Hamburg. U5, neuer S-Bahn-Tunnel und mehr Züge nach Harburg und Bergedorf: Im Herbst geht es um Milliarden. Was der Verkehrssenator plant.
Eine neue U-Bahn, ein weiterer S-Bahn-Tunnel, dazu mehr S-Bahnen auf den hoch belasteten Strecken – in den kommenden Monaten bis Jahresende sollen in der Hamburger Bürgerschaft wegweisende Entscheidungen zu großen Verkehrsprojekten fallen, die die Stadt auf Jahrzehnte hinaus prägen werden. Das kündigte Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) im Gespräch mit dem Abendblatt an.
Dabei nehmen die 24 Kilometer der geplanten und im Abschnitt Ost bereits im Bau befindlichen U5 einen gewichtigen Platz im künftigen Schienenverkehr ein. „Die U5 ist ein Projekt, das bis etwa 2040 gehen wird, aber es ist für Hamburg bewältigbar“, sagte Tjarks. Bei den Arbeiten für die U5 stellte er in Aussicht, dass die Beeinträchtigungen für den Verkehr und die Anwohner weiter begrenzt werden können. Zwar räumte er ein, dass es eine Belastung für Hamburg sein werde: „Einen solchen Bau in einer Großstadt durchzuziehen, ohne dass man das merkt, ist schwierig.“
U5 und neuer S-Bahn-Tunnel: Tjarks will Weichen für Milliardenprojekte stellen
Allerdings zeige bereits der Aus- und Weiterbau des Netzes Richtung Horner Geest: „Was die offenen Baugruben betrifft, sehen wir gerade bei der U4-Verlängerung, dass der Ring 2 über der Baustelle verläuft und der Autoverkehr trotzdem rollt. Die Hochbahn hat auch bei der U5 das Ziel, die Auswirkungen des Baus so gering wie möglich zu halten.“
Wie berichtet, haben die U5-Bauer ein Verfahren ersonnen, bei dem die mehrere Hundert bis zu 1050 Meter (am Grindel) offenen Baugruben für alle Haltestellen, Kehranlagen und Notausgänge erst zur Hälfte gebuddelt werden. Dann kommen Abdeckungen drauf, damit der Verkehr provisorisch weiterfließen kann. Anschließend wird die andere Hälfte gegraben. Tjarks sagte: „Bei den offenen Baugruben soll nur halbseitig gebaut und gesperrt werden, sodass ein Teil der Straßen immer frei bleibt.“
Neue U5 könnte auch abschnittsweise in Betrieb genommen werden
Die U5 soll auch nach der Fertigstellung des Teilstücks von Bramfeld in die City Nord „abschnittsweise“ eröffnet werden. Bei solchen Teilinbetriebnahmen wäre es zum Beispiel denkbar, dass die Strecke von den Arenen im Volkspark bis Hagenbecks Tierpark und zur Kreuzung mit der U2 fertig ist, bevor von dort der Anschluss Richtung UKE steht. Tjarks sagte, das werde da geplant, wo es Sinn ergebe. Genau diese Teilinbetriebnahmen würden gerade erarbeitet.
Der Verkehrssenator zeigte sich außerdem optimistisch, dass die noch beim Oberverwaltungsgericht anhängigen Klagen gegen die Planfeststellung der U5-Ost in Gesprächen mit den Klägern abgewendet werden können. Das sind Hausbesitzer oder Eigentümergemeinschaften, die sich durch den Bau erheblich beeinträchtigt sehen. Mit einigen wurden bereits Kompromisse erzielt, sodass zuletzt noch von fünf Klagen die Rede war.
Tjarks will erstmals volle Kosten für U5 nennen und hofft auf Fördermittel des Bundes
Die Betroffenheiten der Bürgerinnen und Bürger müsse man sehen, so Tjarks, aber: „Wir hatten neun Klagen, darunter keine projektgefährdende. Das zeigt, dass die Hochbahn auch in ihrer Bautätigkeit eine hohe Akzeptanz hat. Den Klägern bieten wir respektvolle, vernünftige Gespräche und versuchen, auf ihre Belange einzugehen. Wir streben außergerichtliche Einigungen an, und ich bin zuversichtlich, dass wir auch die restlichen Klagen befrieden können.“ Zu Einzelheiten möglicher finanzieller Lösungen machte er keine Angaben.
Im Herbst muss Tjarks Farbe bekennen, wie teuer die gesamte U5 werden soll. Beim ersten Abschnitt erhöhten sich die Kosten bislang von 1,75 auf 2,86 Milliarden Euro. Bei einer Faustformel von 500 Millionen Euro pro Kilometer nach Erfahrung mit dem Abschnitt Ost käme man am Ende etwa bei zwölf Milliarden Euro raus. Doch das ist reine Spekulation. Wenn das sogenannte Nutzen-Kosten-Verhältnis größer als 1 ist, schießt der Bund einen erheblichen Teil für die U5 hinzu. Tjarks erklärte: „Mein Ziel ist es, den entsprechenden Antrag im zweiten Halbjahr 2023 einzureichen und die Bundesförderung zu bekommen.“
Senat will sich auf mögliche Trasse für Verbindungsbahnentlastungstunnel festlegen
Ein weiteres Milliarden-Projekt, für das in Kürze wichtige Weichen gestellt werden sollen, ist der geplante Verbindungsbahnentlastungstunnel (VET), in dem die S-Bahn vom Hauptbahnhof zum neuen Fernbahnhof Diebsteich fahren soll. Damit soll die oberirdische Verbindungsbahn über Dammtor und Sternschanze nach Altona entlastet werden, damit dort auf vier statt zwei Gleisen doppelt so viele Nahverkehrs- und Fernzüge rollen können. Diesen Vorschlag hatte das Bundesverkehrsministerium 2019 unterbreitet, um dem überlasteten Bahnknoten Hamburg Luft zu verschaffen. Die Stadt und die Deutsche Bahn planen seitdem gemeinsam an dem Projekt, und Tjarks will noch im zweiten Halbjahr der Bürgerschaft einen Vorschlag für das weitere Vorgehen unterbreiten.
„Ich bereite gerade eine Entscheidung für den Senat vor, welche der fünf Trassen wir weiter verfolgen und welche nicht“, sagte der Senator. „Dabei kann es auch sein, dass wir mehr als eine Trasse genauer betrachten, weil wir in der Planung noch nicht weit genug sind für eine abschließende Entscheidung.“ Wichtig dafür seien neben verkehrlichen Belangen wie Fahrtzeit und Fahrgastpotenzialen auch betriebliche Fragen, Umweltaspekte, technische und wirtschaftliche Belange sowie die Eingriffe in das Stadtbild: „Das ist eine schwierige Abwägung“, so Tjarks. „Aber die Entscheidung soll noch in diesem Jahr fallen, damit wir vorankommen.“
Holstenstraße und Sternschanze könnten von S-Bahn- zu Regionalbahnhöfen werden
Ein Beispiel, was es dabei alles zu bedenken gibt: Sollte der Senat die „Basistrasse Süd“ weiter verfolgen, wären die Stationen Holstenstraße und Sternschanze dann keine S-Bahnhöfe mehr und müssten zu Regionalbahnhöfen auf der Verbindungsbahn umgebaut werden, damit die Menschen in dem Quartier weiter eine Schienenanbindung haben. „Baulich ist das möglich, und der Platz dafür wäre da“, so Tjarks. „Aber wir müssen noch prüfen, ob das auch mit dem Fahrplan kompatibel ist, ob da also mindestens alle zehn Minuten im festen Minuten-Takt ein Zug halten kann. Diese und viele andere Prüfungen laufen noch, daher können wir noch keine finale Entscheidung treffen, sondern erst mal nur die Zahl der möglichen Trassen von fünf auf ein bis zwei reduzieren.“
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An einigen Stellen haben die beiden Großprojekte VET und U5 sogar Berührungspunkte: Am Hauptbahnhof und im Bereich Stephansplatz/Dammtor kreuzen sie sich in großer Tiefe. „Wir müssen die neuralgischen Punkte, an denen der Tunnel und die U5 sich kreuzen, auch im Sinne der Fahrgäste möglichst frühzeitig gut aufeinander abgestimmt planen“, sagte Tjarks. „Das betrifft also den Hauptbahnhof, den Bereich Stephansplatz/Dammtor und eventuell den Bahnhof Sternschanze, sofern der VET dort entlangführen wird. So eine integrierte Planung ist wichtig, um die Bauzeiten zu minimieren und möglichst kurze Umsteigewege zu erreichen.“
Tjarks will Kapazität der S-Bahn nach Harburg und Bergedorf ausbauen
Auch die bestehende U3 spielt in den Überlegungen eine Rolle: „Nachdem wir auf der U3 für 100 Millionen Euro den Abschnitt Mönckebergstraße bis Rödingsmarkt saniert haben, steht Ende der 20er-/Anfang der 30er-Jahre eine Sanierung der Haltestellen Feldstraße und Sternschanze und des dazugehörigen Tunnels an“, erklärt Tjarks. „Die U-Bahn-Station Sternschanze soll neu gebaut werden, weil sie derzeit nicht barrierefrei genutzt und auch nicht entsprechend umgebaut werden kann. Falls der Verbindungsbahnentlastungstunnel hier entlangführen soll, würde es Sinn machen, das gemeinsam zu planen und anzufassen.“
Als dritten großen Punkt will Tjarks beim Parlament noch im Herbst Mittel für den Ausbau der S-Bahn-Kapazitäten auf den Strecken nach Harburg und Bergedorf beantragen. So soll in Richtung Süden, dem meistfrequentierten S-Bahn-Abschnitt Hamburgs, künftig neben der S3 und der S31 (wird mit dem Fahrplanwechsel im Dezember zur S5) noch eine dritte Linie verkehren, die S6. „Neben dem Bau neuer Infrastruktur wie der U5 oder dem VET ist es ebenso wichtig, die bestehenden Strecken zu ertüchtigen“, sagt Tjarks. „Wenn wir auf dem Ast nach Harburg innerhalb von zehn Minuten 1000 Personen zusätzlich pro Richtung in der Hauptverkehrszeit transportieren wollen, müssen wir die Infrastruktur auf dieser Strecke ertüchtigen.“
Mehr S-Bahnen: Tjarks will noch im Herbst Weichen stellen
Dies betreffe Maßnahmen der Stromversorgung sowie der Weichenstellwerks- und Signaltechnik. Mit dem Bau der für die Stromversorgung nötigen neuen Gleichrichterwerke werde man 2024 beginnen, die weiteren Maßnahmen erfolgen danach. „Insgesamt wollen Stadt und Bund hier eine dreistellige Millionensumme in diesen Kapazitätsausbau investieren“, so Tjarks. In der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre sollen die Fahrgäste dann in den Genuss der höheren Kapazitäten kommen.