Hamburg. Behörde spricht von Milliardeninvestitionen. Klimabeirat fordert „Schwammstadt“ Hamburg. Einige Stadtteile gehen voran.
Für Maßnahmen zur Anpassung Hamburgs an den Klimawandel werden auf die Hansestadt enorme Kosten zukommen. Die Umweltbehörde geht von „notwendigen Investitionen in Milliardenhöhe“ bis zum Jahr 2050 aus, wie sie auf Abendblatt-Anfrage mitteilte. Ein großer Teil der Ausgaben werde auf den Hochwasserschutz entfallen, doch auch die Vorsorge gegen Hitzewellen, Trockenheit und Starkregen dürfte Hamburg teuer zu stehen kommen – wobei unklar ist, welche Maßnahmen die Hansestadt sich künftig überhaupt leisten kann.
Das spendenfinanzierte Recherchezentrum Correctiv hatte vor Kurzem 400 Landkreisen und kreisfreien Städten – unter ihnen auch Hamburg – eine Umfrage geschickt, wie sie sich auf die Folgen der globalen Erwärmung vorbereiten. „Die Antworten sind verheerend: Nur jeder vierte Landkreis hat ein Schutzkonzept für die Klimakrise entwickelt“, teilte Correctiv mit.
Wetter in Hamburg: Maßnahmen gegen Klimawandel vermutlich nicht ausreichend finanzierbar
Für Hamburg antwortete die Umweltbehörde und gab etwa an, dass die Hansestadt bis zur Mitte des Jahrhunderts voraussichtlich häufiger mit extremen Wetterereignissen konfrontiert sein und häufiger Wassermangel erleben werde. Diese Angaben sind nicht überraschend, denn einige Tendenzen hatte der Deutsche Wetterdienst bereits 2021 in seinem „Klimareport Hamburg“ eindrücklich beschrieben.
Bemerkenswert ist allerdings, wie die Umweltbehörde auf die Correctiv-Frage reagierte, ob in Hamburg die als erforderlich erkannten Maßnahmen zur Klimaanpassung „in den kommenden Jahren ausreichend finanziert“ werden könnten. Die Behörde kreuzte an: „vermutlich nein“. Auf Abendblatt-Nachfrage heißt es aus der Behörde: Ausgehend davon, wie viel Geld aktuell für die Klimaanpassung vorgesehen sei, lasse sich für die künftig wahrscheinlich zunehmenden Bedarfe nicht ausschließen, dass es Engpässe geben könnte.
Umweltbehörde: Neue Strategie zur Klimaanpassung wird „zurzeit erarbeitet“
Das betrifft womöglich nicht erst Ausgaben, die in zwei bis drei Jahrzehnten anfallen könnten. „Es wird zurzeit eine neue Strategie zur Anpassung Hamburgs an den Klimawandel erarbeitet“, so die Behörde. Dabei gehe es um kurz-, mittel- und langfristige Zeiträume. Auszugehen sei von „erheblichen Erfordernissen zur schrittweisen Anpassung der gesamten städtischen Infrastruktur“.
Dabei müsse eine „Priorisierung“ erfolgen. Um den „konkreten Finanzierungsbedarf“ beziffern zu können, werde anhand der neuen Strategie zu entscheiden sein, „welche Risiken, Beeinträchtigungen und mögliche Schäden infolge des Klimawandels hingenommen werden, abgemildert oder gänzlich verhindert werden sollen“.
Hamburger Klimabeirat kritisiert Senat: „Die Prozesse dauern lange“
Zur Einordnung: Aus Mitteln des Programms „Hamburger Klimaplan“ stehen der Behörde zufolge in diesem Jahr für Maßnahmen zur Klimaanpassung 15,5 Millionen Euro zur Verfügung; die Ausgaben in den vergangenen fünf Jahren lagen in der gleichen Größenordnung. Daneben gebe es viele Maßnahmen zur Klimaanpassung, die nicht gesondert aus dem Klimaplan finanziert würden, aber im Haushalt der Stadt abgedeckt seien, etwa für den Katastrophenschutz und den Küstenhochwasserschutz.
Nach Einschätzung von Hamburger Expertinnen und Experten treibt der rot-grüne Senat die Anpassung der Hansestadt an den Klimawandel nur halbherzig voran. Noch im November 2022 erklärte der Hamburger Klimabeirat, der als unabhängiges wissenschaftliches Gremium den Senat berät, im Klimaplan der Hansestadt seien „wichtige Aspekte der Klimaanpassung wie die Hitzevorsorge … bislang unterrepräsentiert“ – und richtete den „dringenden Appell“ an den Senat, auch die Anpassung an Folgen des Klimawandels „deutlich zu verstärken“.
Experten: Bei jeder Bau- und Infrastrukturmaßnahme die Klimaanpassung mitdenken
Auf Abendblatt-Anfrage mahnt der Klimabeirat erneut. „Die Herausforderungen des Klimawandels sind für urbane Zentren gewaltig, und auch die Stadt Hamburg wird deutlich mehr tun müssen als bislang“, sagt die Vorsitzende des Klimabeirats, Prof. Daniela Jacob. „Zwar ist derzeit eine neue Klimaanpassungsstrategie in Arbeit, und auch ein eigenständiges Hamburger Klimaanpassungsgesetz soll verabschiedet werden, aber die Prozesse dauern lange.“
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Hamburg wäre „gut beraten, schon jetzt bei jeder Bau- und Infrastrukturmaßnahme, die in der Stadt umgesetzt wird, die Klimaanpassung gleich mitzudenken“, sagt Jacob. „Die Entwicklung der blau-grünen Infrastruktur, also unseres Stadtgrüns und der Wasserflächen, bildet im Sinne einer Schwammstadt dabei das entscheidende Rückgrat für mehr Klimaanpassung. Außerdem sollte es eine konsequente Entsiegelungsstrategie, einen effektiven Hitzeaktionsplan und eine mittelfristige Budgetplanung für Klimaanpassungsmaßnahmen geben.“
Wetter: Hitzeaktionsplan für Hamburg „frühestens Mitte 2024“ fertig
Wie vor Kurzem berichtet, geht die Gesundheitsbehörde davon aus, dass ein Hitzeaktionsplan für Hamburg „frühestens Mitte 2024“ fertig werden könnte. Der CDU-Abgeordnete Sandro Kappe zeigte sich „fassungslos, wie man dieses wichtige Thema so verschlafen hat“. Hamburg sei bei diesem wichtigen Thema nur auf der Standspur unterwegs, kritisierte der Linken-Abgeordnete Stephan Jersch.
Und wie steht es um die „Schwammstadt“? Bereits in einer Bürgerschaftsdebatte im Juni 2021 hatte die SPD-Fraktion erklärt, vorgesehen sei etwa durch Entsiegelungsprogramme, dass Niederschlag in Hamburg besser versickern könne oder stellenweise zwischengespeichert werde. Auf die Anfrage von Correctiv zur Klimaanpassung kreuzte die Umweltbehörde die Antwortoption an, Maßnahmen nach Schwammstadt-Prinzipien seien in Hamburg „bereits ergriffen“ worden.
Auf Abendblatt-Anfrage, wo genau dies passiert sei, erklärt die Umweltbehörde, „größere Schwammstadtprojekte“ könnten „am besten in Neubaugebieten umgesetzt werden“. Darunter seien die Fischbeker Reethen in Neugraben, das Gebiet Vogelkamp Neugraben und Hamburgs geplanter 105. Stadtteil Oberbillwerder. Daneben gebe es Maßnahmen etwa auf Schulhöfen, zum Beispiel am Albrecht-Thaer-Gymnasium in Stellingen, sowie „viele Pilot-, Einzel- und Forschungsprojekte im Stadtgebiet“.