Hamburg. Im dritten Innenausschuss, der sich mit dem Amoklauf in Alsterdorf beschäftigte, benannte der Generalstaatsanwalt diverse Fehler.
Nach quälend langen vier Stunden im ersten und immerhin zwei Stunden im zweiten Innenausschuss nach dem Amoklauf vom 9. März dauerte es bei der dritten Zusammenkunft aller innenpolitischen Sprecher nicht einmal vier Minuten, ehe der entscheidende Satz der vergangenen dreieinhalb Monate seit der grausamen Tat, bei der sieben Menschen erschossen wurden, fiel. „Nach wie vor gibt es Anzeichen dafür, dass die Amoktat vom 9. März unter Beachtung dezidierter Sorgfalt durchaus hätte verhindert werden können“, sagte Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich am späten Donnerstagnachmittag. „Ob sich damit auch eine Anklage rechtfertigen lässt, bleibt hingegen abzuwarten.“
Nur ein Satz, der in dieser Deutlichkeit von den Verantwortlichen aber bislang noch nicht gesagt wurde. Es ist ein Satz, der einerseits offenkundige Fehler, die in den vergangenen Wochen schon häufiger thematisiert wurden, erstmals auch offiziell einräumt, und der andererseits das Leid der Angehörigen und Überlebenden nicht wirklich lindern kann. Von dem Satz, den Generalstaatsanwalt Fröhlich gleich zu Beginn der Sitzung im zweiten Stock des Neubaus am Adolphsplatz 6 sagte, dürfte sich in erster Linie ein Mitarbeiter der Waffenbehörde angesprochen fühlen.
Amoklauf: Generalstaatsanwalt räumt ein, dass Bluttat hätte verhindert werden können
Zur Erinnerung: Beim schlimmsten Amoklauf der vergangenen Jahrzehnte in Hamburg hatte der psychisch kranke Philipp F. nach einer Gemeindeversammlung der Zeugen Jehovas in Alsterdorf mit einer halbautomatischen Pistole sieben Menschen und schließlich auch sich selbst getötet. Nach einem anonymen Hinweis wenige Wochen vor der Tat war der 35 Jahre alte Mann von der Waffenbehörde überprüft worden – allerdings ohne Konsequenzen. Was zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt war: Ein Mitarbeiter der Waffenbehörde hatte durch einen Kontakt zum Hanseatic Gun Club, den auch der spätere Täter besucht hatte, bereits Kenntnis von dem Hinweis.
Auch deshalb hatte die Staatsanwaltschaft bereits vor anderthalb Monaten sowohl gegen den Waffenbehördenmitarbeiter Wolf K. als auch gegen Mitglieder des Prüfungsausschusses im Schießclub des Attentäters Ermittlungen eingeleitet. Der schwerwiegende Tatverdacht: fahrlässige Tötung.
Amoklauf: Bruder von Philipp F. als Hinweisgeber vernommen
Nun, etwas mehr als 100 Tage nach der Tat, führte Generalstaatsanwalt Fröhlich weiter aus, dass die Staatsanwaltschaft mittlerweile auch den anonymen Hinweisgeber ausführlich vernommen hat. Nach Informationen des Abendblatts soll es sich dabei um den Bruder von Philipp F. handeln. Auch sechs Umzugskartons mit Berichten über den Täter vom sozial-psychiatrischen Dienst sollen der Staatsanwaltschaft mittlerweile vorliegen.
„Die Untersuchungen der Generalstaatsanwaltschaft sind ein großes Stück vorangekommen“, konnte Fröhlich berichten, bremste aber fast im gleichen Atemzug zu große Erwartungen: „Die Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft werden sich vermutlich noch über weitere Monate hinziehen.“
Grote zu Amoklauf: „Müssen alles tun, damit sich so eine Tat nicht wiederholt“
Nicht ganz so lang dauerten die Befragungen des dritten Innenausschusses zum Thema. Knapp 90 Minuten nutzen die Politiker am frühen Donnerstagabend, um vor allem Innensenator Andy Grote über die möglichen Versäumnisse bei der Waffenbehörde und seinen bislang nicht zugestimmten Vorstoß, das Waffenrecht zu verschärfen, zu befragen. „Wir stehen in der Verantwortung, alles zu tun, damit sich so eine Tat nicht wiederholt“, sagte Grote in seinem zwölfminütigen Eingangsstatement.
Der Innensenator las seine handgeschriebenen Notizen, grün auf weiß, von einer ganzen Reihe von Zetteln ab. Er sprach über die Schwierigkeit, einem legalen Waffenbesitzer mit psychologischer Erkrankung die Waffenlizenz zu entziehen, und er referierte erneut über sein gerade erst vorgestelltes Maßnahmenpaket, wie die Waffenbehörde in Zukunft gestärkt werden könne. Dabei konnte sich Grote einen Seitenhieb auf die CDU, deren Innenminister die Verschärfung des Waffengesetzes torpedieren, nicht verkneifen.
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Es dauerte nicht lange, ehe Dennis Gladiator, Hamburgs innenpolitischer CDU-Sprecher, vehement widersprach. Man teile die SPD-Auffassung, dass in Zukunft auch Antragsteller für eine Schusswaffe über 25 Jahre ein ärztliches oder psychologisches Gutachten vorlegen müssten. Es folgte, was so oft folgt: Ein politisches Klein-Klein, bei dem AfD-Chef Dirk Nockemann sogar fragte, ob denn zukünftig Krankenkassen derartige psychologische Gutachten übernehmen würden. Sina Imhof (Grüne) konterte: „Die Debatte entgleitet ins Absurde.“
Amoklauf: Innenausschuss will sich erneut mit Bluttat befassen
Nach knapp anderthalb Stunden waren vorerst alle Fragen beantwortet, sodass der Ausschussvorsitzende Ekkehard Wysocki (SPD) den ersten Programmpunkt als erledigt bezeichnen konnte. Sein Fazit: Sobald die staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen abgeschlossen seien, werde man sich sicherlich noch ein weiteres Mal mit dem Amoklauf von Alsterdorf im Innenausschuss beschäftigen. Aber das, so hatte es Generalstaatsanwalt Fröhlich ja bereits direkt zu Anfang gesagt, dürfte noch lange dauern. Sehr lange.