Hamburg. Eine Ausstellung zeigt die „zweiten Sieger“ und spektakuläre Ideen. Darunter sind Bauprojekte an prominenten Hamburger Orten.
Im Architekturwettbewerb ist es wie beim Boxen: Der Zweitplatzierte ist der erste Verlierer. K.o. für den und die, die nicht gewonnen haben, also den Zuschlag für den Bau eines Projektes von der Jury nicht bekamen. Doch auch hier gäbe es „Sieger der Herzen“ – wenn denn die breite Öffentlichkeit wüsste, wie die Entwürfe aussahen, die nicht gebaut werden.
Eine bemerkenswerte Hamburger Ausstellung will das jetzt ändern. Sie ist bei freiem Eintritt von Freitag an täglich (12 bis 20 Uhr) bis zum 14. Juli im geräumigen Schuppen 29 am Baakenhöft in der HafenCity zu sehen. Sie heißt „Die ganze Stadt. Hamburger Wettbewerbe und Verfahren 2017 – 2023“. Und „verfahren“ ist mitunter ein Wettbewerb im Auge der Betrachter, weil sich oft nicht die Entwürfe von Architektenbüros durchsetzen, die die ästhetisch anspruchsvollsten sind, sondern die vermeintlich kostengünstigsten oder praktikabelsten.
Hamburg-Ausstellung in der HafenCity: Was gebaut wurde – und was nicht
Bei der grandiosen Vielfalt der Projekte und Entwürfe, mit denen praktisch alle Hamburgerinnen und Hamburger etwas anfangen können, weil sie so prominente Orte wie die HafenCity oder den Hauptbahnhof und das Kontorhausviertel besetzen, wird deutlich: Die Jury ist in jedem Einzelfall in ein enges Korsett gepresst. Es muss zum Stadtbild Hamburgs passen, weil der Oberbaudirektor Franz-Josef Höing ein Mitspracherecht hat. Es muss bezahlbar sein, Öko-Standards genügen und die ganzen technischen oder verkehrlichen Voraussetzungen ohnehin mitbringen.
So hat sich am Ende – Beispiel HafenCity – für die Verlängerung der U-Bahn-Linie U4 Richtung Grasbrook mit Vision zur Veddel und nach Wilhelmsburg ein Entwurf für die Haltestelle Moldauhafen durchgesetzt (ein Konsortium aus dem Stuttgart-Büro von schlaich bergermann partner, den Hamburgern Gerkan, Marg und Partner und WTM Engine), der mit Stahl und Glas an die futuristische Station Elbbrücken erinnert.
U4 zum Grasbrook: Was den zweiten Sieger auszeichnete
Platz zwei ging an das Ingenieurbüro Grassl (Hamburg) mit Ney Partners BXL aus Brüssel. Auch dieses Modell lehnte sich gestalterisch an die Elbbrücken an, aber auch an die Bahnüberführungen, wie man sie von den Deichtorhallen oder vom Dammtor kennt. Dieser Beitrag wollte insbesondere Photovoltaik integrieren sowie Nisthilfen für Fledermäuse und Vögel.
Das ist nur eines von 1400 Beispielen für durchdachte Entwürfe. Denkt man an die – kostenlos von einem kompetenten Privatmann entwickelte – Alternativplanung zur Sternbrücke der Deutschen Bahn (Gegner: „Monsterbrücke“), kann man an vielen Stellen der Ausstellung zu dem Schluss kommen, dass Bürger anders entschieden hätten.
Architektur in Hamburg: Wettbewerb produziert Schönheit
Oberbaudirektor Höing bekennt sich zur Vielfalt und sagte zur Ausstellungseröffnung: „Der Wettbewerb und das damit verbundene Engagement war und ist Voraussetzung für eine Baukultur, für die Hamburg traditionell steht. Diese Stadt ist nicht nur zufällig an vielen Stellen eine schöne Stadt.“
Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) sagte, die Schau zeige „den großen Einsatz und den kreativen Abwägungsprozess, der hinter jedem architektonischen Auswahlverfahren steckt“. Der Architekturkritiker Kaye Geipel sieht in der Ausstellung eine Ähnlichkeit zu einem Kunstprojekt und spricht von einer „Wettbewerbsskulptur“. Er hat die Ausstellung mit dem Kuratorenteam von Kawahara Krause Architects begleitet.
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Das Begleitprogramm mit Experten, Wissenschaftlern und Kritikern ist üppig und kann im Internet eingesehen werden. Auch wenn es schwierig ist, hier etwas hervorzuheben, ist sicherlich die Perspektive von außen auf Hamburg aufschlussreich. Außerdem bemerkenswert sind die Veranstaltungen, die von der Fritz-Schumacher-Gesellschaft angeboten werden und die, die sich mit dem Kulturwissenschaftler Aby Warburg beschäftigen – zwei Hamburger Schwergewichte für Bauen und Ikonen.
Die ganze Stadt. Hamburger Wettbewerbe und Verfahren 2017-2023, Schuppen 29, Baakenhöft (Petersenkai, 20457 Hamburg), bis zum 14. Juli täglich von 12-20 Uhr, Eintritt frei, Führungen jeden Sonnabend und Sonntag um 15 Uhr