umgewandelt haben, sondern seit dem Start des Angebots im April rund 300.000 neue Abonnenten hinzukamen.
HVV: So wird das 49-Euro-Ticket noch günstiger
Ein „wesentlicher Motor“ sei dabei das Jobticket, so der HVV: Mittlerweile würden allein 267.000 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in 4800 Unternehmen die Möglichkeit nutzen, das Deutschlandticket dank eines Zuschusses des Arbeitgebers sowie eines kleinen Großkundenrabattes noch günstiger zu nutzen. Allein seit Mai seien in diesem Bereich 58.000 Neukunden hinzugekommen.
Um das weiter zu forcieren, wird vom 1. Oktober an zusätzlich das „Jobticket Premium“ angeboten: Wenn Unternehmen ihren Mitarbeitenden einen Zuschuss von mindestens 21,55 Euro zahlen, erhalten die Arbeitnehmer ihr HVV-Abo für maximal 25 Euro im Monat. Bislang beträgt der Zuschuss 12,25 Euro und der Monatspreis 34,30 Euro. Zusätzlich können Premium-Ticket-Inhaber an Wochenenden im HVV Gesamtnetz eine weitere Person und bis zu drei Kinder kostenlos mitnehmen. Dieses Angebot war eigentlich schon zum Start im Frühjahr angekündigt worden, wird aber erst jetzt umgesetzt.
Fahrgastzahlen liegen auf Rekordniveau – trotz Homeoffice
Die enormen Verkaufszahlen wirken sich auch auf die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus: So registrierte der HVV im Juli 108 Prozent der Fahrgäste des bisherigen Rekordjahres 2019 – dieses wird in der Regel als Referenz herangezogen, weil die dazwischen liegenden Corona-Jahre nicht vergleichbar sind. Zwei Punkte machen diesen neuen Höchststand noch bemerkenswerter: Im April lag die Auslastung erst bei 86 Prozent des Vor-Corona-Niveaus. „Durch das Deutschlandticket hat es dann Boom gemacht“, sagte Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne). Und dieser Anstieg von 86 auf 108 Prozent binnen weniger Monate gelang, obwohl infolge der Pandemie nach wie vor viele Menschen regelmäßig im Homeoffice arbeiten.
Diese Zuwächse sind allerdings nicht bei allen Mitgliedsunternehmen des HVV gleichermaßen ausgeprägt. So verzeichnete die Hochbahn in ihren U-Bahnen 109 Prozent der Fahrgäste von 2019 und in ihren Bussen 111 Prozent, während der Busbetreiber VHH sogar 116 Prozent vermeldete. Die Regionalbahnen der AKN (104 Prozent), die Fähren der Hadag (102) und die S-Bahnen (101) registrierten dagegen nur leichte Zuwächse, während die Regionalzüge der Deutschen Bahn erst wieder bei 97 Prozent des Vor-Corona-Niveaus lagen – also noch im Minus.
Deutschlandticket spart 1,5 Millionen Pkw-Fahrten pro Monat im Norden ein
Auch der erhoffte Schub für die Mobilitätswende durch das günstige Ticket scheint sich dauerhaft einzustellen: Wie regelmäßige und repräsentative Kundenbefragungen des HVV in den Monaten Mai bis August ergaben, hätten die 300.000 Neukunden 19 Prozent ihrer Fahrten mit dem ÖPNV sonst mit dem Pkw unternommen. Das entspreche 1,5 Millionen eingesparter Pkw-Fahrten pro Monat, so der HVV.
Über alle Abo-Kunden betrachtet, wurden 6,4 Prozent der Fahrten früher mit dem Auto zurückgelegt (Bundesschnitt: 5,0 Prozent), wobei es allerdings gravierende Unterschiede zwischen Stadt und Land gibt: Während die Hamburger HVV-Abonnenten nur 5,3 Prozent ihrer Fahrten sonst mit dem Pkw unternommen hätten, waren es bei den Kunden aus dem Umland 9,6 Prozent.
Finanzierung des 49-Euro-Tickets noch nicht dauerhaft gesichert
„Wir haben die Schallmauer durchbrochen“, sagte HVV-Geschäftsführerin Anna-Theresa Korbutt. „Eine Million HVV-Abos bedeuten einen riesengroßen Erfolg.“ Es habe sich gezeigt, dass die Kombination aus einem einfachen Ticket mit einem ebenso einfachen Vertrieb über die HVV Switch App funktioniere. Jetzt müsse die Finanzierung des Tickets dauerhaft sichergestellt werden.
Wie berichtet, ist bis 2025 vereinbart, dass Bund und Länder pro Jahr je 1,5 Milliarden Euro aufbringen, um die Einnahmeausfälle der Verkehrsunternehmen auszugleichen. Doch wie es danach weitergeht oder was passiert, wenn die drei Milliarden pro Jahr nicht ausreichen sollten, ist noch offen. Finanzsenator Andreas Dressel hatte kürzlich im Abendblatt gesagt, für ihn sei „völlig klar“, dass das Deutschlandticket „in zehn Jahren nicht mehr 49 Euro kosten wird“. Angesichts der allgemeinen Kostenentwicklung werde „sicher in ein paar Jahren eine 5 vorne im Preis stehen“.
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Verkehrssenator Anjes Tjarks sagte, für 2023 würden die Einnahmeverluste der Verkehrsbetriebe wohl bei rund 150 bis 170 Millionen Euro liegen. Wenn der Bund die Hälfte davon übernehme, komme man wohl hin. Offen sei aber, ob das 2024 und in den Folgejahren auch so aufgehe. Er warb daher dafür, dass Bund und Länder sich langfristig verständigen, die Verluste je zur Hälfte zu tragen.
HVV: Tjarks sieht 49-Euro-Ticket als Erfolgsgeschichte und will Angebot weiter ausbauen
„Das Deutschlandticket hat den Nerv der Zeit getroffen und ist eine wirkliche Erfolgsgeschichte“, meinte Tjarks. Dass trotz Homeoffice fast zehn Prozent mehr Menschen mit dem ÖPNV fahren als vor Corona, während der Kfz-Verkehr aktuell rund zehn Prozent unter den Werten von 2019 liege, zeige: „Das Deutschlandticket bringt einen enormen Schub für die Mobilitätswende, weniger CO2-Emissionen im Verkehr und mehr Klimaschutz in Hamburg.“ Zugleich sei es mit Preisen auf dem Niveau von 1993 „auch ein sehr wichtiges soziales Projekt“, so Tjarks.
Die steigenden Fahrgastzahlen würden aus einer Sicht bundesweit den Druck erhöhen, die Kapazitäten des ÖPNV auszubauen, so der Verkehrssenator. Hamburg plane aber ohnehin weitere „Angebotsoffensiven“ und müsse seine Pläne daher nicht ändern. Als nächster Schritt werde zum Jahresende ein neuer Linien-Fahrplan für die S-Bahn eingeführt, mit dem auch die Kapazitäten punktuell erhöht würden, etwa auf dem meistbefahrenen Ast der S3 zwischen Hauptbahnhof und Harburg.