Hamburg. Während die Baukonjunktur erlahmt, arbeiten die Bezirke immer langsamer. CDU: „Unhaltbar“. Wohnungsgipfel am Montag.
An diesem Montag findet in Hamburg ein großer „Bündnisgipfel“ zum Wohnungsbau statt: Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) hat dazu nicht nur hochrangige Vertreter der Wohnungswirtschaft eingeladen, sondern auch Bürgermeister Peter Tschentscher und Bundesbauministerin Klara Geywitz (beide SPD). Man will „Bilanz“ ziehen und „einen Ausblick auf die Herausforderungen der Zukunft“ geben. Die Veranstaltung dürfte von viel gegenseitigem Schulterklopfen einerseits und Ernüchterung andererseits geprägt sein.
Es war schließlich der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der 2011 als neuer Bürgermeister den Wohnungsbau zum Topthema auserkoren, ein „Bündnis für das Wohnen“ initiiert und ihn so kräftig angekurbelt hatte. Mehr als 90.000 neue Wohnungen sind seitdem fertiggestellt worden, Hamburg galt lange als Vorbild, dem Geywitz nun in Scholz’ Auftrag bundesweit nacheifern soll.
Wohnungsbau in Hamburg erlahmt – Mieten könnten bald steigen
Eine aufwendige „Mietenstudie“, die die Wohnungswirtschaft vergangene Woche präsentierte, passte da bestens ins Bild: Nach Auswertung von 237.000 oder einem Drittel aller Hamburger Mietverträge liege die tatsächliche durchschnittliche Kaltmiete in der Hansestadt nur bei erschwinglichen 8,71 Euro pro Quadratmeter, hieß es. „Kein Grund zur Panik“, so die Botschaft der Wohnungsverbände.
Allerdings räumten sie auch ein, dass die Lage zunehmend ernster werde. Steigende Zinsen und Baukosten, kaum noch Grundstücke und dazu die politischen Unsicherheiten, etwa über das neue Heizungsgesetz und energetische Sanierungen – angesichts dieser Rahmenbedingungen würden kaum noch Neubauprojekte geplant. Was bedeutet: „Wohnen in Hamburg wird teurer“, so der Chef des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), Andreas Breitner.
Zahl der Bauanträge liegt bis Mitte Juni um 27 Prozent hinter dem Vorjahr
Was bislang wie eine düstere Prognose klingt, schlägt sich nun auch schwarz auf weiß in den Antworten des Senats auf eine schriftliche Kleine Anfrage der CDU-Fraktion nieder: Waren im vergangenen Jahr noch 5440 Bauanträge in Hamburg gestellt worden, lagen bis zum 13. Juni dieses Jahres nur 1779 Anträge vor.
Unter der Prämisse, dass diese Anträge gleichmäßig verteilt über das Jahr eingehen, hätten es theoretisch rund 2450 sein müssen – das wäre ein Rückgang um 27 Prozent. Allerdings umfassen diese Zahlen sämtliche Bauanträge, also außer für Wohnraum auch die für Gewerbebauten.
Die Entwicklung in den sieben Bezirken ist dabei sehr unterschiedlich: So ist Eimsbüttel mit bislang 279 Bauanträgen auf einem guten Weg, seine Marke aus dem Vorjahr (628) zu erreichen. Wandsbek, mit 440.000 Einwohnern Hamburgs größter Bezirk, liegt hingegen rund 35 Prozent unter dem Vorjahr: Damals waren 1324 Bauanträge eingegangen, jetzt waren es bis Mitte Juni nur 389.
Auch Bauvoranfragen und Genehmigungen für Wohnungsbau sind stark rückläufig
Ähnlich dramatisch ist die Entwicklung bei den Bauvoranfragen: 1279 solcher Vorgänge, bei denen sich potenzielle Investoren über die Möglichkeiten für ein Bauprojekt informieren, hatte es im vergangenen Jahr gegeben. In diesem Jahr waren es bis Mitte Juni hingegen nur 396 – ein Rückgang um gut 30 Prozent.
Auch hier gibt es erheblich Unterschiede zwischen den Bezirken: Während Eimsbüttel mit 68 Bauvoranfragen einigermaßen auf Vorjahreskurs ist (154), hinkt Bergedorf dem meilenweit hinterher: Gab es im Südosten der Stadt im Vorjahr noch 115 Anfragen für Bauprojekte, waren es bis Mitte Juni gerade mal 21.
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Alle diese Zahlen bestätigen den unerfreulichen Trend, über den der Senat selbst schon berichtet hatte: Im ersten Quartal dieses Jahres sind nur noch gut 1300 Wohnungen genehmigt worden – die Zielmarke 10.000 dürfte in diesem Jahr daher weit verfehlt werden.
Trotz weniger Bauanträge: Bearbeitungszeit in den Bezirken nimmt weiter zu
Wie aus der CDU-Anfrage hervorgeht, steht dahinter noch ein weiteres Problem: Die Bearbeitung der Bauanträge dauert immer länger. Wurden diese 2022 für Projekte im sogenannten vereinfachten Genehmigungsverfahren in durchschnittlich 4,66 Monaten bearbeitet (gemessen ab Einreichung der Anträge), waren es bis Mitte Juni im Schnitt schon 5,46 Monate.
Bei komplexeren Verfahren stieg die Bearbeitungszeit von durchschnittlich 7,24 auf 9,06 Monate. Misst man die Bearbeitungszeit ab dem Zeitpunkt, wo alle Unterlagen vollständig sind, stieg sie im vereinfachten Verfahren von 2,38 auf 2,78 Monate und in komplizierteren Verfahren von 3,51 auf 4,15 Monate.
Den Grund liefert der Senat auch gleich mit: Von 223 Vollzeitstellen in den Bauprüfabteilungen der Bezirke sind derzeit 50 nicht besetzt. Obwohl der Senat dem Wohnungsbau so eine hohe Priorität einräumt, nimmt diese Vakanz sogar noch zu: Ende 2022 waren erst 42 Stellen unbesetzt. Besonders groß ist der Personalmangel in Hamburg-Mitte (nur 32 von 46 Vollzeitstellen besetzt) und Eimsbüttel (24 von 34), während Harburg (18 von 21) und Altona (24 von 27) vergleichsweise gut dastehen.
CDU-Fraktionschef Dennis Thering: „ein unhaltbarer Zustand“
„Mittlerweile ist ein knappes Viertel aller Stellen unbesetzt – ein unhaltbarer Zustand“, sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering und kritisierte die auffallende Diskrepanz: „Die Zahl der Bauanträge ist gegenüber dem Vorjahr erheblich eingebrochen, gleichzeitig brauchen die Bezirksämter immer länger, um Genehmigungen zu erteilen.“
Mit Blick auf frühere Anfragen seiner Fraktion seien die Zahlen zu den Verfahrensdauern „alarmierend“, so Thering. „So hat sich die durchschnittliche Wartezeit für Bauanträge im Vereinfachten Verfahren in den letzten zwei Jahren um 45 Prozent erhöht. Der Bau von dringend benötigten Wohnungen, aber auch die Ansiedlung von Gewerbe wird so unnötig verzögert.“ Statt Gipfeltreffen empfiehlt der Oppositionsführer: „Hier hilft nur Prozessoptimierung und mehr Personal.“
Wohnungsbau Hamburg: Senat will Bearbeitungszeiten „kontinuierlich verkürzen“
Anke Frieling, Stadtentwicklungsexpertin der CDU-Fraktion, ergänzte: „Besorgniserregend ist auch die drastisch gesunkene Zahl der Bauvoranfragen – ein weiteres Zeichen für die große Zurückhaltung der Wohnungswirtschaft, neue Projekte anzugehen.
Alle Akteure warten aufgrund der Ungewissheit der Rahmenbedingungen ab, die hohen Zinsen und Baukosten tun ihr Übriges.“ Gerade jetzt müssten die Bauprüfabteilungen „mal einen Zacken zulegen“, so Frieling, doch stattdessen stiegen die Genehmigungszeiten sogar.
Wie aus der Antwort auf die Anfrage hervorgeht, sieht man das im Rathaus im Prinzip ähnlich: „Der Senat ist bestrebt, die Bearbeitungsdauer von Genehmigungsverfahren weiterhin kontinuierlich zu verkürzen, insbesondere im Wohnungsbau“, heißt es dort. Dies werde „im Bündnis für das Wohnen“, also mit der Wohnungswirtschaft und den Bezirksämtern, auch „regelmäßig erörtert“. Vielleicht schon heute auf dem großen Bündnisgipfel.