Hamburg. Der HVV hat schon mehr als 190.000 Abonnenten hinzugewonnen. Doch selbst die Schaffner kennen nicht alle Regeln, wie ein Senior erlebte.

  • Am 01. Mai ist das 49-Euro-Ticket bundesweit gestartet
  • Das auch Deutschlandticket genannte Angebot führte beim HVV zu einem Abo-Rekord
  • Aber auch ein Problem wurde offenbar: Die automatische Umstellung anderer Abos lief nicht immer sauer

Vor knapp einem Monat hat die neue Zeitrechnung im öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) begonnen: Seit dem 1. Mai ist das 49-Euro-Ticket auf dem Markt, mit dem man nicht nur die örtlichen Busse, Bahnen und Fähren nutzen kann (im Großraum Hamburg also den HVV), sondern bundesweit alle Nah- und Regionalverkehrsangebote – daher auch der Name „Deutschlandticket“. Zeit für eine erste Bilanz.

Die Verkaufszahlen: Nach Angaben des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) gibt es in dessen Geltungsbereich mittlerweile 703.000 Deutschlandtickets. Gut 500.000 davon sind bestehende Abos, die früher zum Teil deutlich mehr als 49 Euro im Monat gekostet haben und automatisch in ein Deutschlandticket umgewandelt wurden. In der Spitze kann man so bis zu 165 Euro im Monat sparen.

49-Euro-Ticket: HVV meldet mehr Fahrgäste und einen Rekord bei den Abos

Hinzu kommen 193.000 Neukunden, also Menschen, die bislang kein HVV-Abo hatten. Das gilt als großer Erfolg. Einen wesentlichen Anteil machen nach HVV-Angaben dabei die noch einmal günstigeren Jobtickets aus, deren Zahl allein um 42.000 gewachsen ist. Insgesamt hätten jetzt in Hamburg und Umgebung 252.000 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in 4000 Unternehmen ein deutschlandweit gültiges HVV-Jobticket, das durch einen kleinen Rabatt sowie einen unterschiedlich hohen Arbeitgeberzuschuss nur 35 oder sogar 25 Euro im Monat kostet.

S-Bahn-Station Ottensen eröffnet- „Auftakt für etwas Großes“

Insgesamt hat der Hamburger Verkehrsverbund damit 907.000 Abonnenten – ein absoluter Rekordwert. Die bisherige Bestmarke stammt aus dem letzten Vor-Corona-Jahr 2019, als der HVV 786.000 Abonnenten hatte – 121.000 weniger als derzeit. In dieser Gesamtzahl enthalten sind außer den Deutschlandtickets auch andere Zeitkarten, insbesondere Semestertickets von Studenten.

61 Prozent der Neukunden kaufen ihr Deutschlandticket digital in der App

61 Prozent der Neukunden kaufen ihr Deutschlandticket digital, so der HVV – und hier wiederum ganz überwiegend per HVV-Switch-App. Wer sein Ticket in einer Servicestelle erwirbt, was auch weiterhin möglich ist, erhalte dann eine Chipkarte – also auch eine Art digitales Produkt.

Knapp zwei Drittel der neuen HVV-Abonnenten kaufen ihr Deutschlandticket über die HVV-Switch-App auf dem Smartphone.
Knapp zwei Drittel der neuen HVV-Abonnenten kaufen ihr Deutschlandticket über die HVV-Switch-App auf dem Smartphone. © dpa | Marcus Brandt

Wie sich die höhere Kundenzahl auf die Auslastung der Busse und Bahnen auswirkt, lässt sich noch nicht exakt sagen. „Natürlich resultieren aus dieser Entwicklung grundsätzlich auch steigende Fahrgastzahlen“, teilte ein HVV-Sprecher mit. Valide Zahlen für den Mai lägen aber noch nicht vor.

Mehr Nachfrage trifft auch auf mehr Angebot bei Bussen und Bahnen

Klar ist: Einen vergleichbaren Ansturm, wie zu Zeiten des 9-Euro-Tickets, das im vergangenen Sommer binnen drei Monaten 52 Millionen Mal verkauft wurde, gibt es bislang nicht. Damals waren unter anderem ganze Gruppen von Punks nach Sylt gereist und hatten mit ihrem Verhalten auf der Insel bundesweit für Aufsehen gesorgt.

Hinzu kommt: „Der HVV hat seine Kapazitäten in den vergangenen Jahren mit drei Angebotsoffensiven deutlich ausgeweitet und wird dies auch zukünftig tun“, so der Verbund. Mit anderen Worten: Die größere Nachfrage trifft zumindest im Großraum Hamburg auch auf ein wachsendes Angebot. So waren einige Linien wie die extrem stark frequentierte S3 zwischen dem Hamburger Süden und dem Hauptbahnhof verstärkt worden, und es kamen neue Verkehrsmittel wie die Demand-Angebote Moia oder HVV Hop hinzu.

Trend zum Homeoffice gleicht die gestiegene Nachfrage teilweise aus

Gleichzeitig seien durch vermehrtes Homeoffice „grundsätzlich weniger Menschen in Bussen und Bahnen unterwegs“, so der HVV – hier gleichen sich also zwei Effekte gegenseitig aus. Fazit des Verkehrsverbundes: „Es bestehen derzeit also insgesamt noch ausreichende Kapazitäten für den aus dem Deutschlandticket resultierenden Fahrgastzuwachs.“

Die Hamburger Hochbahn, die innerhalb des HVV die U-Bahnen und weite Teile des Busnetzes betreibt, hat zwar auch noch keine Bilanz für den ersten Monat vorliegen, aber immerhin die Daten für die erste Mai-Woche ausgewertet. Und da liege man schon wieder auf dem Niveau von vor der Pandemie.

Hamburger Hochbahn sieht „sehr wichtige und sehr positive Entwicklung“

„Das ist eine überaus positive Entwicklung, wenn man bedenkt, dass zwischenzeitlich diskutiert wurde, ob der ÖPNV überhaupt wieder an seine früheren Fahrgastzahlen herankommen kann“, so ein Hochbahn-Sprecher. Damit habe sich der Trend, der im vergangenen Sommer in Zusammenhang mit dem 9-Euro-Ticket beobachtet wurde, nun auch beim Deutschlandticket bestätigt. „Hier deutet sich eine für uns sehr wichtige und sehr positive Entwicklung an.“

Eine U-Bahn fährt in den Bahnhof Landungsbrücken am Hamburger Hafen. Die Hochbahn als Betreiberin der U-Bahnen berichtet von „mehr Fahrgästen im System“, kann das aber noch nicht für einzelne Linien beziffern.
Eine U-Bahn fährt in den Bahnhof Landungsbrücken am Hamburger Hafen. Die Hochbahn als Betreiberin der U-Bahnen berichtet von „mehr Fahrgästen im System“, kann das aber noch nicht für einzelne Linien beziffern. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Inwiefern es auf bestimmten U-Bahn- oder Bus-Linien einen besonders spürbaren Effekt durch das neue Angebot gibt, kann die Hochbahn noch nicht sagen. Dafür sei der Anstieg um einige Prozentpunkte zu gering, zudem verweist auch das städtische Unternehmen auf die Angebotsoffensiven, die den Effekt abmildern oder sogar ausgleichen. Generell werde aus den unterschiedlichen Betriebsbereichen über „mehr Fahrgäste im System“ berichtet.

Senior verdutzt über Schaffner-Aussage: „Ihre Abo-Karte gilt hier nicht“

Bei der Deutschen Bahn, die in Hamburg auch das S-Bahn-Netz betreibt, heißt es: „Für eine valide Bilanz zu den Fahrgastzahlen ist es noch etwas zu früh, zumal wir im Mai einige Baustellen hatten.“ Wie oft der Konzern das Deutschlandticket im Norden verkauft hat, könne man nicht sagen – die Verkaufszahlen würden nicht regional aufgeschlüsselt.

Dafür tauchen vereinzelt immer wieder Fragen und Probleme rund um das neue Ticket auf. So berichtet ein Abendblatt-Leser, wie er mit seinem früheren Senioren-Abo (damals für 54 Euro) unterwegs war und sich darauf verlassen hatte, dass gemäß der Ansage des HVV alle Zeitkarten, die früher mehr als 49 Euro im Monat gekostet haben, automatisch auf das Deutschlandticket umgestellt würden.

HVV: Alle Abos, die mehr als 49 Euro gekostet haben, wurden umgestellt

In einer Regionalbahn von Buchholz nach Hamburg habe ihn jedoch ein Schaffner ermahnt: „Ihre Abo-Karte gilt hier nicht, Sie müssen sie freischalten.“ Daraufhin sei er in eine HVV-Servicestelle gegangen und habe dort ein Formular erhalten, das bestätigt, dass sein früheres Senioren-Abo nun ein Deutschlandticket sei. „Für mich ist das eine Falle“, sagte der Senior, der sich vom HVV falsch informiert fühlte.

Wie eine Abendblatt-Anfrage bei dem Verkehrsverbund ergab, lag der Fehler aber beim Schaffner. „Auch uns sind Einzelfälle bekannt, in denen Prüfdienstmitarbeiter aufgrund der Vielzahl an Neuerungen in Zusammenhang mit der Einführung des Deutschlandtickets leider fehlerhafte Informationen an Kunden und Kundinnen weitergegeben haben“, teilte der HVV mit und betonte. „Selbstverständlich gilt nach wie vor: Alle HVV-Abonnements über 49 Euro sind seit dem 1. Mai automatisch umgestellt.“