Hamburg. 237.000 Verträge wurden analysiert und zeigen niedrigere Wohnkosten als der Mietenspiegel – auch im Zentrum. Der Grund verblüfft.
Wohnungsknappheit und steigende Mieten gelten vor allem in den Großstädten als eines der drängendsten Probleme unserer Zeit. Obwohl Hamburg wie kaum eine andere Metropole in Deutschland seit mehr als zehn Jahren mit massivem Wohnungsbau dagegen anhält, sind die Wohnkosten auch in der Hansestadt immer weiter gestiegen, wenn auch moderater als anderswo.
Umso überraschender ist das Ergebnis einer aufwendigen Studie im Auftrag von Verbänden der Wohnungswirtschaft: Demnach sind die Mieten in Hamburg nämlich niedriger als gedacht. Die reale monatliche Nettokaltmiete betrage in der Hansestadt derzeit im Durchschnitt 8,71 Euro pro Quadratmeter, hieß es bei der Vorstellung der Studie am Donnerstag. Damit liegt sie deutlich unter dem aktuellen Wert des Hamburger Mietenspiegels von 9,29 Euro pro Quadratmeter.
Immobilien: Mieten in Hamburg steigen langsamer als Verbraucherpreise
Zudem stiegen die Mieten seit einigen Jahren langsamer als die Verbraucherpreise, so die Autoren, die 237.000 bestehende Mietverträge (jeder dritte in Hamburg) ausgewertet haben. Seit 2019 seien die Mieten im Schnitt um 1,99 Prozent pro Jahr gestiegen – die jährliche Teuerungsrate lag im vergleichbaren Zeitraum hingegen bei rund 4,1 Prozent.
„Die privaten Vermieterinnen und Vermieter wissen sehr genau, dass man die Mieten nicht beliebig steigern kann“, sagte Torsten Flomm, Vorsitzender des Grundeigentümer-Verbands Hamburg. Auch für Carl-Christian Franzen, Vorstand des Immobilienverbands Deutschland, hat die Studie „bewiesen, dass Hamburg einen stabilen und funktionierenden Mietmarkt hat“.
VNW-Chef Breitner: Probleme haben die, die in Hamburg eine Wohnung suchen
Das sieht auch Sönke Struck vom Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen so: „Wohnen in Hamburg ist weiterhin erschwinglich. Mehr als zwei Drittel der Mieten liegen im Bereich zwischen 6,90 und 10,52 Euro pro Quadratmeter.“ Er schränkte allerdings ein: „Im Neubau können wir dieses Preisniveau nicht mehr anbieten. Das liegt an den steigenden Bau- und Finanzierungskosten sowie den immer höheren Auflagen. Hier muss sich dringend etwas ändern.“
Auch Andreas Breitner, Chef des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen, warnte angesichts steigender Baukosten und Zinsen sowie den von der Politik geforderten Milliardeninvestitionen in die energetische Sanierung: „Wohnen in Hamburg wird teurer.“ Grundeigentümerverbands-Chef Flomm schlug in die gleiche Kerbe: „Die energetische Sanierung wird langfristig zu steigenden Mieten führen.“
Mietenspiegel bezieht Sozialwohnungen und unveränderte Mietverträge nicht mit ein
Dennoch zeige die Studie, dass es „keinen Grund zur Panik“ gebe, sagte Breitner: „Menschen, die – teilweise schon seit vielen Jahren – in einer Mietwohnung leben, profitieren oftmals von günstigen Mieten. Probleme haben jene, die umziehen oder nach Hamburg ziehen wollen und eine Wohnung suchen“. Neuvertragsmieten liegen laut der Studie im Schnitt bei 8,94 Euro pro Quadratmeter und damit rund neun Prozent über den Bestandsmieten. Auf Immobilienportalen würden sie hingegen für durchschnittlich 13,91 Euro angeboten.
So hoch sind die Mieten in den Stadtteilen:
Der Unterschied zwischen der vom Center for Real Estate Studies (CRES) erarbeiteten Studie und dem Mietenspiegel ergibt sich aus der unterschiedlichen Erhebung. Während die Wohnungswirtschaft Hunderttausende bestehende Mietverträge analysiert hat, bildet der Mietenspiegel nur Wohnungen ohne Preisbindung ab, deren Miete sich in den vergangenen sechs Jahren verändert hat oder neu vereinbart wurde – hier haben also die vergleichsweise teuren Neubauwohnungen ein größeres Gewicht.
Mieterverein kritisiert Studie als „Beruhigungspille der Wohnungswirtschaft“
Günstige Sozialwohnungen sowie Bestandsverträge ohne Mietpreisänderung sind im Mietenspiegel hingegen nicht berücksichtigt. Da die für Studie erhobene Datenmenge zudem mehr als 20-mal so hoch sei wie beim Mietenspiegel, sei diese „deutlich umfassender und aussagekräftiger“ als der Mietenspiegel oder Vermietungsportale, loben die Verbände ihre Auftragsarbeit.
Von einer „Beruhigungspille der Wohnungswirtschaft“ sprach hingegen Rolf Bosse, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. Es sei „wohl kein Zufall“, dass die Veröffentlichung im Vorfeld des Wohngipfels der Stadtentwicklungsbehörde am kommenden Montag erfolge, zu dem auch Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) erwartet wird. „Wenn die Lage nicht so dramatisch ist, braucht es auch keine Anstrengungen, sie zu verbessern“, unkte Bosse. „Dabei zeigt allein die Verlängerung der Mietpreisbremsen- und Kappungsgrenzenverordnung, wie angespannt der Wohnungsmarkt ist.“
Heike Sudmann (Linke) warnt: Es fehlen Hunderttausende Sozialwohnungen
Schon 2019 hätten die Verbände auf Basis der letzten CRES-Studie argumentiert, dass wohnungspolitische Maßnahmen zur Dämpfung der Mieten nicht erforderlich seien. Seitdem sei der Mietenspiegel von 8,44 Euro auf durchschnittlich 9,29 Euro pro Quadratmeter geklettert, die Neuvertragsmieten lägen laut der Studie des Gymnasiums Ohmoor im Durchschnitt bei 14,75 Euro pro Quadratmeter und mehr als 12.000 vordringlich wohnungssuchende Haushalte seien unversorgt.
„Vor diesem Hintergrund brauchen wir dringend wohnungspolitische Maßnahmen und die Unterstützung der Immobilieneigentümer, um die Klimaziele umzusetzen, bezahlbare Bestandsmieten zu sichern und gleichzeitig den dringend benötigten neuen Wohnraum zu schaffen“, sagte Bosse.
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Auch für Heike Sudmann, wohnungspolitische Sprecherin der Links-Fraktion in der Bürgerschaft, ist die Studie kein Grund zur Entwarnung: „Gebetsmühlenartig versucht die Hamburger Wohnungswirtschaft den Mietern und Mieterinnen einzureden, es sei alles gar nicht so schlimm.“ Dabei reiche ein Blick auf die nackten Zahlen: „Knapp 400.000 Haushalte in Hamburg könnten eine Sozialwohnung mit einer Nettokaltmiete von sieben Euro pro Quadratmeter beanspruchen“, so Sudmann. „Es gibt aber nur 80.000 davon, auch mit den günstigen Genossenschafts- und SAGA-Wohnungen bleibt eine Lücke von über 100.000 Wohnungen.“
Senatorin Pein: Niedrige Mieten sind „Erfolg für Hamburgs Wohnungsbaupolitik“
Karen Pein (SPD), Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, nahm die Studie hingegen erfreut zur Kenntnis: „Eine Durchschnittsmiete von 8,71 Euro pro Quadratmeter im Bestand ist ein Erfolg für Hamburgs Wohnungsbaupolitik.“ Sie verwies darauf, dass durch „die gemeinsame Kraftanstrengung von Bauwirtschaft, Investorenschaft, Politik und Verwaltung“ in Hamburg seit 2011 mehr als 90.000 neue Wohnungen fertiggestellt worden seien.
„Das war nur im Bündnis möglich“, so Pein. „Das Wohnungsangebot in Hamburg wurde erweitert und der Druck auf den Mietenanstieg verringert. Dass über zwei Drittel der Mieten im Bereich zwischen 6,90 und 10,52 Euro pro Quadratmeter liegen, bedeutet, dass die Mieten im Wohnungsbestand in Hamburg grundsätzlich moderat sind. Das ist eine gute Ausgangssituation, um auch die neuen, erschwerten Rahmenbedingungen gemeinsam zu meistern.“