Hamburg. Im März tötete Philipp F. bei den Zeugen Jehovas in Hamburg acht Menschen. Lehren daraus wurden offenbar nicht überall gezogen.

In Deutschland sind einer Umfrage des Norddeutschen Rundfunks (NDR) zufolge nur wenige Waffenbehörden auf Amokläufe vorbereitet. Eine Umfrage von NDR Info und dem Politikmagazin „Panorama 3“ zeige, dass die bisherigen Verfahrensregelungen zu schwerfällig seien, sagte der Münsteraner Polizeirechtsexperte Professor Markus Thiel laut NDR-Mitteilung von Dienstag.

Die Zusammenarbeit mit Polizei und Psychologen gehöre auch heute meist nicht zum standardisierten Vorgehen zuständiger Behörden in Deutschland. Anlass für die Umfrage unter allen Innenministerien der Länder sowie ausgewählten Städten und Kreisen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen zum Umgang der Waffenbehörden mit anonymen oder nicht anonymen Hinweisen war der Amoklauf am 9. März in einem Gebetssaal der Zeugen Jehovas in Hamburg-Alsterdorf.

Amoklauf in Hamburg-Alsterdorf: Machte es die Waffenbehörde Philipp F. leicht?

Bei dem Amoklauf waren acht Menschen getötet worden, unter den Toten befand sich auch der Amokschütze Philipp F., der selbst ehemaliges Mitglied der Glaubensgemeinschaft war. Nach Auswertung öffentlicher Ermittlungserkenntnisse und deren jüngster Einordnung durch Polizeirechtsexperten sowie Psychologen hätte die Tat mit hoher Wahrscheinlichkeit verhindert werden können, hieß es.

Nach Einschätzung des Polizeirechtsexperten Markus Thiel machte die Arbeitsweise der Hamburger Waffenbehörde es Philipp F. offenbar leicht, mit einer legalen Waffe eine Versammlung der Zeugen Jehovas aufzusuchen. Insbesondere eine frühzeitige Einbindung von externen Sachverständigen wäre Thiels Ansicht nach sinnvoll gewesen, hieß es.

Die Hamburger Waffenbehörde war vor dem labilen Zustand von Philipp F. gewarnt worden. Sie hätte einfachen Zugang zu Hinweisen auf seine Gewaltbereitschaft gehabt, hieß es.

Experte: Hamburger Behörde hätte Philipp F. rechtzeitig entwaffnen können

Thiels Auswertung habe ergeben: Wäre die Waffenbehörde den Hinweisen gewissenhaft nachgegangen und hätte auf die Expertise von Polizei und Psychologen zurückgegriffen, hätte Philipp F. wohl rechtzeitig entwaffnet werden können. Die Innenbehörde habe jedoch auf das Waffenrecht verwiesen und mitgeteilt, das Gesetz sehe weitere vertiefende Risikoanalysen unter Beteiligung externer Psychologen nicht vor.

Trotz der Erkenntnisse hätten ein halbes Jahr nach dem Amoklauf von zwölf Innenministerien, die im Rahmen der Umfrage geantwortet haben, nur drei berichtet, dass die Waffenbehörden im jeweiligen Bundesland ihre Arbeitsweise verändert oder Mitarbeitende für den Umgang mit anonymen Hinweisen sensibilisiert haben.

Nur wenige Waffenbehörden stellten Arbeitsweise nach Amoklauf in Hamburg um

Auch in Norddeutschland hätten nur wenige Waffenbehörden ihre Arbeitsweise umgestellt. Von neun Städten und neun Kreisen, die an der Umfrage teilgenommen haben, hätten nur vier angegeben, Abläufe verändert oder Mitarbeitende sensibilisiert zu haben.

Die frühzeitige Einbindung des sozialpsychiatrischen Diensts sowie geübter Fachleute, etwa vom Landeskriminalamt, erfolge jeweils nur in vier der abgefragten Bundesländer, hieß es. Bei einem Großteil der Behörden würden diese Möglichkeiten nur im Einzelfall ausgeschöpft.

Die Hamburger Innenbehörde hatte im Juni angekündigt, die Arbeit der Waffenbehörde zu verbessern.