Hamburg. Hamburgs Verkehrsamtsleiter Martin Huber trieb viele Großprojekte voran. Was für ihn das Verkehrsmittel der Zukunft ist, überrascht.
Sein erster Auftrag lautete, den Elbtunnel zu retten. Als Martin Huber 1993 aus dem Bezirksamt Altona in die Baubehörde von Eugen Wagner (SPD) gerufen wurde, häuften sich gerade die Klagen gegen den Bau der vierten Röhre, und das Oberverwaltungsgericht stufte diese als aussichtsreich ein. Der junge Jurist sollte sie abwehren, und das gelang ihm. 1995 war Baubeginn, und 2002 wurde der mehr als drei Kilometer lange Tunnel eröffnet.
30 Jahre später geht Huber (65) nun nach zwölf Jahren an der Spitze des Amts für Verkehr in den Ruhestand – in dieser Zeit hat er den Verkehr in Hamburg geprägt wie kaum ein zweiter Mitarbeiter der Stadt. Der Kampf für oder gegen große Infrastrukturprojekte habe sein Berufsleben geprägt, erzählt Huber – mitunter sogar aus wechselnden Perspektiven.
Verkehr Hamburg: Martin Huber prägte große Projekte – und sie ihn
So habe er lange den Auftrag gehabt, die Forderungen der Bürgerinitiative „Ohne Dach ist Krach“ abzuwehren, die die verbreiterte A7 nördlich des Elbtunnels mit einem Deckel versehen wollte. Doch als 2008 die Grünen mit in den Senat von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) eintraten, gab es einen Sinneswandel: Fortan habe man sich im Rathaus die Forderung zu eigen gemacht, und der Jurist Huber musste nun mit dem Bund streiten – der wollte natürlich nur ein Mindestmaß an Lärmschutz finanzieren, Hamburg wollte mehr. Also übernahm die Stadt die Mehrkosten für ihre Wünsche.
„Dass eine Stadt Hunderte Millionen Euro in die Hand nimmt, um ein Bundesprojekt besser zu machen, gibt es so kein zweites Mal“, sagt Huber. Überhaupt habe er die Hansestadt immer als pragmatisch, selbstverantwortlich und zupackend wahrgenommen, so der gebürtiger Stuttgarter. Und auch nicht als langsam: „Die Planung der A7-Deckel war die schnellste Deutschlands“, ist er überzeugt. „Wir haben 2008 mit ersten Ideen angefangen, und 2018 war der erste Tunnel fertig.“ 2028 soll nun auch der dritte und längste Tunnel in Altona in Betrieb gehen.
Von Eugen Wagner bis Anjes Tjarks – Martin Huber hat vielen Senatsmitgliedern gedient
2011 war der Jurist zum Leiter des Amtes für Verkehr aufgestiegen. Mit seinen damals 130, heute sogar 200 Mitarbeitern war Huber damit die Konstante in der Hamburger Verkehrsplanung. Denn bis 2020 die Grünen auf die Ausgründung einer eigenen Verkehrsbehörde bestanden, wurde dieser Bereich mehr oder weniger stiefmütterlich zwischen Bau- und Wirtschaftsbehörde hin- und hergeschoben.
Wagner, Freytag, Gundelach, Hajduk, Horch, Westhagemann, Tjarks – wenn Huber die Namen aller Senatsmitglieder aufzählen soll, denen er gedient hat, braucht er mehr als eine Hand. „Nicht alle waren gleich gut“, sagte er diplomatisch, „aber alle hatten ein sehr hohes Verantwortungsbewusstsein.“
Neue U-Bahn, Ausbau der A7, Radwege, Carsharing, Moia – die Veränderung ist enorm
Auch den Übergang in eine grün geführte Verkehrsbehörde habe er 2020 zunächst mit Sorge betrachtet, dann aber die Vorteile gesehen: „Mit einem eigenen Senator plus einem Verkehrsstaatsrat haben unsere Themen jetzt die maximale Wucht.“ Dabei war er selbst nie Parteimitglied: „Es kann die Sache schwieriger machen, wenn man außer der Stadt auch noch einer Partei Loyalität schuldet“, findet Huber. Ein Amtsleiter habe umzusetzen, was der Senat verlangt. Eigene politische Ambitionen seien da eher nicht hilfreich.
Und umzusetzen war ja auch reichlich. Eine neue U-Bahn in die HafenCity, Verlängerung der S-Bahn bis Stade, Ausbau der A7, jede Menge neuer Radwege, Integration von Carsharing und neuen On-Demand-Angeboten wie Moia, Planung von S4, U5, S32 – Huber hat zum Abschied eine mehr als 50-seitige Präsentation über sein Wirken erstellt: „Mobilität in Hamburg – Rückblick und Ausblick“.
Wandel vom Autobahnverteidiger zum Fan der Verkehrsberuhigung
Sie verdeutlicht auch seinen Wandel. Anfangs als Verteidiger von Autobahnprojekten geholt, preist er nun die verkehrsberuhigte Innenstadt: „Diese Entwicklung gefällt mir gut“, sagt Huber. Natürlich hat er Statistiken parat, wie selten die City nur noch mit dem Auto angefahren werde und wie stark der Radverkehr zugenommen habe. Dazu zeigt er hübsche Fotos von der Fahrradstraße an der Alster.
Gleichwohl ist er noch heute begeistert, wie es durch einen Vergleich mit Naturschützern und betroffenen Landwirten gelungen sei, die umstrittene A26 durch den Moorgürtel nördlich von Neugraben zu planen und mittlerweile fast fertig zu bauen. Huber ist auch überzeigt, dass die Fortsetzung bis zur A1 als A26-Ost kommen wird: „Die Südtrasse der Hafenquerspange ist das Ergebnis einer sehr intensiven Bürgerbeteiligung – daran wollen sich einige heute nicht mehr erinnern.“
Den S-Bahnhof Harburg bekam man trotz eines runden Tisches nicht in den Griff
Manches sieht der scheidende Amtsleiter heute kritisch. „Ich habe zu spät erkannt, wie wichtig Barrierefreiheit für den Verkehr ist“, räumt Huber ein. Heute sei es selbstverständlich, Behindertenverbände an der Planung zu beteiligen und Bahnhöfe mit Fahrstühlen auszustatten – notfalls auch mit viel Aufwand wie jüngst am U-Bahnhof Rathaus.
Geärgert habe ihn auch, dass es trotz eines eigenen runden Tisches mit der S-Bahn nicht gelungen sei, einen wichtigen Knotenpunkt wie den S-Bahnhof Harburg in einen vernünftigen Zustand zu versetzen. Dennoch halte er nichts von gegenseitigen Beschimpfungen, sagt Huber. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Bahn können auch richtig was.“ Als Beispiel nennt er die S-Bahn-Haltestelle Elbbrücken: 2013 vorgeschlagen, 2019 fertig, und das in sehr komplizierter Lage.
Hamburgs Verkehrsmittel der Zukunft? Huber hält sein Smartphone hoch: „Das hier!“
Eines sei ihm immer besonders wichtig gewesen: Digitalisierung. Kurz nach seiner Beförderung zum Amtsleiter habe er in der Behörde einen verschlossenen Raum entdeckt und gefragt, was sich darin verberge. „Verkehrsdaten“, raunte man ihm ins Ohr. Nachdem ihm geöffnet wurde, habe er aber nur einen veralteten PC entdeckt, keinen Mitarbeiter. Wo der denn sei? „Burn-out, seit drei Monaten.“ Der arme Mann war allein dafür zuständig, sämtliche Verkehrsdaten in ein System einzugeben.
Huber war fassungslos. Als er kurz darauf, nach Einstellung aller Stadtbahn-Planungen, intern gefragt worden sei, was denn nun das Verkehrsmittel der Zukunft sei, habe er sein iPhone 4 hochgehalten und gesagt: „Das hier wird das Verkehrsmittel der Zukunft.“
Verkehr: Hamburg ist Vorreiter bei der Digitalisierung – steht aber dennoch im Stau
Inzwischen ist es Alltag, dass die Menschen auch in der Hansestadt auf dem Smartphone checken, wann die nächste Bahn kommt, wo eine Bushaltestelle ist, dass sie ein Taxi ordern und sich für alle Verkehrsmittel mit einem Wisch ihre Tickets lösen. Hamburg gilt bundesweit als absoluter Vorreiter bei der Digitalisierung des Verkehrs, wird vom Bund als „Modellregion für Mobilität“ gefördert – auch weil Verkehrssenator Anjes Tjarks das ebenso forciert wie sein Amtsleiter.
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Dass die Verkehrslage inzwischen digital überwacht wird und Baustellen zentral über das Programm „Roads“ koordiniert werden, konnte allerdings auch nicht verhindern, dass Hamburg immer noch regelmäßig im Stau erstickt. Die oft harsche Kritik an der Verkehrsplanung sei für seine Mitarbeiter nicht leicht, räumt Huber ein. Allerdings hat er auch beobachtet, dass oft trotz großer Aufregung zu Beginn eines Projekts nach Abschluss doch fast alle damit zufrieden seien.
Solche Gedanken muss sich Martin Huber künftig nicht mehr machen. Er wird mehr Zeit für seine Frau, die zwei Kinder und drei Enkel haben, sich möglicherweise noch mehr bei den Kammermusikfreunden engagieren oder noch energischer den Bass in seiner Band zupfen. Seine Nachfolgerin heißt übrigens wie sein erster Senator: Wagner, Tina Wagner.