Hamburg. Hansestadt bekommt Lob für Schulpolitik – doch Schwächen bleiben. Verband: „Bildungsarmut auch in Hamburg weiter viel zu hoch.“

Für die Medaillenränge reicht es erneut nicht: In dem heute in Berlin vorgestellten Bundesländer-Vergleich des Bildungsmonitors 2023 verharrt Hamburg auf dem vierten Platz – hinter Sachsen, Bayern und Thüringen. Zur Erinnerung: Ihr mit Rang drei bestes Ergebnis erzielte die Hansestadt im Jahr 2021 bei der Untersuchungsreihe, die das private Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln seit 2004 durchführt, im Auftrag der arbeitgebernahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Deren Träger sind Verbände der Metall- und Elektroindustrie.

Vor zehn Jahren hatten die IW-Autoren ein Gesamtranking eingeführt; damals war Hamburg noch auf Platz 6 gelandet. Auf dem im Folgejahr erreichten fünften Rang blieb die Hansestadt bis 2019, kletterte dann auf Rang vier und sogar auf den Bronze-Platz – rutschte 2022 aber wieder leicht ab. Dass es wieder nicht gelingt, Thüringen als Drittplatzierten einzuholen und abzulösen, hänge mit dem großen Sprung zusammen, den das ostdeutsche Bundesland bei der Förderung seiner Hochschulen und der sogenannten MINT-Fächer (Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) gemacht habe, sagt Studienleiter Axel Plünnecke vom IW.

Schule Hamburg: Hansestadt „erstaunlich gut“ im Vergleich zu Berlin und Bremen

Er bescheinigt Hamburg zwar eine positive Tendenz. Die Hansestadt stehe sogar „erstaunlich gut“ dar gegenüber den beiden anderen Stadtstaaten Berlin (Platz 15) und Bremen (16) – Schwächen bestehen allerdings weiter. Für alle Mädchen und Jungen eine gute Bildung zu gewährleisten, bleibe auch in Hamburg eine „Herausforderung“, sagt Plünnecke.

Trotz Fortschritten erreichten viele Kinder nicht die Mindeststandards an Kompetenzen, monieren der Professor und seine beiden Co-Autorinnen. Bei diesem Befund beziehen sich die IW-Forschenden im Wesentlichen auf Ergebnisse der jüngsten Untersuchung des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB). Der im Herbst 2022 vorgestellten Studie zufolge schaffen wie berichtet 17,7 Prozent der Viertklässler in Hamburg nicht den Mindeststandard im Lesen. Damit liegt die Hansestadt allerdings auf Platz drei der 16 Bundesländer. In Mathematik verfehlten dem IQB zufolge 23,8 Prozent der Jungen und Mädchen am Ende der Grundschule in Hamburg den Mindeststandard – das war Platz 11 im Ländervergleich.

Hamburg profitierte bei IQB Studie von einem negativen Gesamttrend

Insgesamt profitierte Hamburg bei der IQB-Studie von einem negativen Gesamttrend: Bundesweit verschlechterten sich demnach die Deutsch- und Matheleistungen der Viertklässler von 2011 bis 2021 durchschnittlich um rund 34 Punkte von 500 auf 466 Punkte. In Hamburg betrug das Minus nur elf Punkte – von 479 auf 468. So ist es zu erklären, dass sich die Hansestadt im Gesamtranking der Bundesländer erheblich verbesserte und zuletzt auf Platz sechs landete – in der vorigen IQB-Studie von 2016 hatte Hamburg noch den zwölften Rang belegt.

Der Bildungsmonitor 2023 bildet überwiegend das Jahr 2021 ab. Die IW-Forschenden analysierten dafür neben den IQB-Studien unter anderem auch Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes, des Bundesinstitut für Berufsbildung und der Kultusministerkonferenz. Dann bewerteten sie anhand dieser Daten 13 „Handlungsfelder“ der Schul- und Hochschulpolitik, die insgesamt 98 Indikatoren umfassen. Dazu gehören nach Angaben der Autoren etwa die Verfügbarkeit von Betreuungs- und Ganztagsangeboten, der Anteil der Schüler, die von „Bildungsarmut“ betroffen sind, Schulabbrecher-Zahlen, Betreuungsschlüssel und vieles mehr.

Lob für Ganztagsbetreuung an Hamburgs Schulen

Die IW-Forschenden bescheinigen Hamburg etliche Stärken im Vergleich zu anderen Bundesländern, etwa bei der Förderinfrastruktur. Positiv sei beispielsweise, dass 98,6 Prozent der Hamburger Grundschülerinnen und Grundschüler an einer offenen oder gebundenen Ganztagsschule lernten – im Bundesdurchschnitt seien es 47,5 Prozent. Damit stehe Hamburg auf Platz eins. Das gelte auch für den Anteil der Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe I, die ganztags betreut werden: Hier erreiche Hamburg einen Wert von 97,8 Prozent – der Durchschnitt liege bei 48,4 Prozent. Der Anteil der drei- bis sechsjährigen Kinder, die sich in einer Ganztagsbetreuung befinden, falle in Hamburg leicht überdurchschnittlich aus.

Bemerkenswert sei zudem, was Hamburg bei der Internationalisierung leiste: Fast alle Grundschülerinnen und Grundschüler in der Hansestadt (99,5 Prozent) seien 2021 in Fremdsprachen unterrichtet worden, damit liege Hamburg nur knapp hinter Rheinland-Pfalz auf dem zweiten Platz und deutlich über dem Bundesdurchschnitt (58,9 Prozent). Im Fach Englisch zeigen Hamburger Schülerinnen und Schüler ein „weit überdurchschnittliches Hörverständnis“, beim Lesen liegen sie leicht über dem Bundesschnitt, heißt es in der IW-Studie.

Bildungsmonitor 2023: Auch bei der Integration punktet Hamburg

Ebenfalls auf Platz zwei landet Hamburg im jüngsten Bildungsmonitor auf dem Handlungsfeld Integration. Ein Grund dafür den IW-Autoren zufolge: Im Jahr 2021 erlangten mit rund 20 Prozent überdurchschnittlich viele Jugendliche mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit an allgemeinbildenden Schulen das Abitur – doppelt so viele im Bundesdurchschnitt. 13,5 Prozent der ausländischen Schülerinnen und Schüler in Hamburg schafften laut IW keinen Abschluss – kein Ruhmesblatt, aber ein besserer Wert als der Bundesdurchschnitt (15,7 Prozent).

Platz drei erreicht Hamburg bei der Beruflichen Bildung. Zur Begründung führt das IW etwa an: Mit 71,3 Prozent habe die Ausbildungsstellenquote im Jahr 2022 in der Hansestadt über dem Bundesdurchschnitt von 67,6 Prozent gelegen. Die Quote der Unversorgten sei in Hamburg mit 8,1 Prozent jedoch schlechter ausgefallen als im Bundesdurchschnitt (7,7 Prozent).

Zahl der IT-Absolventen in Hamburg unterdurchschnittlich im Bundesvergleich

Auf dem Feld Digitalisierung kommt Hamburg auf den vierten Platz. Positiv wirke sich etwa aus, dass die Hansestadt bei der Ausstattung der Schulen mit WLAN den bundesweiten Spitzenwert erreiche, so das IW. Die Zahl der neuen betrieblichen Ausbildungsverträge im IT-Bereich pro 100.000 Erwerbstätige falle mit 64,8 höher aus als im bundesdeutschen Durchschnitt (47,4); die Zahl der IT-Hochschulabsolventen pro 100.000 Erwerbstätige liege mit 74,8 jedoch unter dem Bundesdurchschnitt von 77,2; hier schneide Berlin (105,5) erheblich besser ab.

Apropos Hochschulen: Hamburg gebe zwar vergleichsweise viel Geld aus für Bildung an Schulen, weise aber den schlechtesten Wert aller Bundesländer auf, was die Relation der Ausgaben für Unis und Fachhochschulen zu den öffentlichen Gesamtausgaben angehe, sagt Axel Plünnecke. Demnach lagen die Ausgaben pro Studierender und Studierendem in Hamburg im Jahr 2021 bei 11.100 Euro und damit unter dem Bundesdurchschnitt von 11.800, obwohl Hamburg sonst bei den öffentlichen Ausgaben insgesamt je Einwohner der Stadt deutlich mehr ausgebe als andere Bundesländer. Vor allem deshalb stuft der IW die Hansestadt bei dem Handlungsfeld „Ausgabenpriorisierung“ auf Platz 13 ein.

Nordmetall: „Bildungsarmut auch in Hamburg weiter viel zu hoch“

Hamburg halte sich zwar „sehr gut unter den 16 Bundesländern“, sagt Peter Golinski, Geschäftsführer Bildung und Arbeitsmarkt bei Nordmetall und AGV Nord. „Allerdings ist die Bildungsarmut auch beim norddeutschen Bildungsaufsteiger weiter viel zu hoch.“ Besonders naturwissenschaftliche Kompetenzen seien bei den Viert- und Neuntklässlern unzureichend. Bildungssenator Ties Rabe (SPD) mache „vieles richtig“, tue „aber auch gut daran, mit neuen Bildungsplänen an einer Verbesserung der Unterrichtsqualität zu arbeiten“.