Hamburg. Wer ist der Mann, der Hamburger Bürgermeister werden möchte? Eine Spurensuche, die in einem Gewerbegebiet beginnt.
Über die Hamburger CDU gibt es die verbreitete Annahme, ihr Herz schlage im altehrwürdigen Ludwig-Erhard-Haus am noblen Leinpfad. Doch weit gefehlt. Spätestens seit Montag schlägt es in Wahrheit in einem Gewerbegebiet in Hummelsbüttel.
Dort, in einem unscheinbaren Zweckbau zwischen Lagerhallen und Autowerkstätten, wohnt nämlich der Ortsvorsitzende der CDU Alstertal – das ist einer der einflussreichsten Ortsvereine der Union in Hamburg.
Auch der Chef des CDU-Kreisverbands Wandsbek, der größte seiner Art in Hamburg, hat dort sein Zuhause – ebenso wie der Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Und praktischerweise residiert nun auch noch der Landesvorsitzende der Partei unter diesem Dach.
Dennis Thering will CDU bis 2025 in Hamburg konkurrenzfähig machen
Wird die CDU also von einer Kommune geführt? Die Antwort ist schlichter: Hier wohnt Dennis Thering, der alle vier Ämter auf sich vereint und damit über eine Machtfülle verfügt wie kaum ein Hamburger Christdemokrat vor ihm.
Und der damit auch nicht kleckern will, sondern klotzen: Bürgermeister werden – das ist sein Traum für die Bürgerschaftswahl 2025, auch wenn er sich da verbal noch etwas bedeckt hält.
Mindestens aber will der am Montag mit fast 95 Prozent Zustimmung gewählte neue Landesvorsitzende seine mächtig zerfledderte CDU wieder in die Nähe von SPD und Grünen führen und sie in die Lage versetzen, an der Regierungsbildung mitzuwirken. Das wäre ja schon mal etwas nach vielen Jahren des Absturzes von einst 47,2 auf zuletzt nur noch 11,2 Prozent.
Dennis Thering blieb am Stammsitz der Familie wohnen
Die Frage ist also: Wer ist dieser Dennis Thering, der Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) herausfordert? Wo kommt er her? Was treibt ihn an? Und warum wohnt er in einem Gewerbegebiet?
Es war Therings Großvater Werner, der an diesem Standort in den 70er-Jahren eine Firma für Schornsteintechnik gegründet hatte – samt Wohnsitz für die Familie. Sohn Ulrich übernahm das Unternehmen später und blieb mit Frau und zwei Söhnen dort wohnen. Da weder Dennis noch sein kleiner Bruder die Firma weiterführen wollten, wurde sie vor einigen Jahren verkauft, Thering senior und seine Frau zogen einen Stadtteil weiter.
Bodenständiger Familienmensch – so sieht sich Thering gern
Doch Dennis blieb dort, am Stammsitz der Familie. Bis heute lebt er mit seiner Frau Sandra und der achtjährigen Tochter auf dem ehemaligen Firmengelände. Auf dem Hof spielte er früher Fußball. Viel Pflaster, wenig Grün, wie das so ist.
Das erklärt einiges, mögen manche Grüne denken, die sich noch lebhaft an die Jahre erinnern, in denen Thering in der Bürgerschaft als verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion gegen die Radverkehrspolitik des Senats gewettert hatte. Umgekehrt gilt aber auch: Wenn Thering bis heute beklagt, dass Handwerker nicht mit Lastenfahrrädern durch die Stadt fahren können und gefälligst Parkplätze brauchen, weiß er halt, wovon er spricht.
Ohnehin ist dieser 39-Jährige nicht leicht in eine Schublade einzusortieren. Aus seinem Wohnort auf eine fehlende Nähe zur Natur zu schließen wäre zum Beispiel völlig falsch. Das Gegenteil ist richtig. Thering hat sich neben seinem Elternhaus einen Kindheitstraum erfüllt: einen Mini-Zoo.
Bereits als Junge habe er es geliebt, Hagenbecks Tierpark zu besuchen, er habe seinen Vater damit regelrecht genervt, erzählt er. Jetzt lebt die Familie in enger Gesellschaft mit schätzungsweise 50 Tieren. Tendenz steigend. Die meisten davon sind Fische, drinnen im Aquarium und draußen in einem kleinen Teich.
Im großen Käfig unter einer Tanne scharren aber auch fünf Hühner nach Körnern, unweit davon leben in einem Stall vier Meerschweinchen und zwei Zwergkaninchen. Demnächst ziehen zwei griechische Landschildkröten in das Hummelsbütteler Gehege. Seine Tochter habe es sich so gewünscht, sagt Thering. Sein treuester Begleiter ist Baghee, ein neun Jahre alter Rhodesian Ridgeback. Schwanzwedelnd hat das stattliche Tier gerade eine Osterhasenfigur vom TV-Regal geschleudert. Die Ohren sind dabei kaputtgegangen. Thering nimmt’s gelassen und bittet zum Gespräch an den Esstisch.
Erste Frage: Was treibt Sie an, Herr Thering? „Ich möchte unsere Stadt voranbringen“, sagt er. „Hamburg ist meine Heimat.“ Hier sei er geboren, aufgewachsen, getauft und konfirmiert worden, zählt der CDU-Chef auf – und erlaubt sich den Hinweis, dass das bei Peter Tschentscher (stammt aus Bremen) und Katharina Fegebank (Bargteheide) ja nicht so sei.
Thering lernte seine Frau in einer Eisdiele kennen
Das Bild vom durch und durch bodenständigen Hamburger Jung pflegt er. Auch daher zeigt er Journalisten sein Zuhause. Seht her, ich habe nichts zu verbergen. Es ist nicht so, dass jemand etwas anderes über ihn behauptet hätte. Aber man weiß ja nie. Zur Erinnerung: Der damalige CDU-Bürgermeister Christoph Ahlhaus wurde 2011 auch deswegen mit Pauken und Trompeten abgewählt, weil die Hamburger es gar nicht schätzten, wie er sich mit seiner Frau in einer Klatschzeitschrift inszenieren ließ und dass seine großzügige Villa in den Elbvororten für mehr als eine Million Euro auf Kosten der Steuerzahler gesichert werden musste.
Thering erwähnt die Geschichte gar nicht, aber die Botschaft kommt auch so rüber: So einen Fehler will er nicht machen. Er lässt sich lieber mit dem Hund auf dem Sofa fotografieren als mit der Gattin im Vier Jahreszeiten.
Natürlich hat er auch seine Frau hier in der Gegend kennengelernt – in einer Eisdiele in Wellingsbüttel. Sie kellnerte, er war Gast und schon damals Bürgerschaftsabgeordneter. Sie kannte ihn von den Plakaten auf der Straße. 2014 wurde geheiratet.
Therings Ehe funktioniert nach dem klassischen Rollenmodell
Längst ist sie auch CDU-Mitglied und unterstützt die politische Karriere ihres Mannes, verteilt Flyer und hält ihm zu Hause den Rücken frei. Eine klassische, man könnte auch sagen: konservative Rollenverteilung. Aber anders würde die Ehe wohl auch kaum funktionieren. Einer muss ja die Hasen füttern.
Dass das neue Amt noch weiteren Verzicht auf Privatleben mit sich bringt, erwartet Thering nicht: „Viel mehr Verzicht geht eigentlich nicht“, sagt er. „Ich bringe morgens meine Tochter zur Schule, fahre ins Büro und bin abends selten vor 21 oder 22 Uhr zurück.“ Daher sei ihm diese „Quality-Time“, wie er sagt, so wichtig und zählt auf: „Das gemeinsame Frühstück, der Familienurlaub auf dem Bauernhof oder halt das gemeinsame Abendessen mit meiner Frau.“ Und sei es um 22 Uhr.
Und wie steht ein Christdemokrat zum Glauben? „Der christliche Glaube ist mir wichtig, ich bin ein gläubiger Mensch, auch wenn ich nicht regelmäßig in die Kirche gehe“, sagt Thering. Fest verankert sei er in der evangelischen Christopherus-Gemeinde Hummelsbüttel – wie übrigens in gefühlt jedem Verein im Alstertal. Das Osterfest wird traditionell in der Familie gefeiert, diesmal mit zahlreichen Verwandten in Nordrhein-Westfalen.
Als Fußballer wäre Thering fast HSV-Profi geworden
Dass zum Leben auch Rückschläge gehören, musste Thering schon früh erfahren. Als Jugendlicher hatte der passionierte Fußballer nur einen Traum: Profi zu werden. Der talentierte Torhüter spielte in der B- und in der A-Jugend für den HSV, unter anderem zusammen mit dem späteren Profi Alexander Laas. Doch nachdem sich Thering eine schwere Knieverletzung zugezogen hatte, waren die Karriereträume schnell ausgeträumt.
An das kurze Gespräch im Büro von Michael Schröder, dem Schwiegersohn von Uwe Seeler, der noch immer als Scout beim HSV arbeitet, erinnert sich Thering bis heute mit Grauen zurück. Kurz und schmerzlos sagte Schröder ihm und seinem Vater, einem früheren Jugendnationalspieler, dass es mit dem zuvor in Aussicht gestellten Profivertrag nichts mehr werde.
Thering setzte seine Karriere daraufhin in anderen Vereinen fort. Noch immer liegt sein gültiger Spielerpass beim Duvenstedter SV. Trotz der knallharten Schröder-Abfuhr ist Thering, der mit vier Jahren erstmals mit seinem Vater im Volksparkstadion war, bis heute HSV-Fan.
Thering bekommt in der CDU schnell erste Ämter
Kleiner Sprung zurück: Mit dem festen Vorsatz, Fußballer zu werden und nicht Politiker, geht Thering im Bürgerschaftswahlkampf 2001 zu einer Podiumsdiskussion an seinem Wirtschaftsgymnasium in der City Nord. Da sitzen umstrittene Persönlichkeiten wie Ronald Schill und der spätere CDU-Justizsenator Roger Kusch. Beide findet der Jugendliche merkwürdig, aber die Debatte fasziniert ihn: Es geht um die innere Sicherheit und die offene Drogenszene am Hauptbahnhof.
Da kommt er damals häufig vorbei und fühlt sich immer unwohl. Noch am Abend beschließt Thering, sich zu engagieren – und füllt online einen CDU-Mitgliedsantrag aus. Lange nachdenken muss er nicht: „Meine Eltern haben schon CDU gewählt“, erzählt er. „Das hat mich geprägt.“
Thering ist von Anfang mit Feuereifer dabei und bekommt schnell erste Ämter. 2004 wird er Mitglied des Ortsausschusses Alstertal und dort gleich stellvertretender Fraktionsvorsitzender. 2008 erklimmt er die nächste Stufe und wird Mitglied der Bezirksversammlung Wandsbek. 2010 übernimmt er den Vorsitz der strategisch wichtigen CDU Alstertal.
Mit dieser Machtbasis im Rücken zieht Thering 2011 mit 27 Jahren erstmals in die Bürgerschaft ein und wird zudem Mitglied im Landesvorstand der Partei. 2015 steigt er zum Vize-Fraktionschef auf. Spätestens, als er 2018 auch den CDU-Kreisvorsitz in Wandsbek übernimmt, ist klar: Gegen Thering und seine großen Truppen geht in der Hamburger CDU nichts mehr.
Alle seine Posten übernimmt er übrigens direkt oder über Umwege von Frank Schira – der sich vor rund 15 Jahren ebenfalls vom Ortsvorsitzenden in Alstertal über den Kreisvorsitz in Wandsbek bis hin zu Fraktions- und Landesvorsitz hochgearbeitet hatte, bevor er nach der Wahlschlappe 2011 gnadenlos abserviert wurde.
Machtpolitik lernt Thering bei Warnholz
Stark protegiert wird Thering dabei von CDU-Urgestein Karl-Heinz Warnholz, der neue Gesprächspartner gern mit dem Hinweis empfängt, dass er in Rahlstedt ja den größten Ortsverband innerhalb der CDU Hamburg leite. Zwei Strippenzieher vor dem Herrn, bei denen Thering Machtpolitik von der Pike auf lernt.
Trotzdem betont er: „Ich bin nicht mit dem Ziel, Bürgermeister zu werden, in die Politik gegangen. Mir war immer die regionale Verwurzelung im Alstertal wichtig.“
Doch als er stellvertretender Fraktionsvorsitzender in der Bürgerschaft wurde, habe er sich natürlich gefragt: „Würde ich auch den Vorsitz übernehmen? Und dann gegebenenfalls die Spitzenkandidatur? Denn für mich war immer klar, dass ein Fraktionschef sich das zutrauen muss.“
Nach der Wahlschlappe 2020 teilen Ploß und Thering die Macht neu auf
Schneller als erwartet kommt er in die Situation. Vor der Wahl 2020 verzichtet der Fraktionschef André Trepoll auf die Spitzenkandidatur, die die CDU eigentlich Aygül Özkan anbieten will. Doch die frühere niedersächsische Sozialministerin muss aus gesundheitlichen Gründen passen, sodass es letztlich der Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg macht, dessen liberales Profil aber nicht mit dem neuen konservativen Kurs harmoniert.
Das muss schiefgehen – und geht schief. Nach den deprimierenden 11,2 Prozent bleibt bei der CDU mal wieder kein Stein auf dem anderen: Weinberg wird ganz ausgebootet, Thering beerbt Trepoll als Fraktionschef, und der Parteivorsitz geht von Roland Heintze an Christoph Ploß, der zuvor schon zum Bundestagsabgeordneten und CDU-Kreisvorsitzenden in Hamburg-Nord aufgestiegen war.
Ploß und Thering. Die zwei Mittdreißiger, die sich gut kennen, sind nun die neue Hoffnung der Hamburger Christdemokraten und verkaufen sich als Führungsduo, zwischen das kein Blatt Papier passt. Und doch sind es recht unterschiedliche politische Charaktere. Hier der Parteichef und Bundespolitiker Ploß, der immer wieder Debatten anstößt, mit Anti-Gender-Sprüchen bundesweit sein konservatives Profil pflegt und schon mal als Haudrauf zum politischen Aschermittwoch nach Sachsen-Anhalt eingeladen wird.
Doppelspitze Ploß/Thering überzeugt nicht alle in der CDU restlos
Dort der selbst ernannte „Kümmerer“ Thering, der unermüdlich durch Stadtteile, Verbände und Institutionen tingelt und dabei zwar auch seinen „bürgerlich-konservativen Kern“ zeigt, wie er selbst sagt, gleichzeitig aber auch liberalere Positionen vertritt, etwa in der Sozialpolitik. So hospitiert er nicht nur bei Airbus, sondern auch eine Nacht im Kältebus der Obdachlosenhilfe und im Tierheim Süderstraße.
Die Aufgaben sind dabei klar verteilt: Ploß hält die Partei zusammen, saniert deren Finanzen, initiiert ein neues Grundsatzprogramm und hat darüber hinaus seine „Spielwiese“ in Berlin. Oppositionsführer Thering beackert die Hamburger Tagespolitik und versucht sich als Herausforderer des Bürgermeisters zu profilieren. Schnell macht er intern wie extern klar, dass er am Ende auch die Spitzenkandidatur übernehmen will. Ploß unterstützt ihn dabei.
Doch nicht alle in der Partei sind von dieser Aufstellung restlos überzeugt. Nach dem ersten Jahr im Amt bescheinigen dem Fraktionschef zwar viele CDU-Mitglieder Fleiß und Beharrlichkeit und dass er den Senat an den richtigen Stellen attackiere.
Was Kritiker bei Thering vermissen
Einige vermissen aber Strahlkraft und inhaltlichen Input des Möchtegern-Spitzenkandidaten. Am drastischsten drückt es der Parteienforscher Elmar Wiesendahl aus: „Der Plan von Fraktionschef Dennis Thering, die Partei in die Wahl zu führen, ist ein Abonnement auf Niederlage“, sagt er dem Abendblatt im Sommer 2022 und empfiehlt, lieber auf einen prominenten Seiteneinsteiger zu setzen.
Der Spitzenkandidat in spe ist natürlich not amused, ebenso wie über Spekulationen, ob nicht der Bürgerschaftsabgeordnete Götz Wiese, ein Jura-Professor aus Winterhude, der bessere Kandidat wäre. Doch Thering macht unbeirrt weiter, ermuntert von einer Onlineumfrage, wonach die CDU wieder auf 20 Prozent kommen könnte und nicht weit hinter SPD und Grünen liegen würde.
Die Außendarstellung der Fraktion wird nun noch stärker auf ihn zugeschnitten, und die Attacken des Oppositionsführers gelten fast nur noch einer Person: dem Bürgermeister. Dabei schreckt Thering manchmal auch vor unsauberen Mitteln nicht zurück. Als Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) im Herbst aus dem Amt scheidet und von der SPD-Landesvorsitzenden und bisherigen Sozialsenatorin Melanie Leonhard ersetzt wird, sagt Thering ihr eine schwere Zeit voraus: Bürgermeister Tschentscher werde „im Zweifel Seit’ an Seit’ mit dem grünen Umweltsenator Jens Kerstan und gegen die künftige neue Wirtschaftssenatorin“ stehen, behauptet er allen Ernstes in der Bürgerschaft – obwohl Tschentscher und Kerstan bekanntlich die größten Antipoden im Senat sind.
Das finden selbst einige CDU-Abgeordnete hanebüchen, von Rot-Grün gibt es ohnehin nur Hohn und Gelächter. Wobei auch festzuhalten ist: Die gebetsmühlenartigen Vorwürfe aus dem Regierungslager, was die CDU 2011 alles an Trümmern hinterlassen habe, sind auch oft genug polemisch und unfair.
Thering ist schon klar, dass er als Oppositionsführer manchmal überzieht oder ungerecht ist. Aber er versuche, ein Motto zu beherzigen: „Hart in der Sache, aber nie verletzend.“ Wer austeile, müsse auch einstecken können. „Beides kann ich.“
CDU-Mitglieder begrüßen den Wechsel: Thering muss seine Chance jetzt nutzen
Das muss zuletzt auch Christoph Ploß erfahren, der seinem Partner in Hamburg immer wieder in die Quere kommt. Als etwa der Parteichef den Weg dafür ebnet, dass der Ex-AfD-Landesvorsitzende Jörn Kruse in die CDU eintreten kann, macht Thering klar, dass für ehemalige Größen der Rechtsausleger aus seiner Sicht kein Platz in der Union sei, und setzt ein neues Aufnahmeprozedere durch.
Oder als die Vertreterin der Anti-Gender-Volksinitiative – ein Lieblingsthema von Ploß – mit homophoben Äußerungen auffällt, präzisiert Thering: Die CDU unterstützte zwar die Initiative, distanziere sich aber von diesen Statements. Nur am Rande: Ohne diese Klarstellungen hätte sich jegliche Träumerei der Union über ein Bündnis mit den Grünen nach 2025 wohl erübrigt.
So reift bei vielen Christdemokraten der Gedanke, ob in diesem Führungsduo nicht einer zu viel ist. Es spricht für die Professionalität von Ploß und Thering, die immer wieder betonen, dass sie nicht nur politisch befreundet seien, dass sie auch diese Rochade nahezu geräuschlos einfädeln und über die Bühne bringen. „Ich hätte nicht gegen Christoph Ploß kandidiert“, stellt Thering klar.
Thering vergleicht Politik- mit Torwartrolle
Stattdessen sei es so gewesen: „Christoph Ploß hatte schon vor mehr als einem Jahr zu mir gesagt: Wenn wir es für besser halten, Partei- und Fraktionsvorsitz in eine Hand zu legen, dann machen wir es so“, berichtet Thering. „Und wir waren uns darin einig, dass jetzt der richtige Zeitpunkt dafür ist.“
Die 95 Prozent Zustimmung, die er am Montagabend in der Handwerkskammer von den Delegierten erhielt, sind mehr als eine Andeutung, dass das in der Partei genauso gesehen wird. Und so findet man kaum Mitglieder, die diesen Wechsel nicht begrüßen.
Dennis Thering habe sich diese Chance verdient, müsse sie nun aber auch nutzen, lautet eine verbreitete Einschätzung. Ob er auch das Format zum Bürgermeister habe? Da werden die Antworten etwas differenzierter, aber viele Christdemokraten meinen, dass es darauf jetzt gar nicht ankomme. Ole von Beust oder Daniel Günther habe die Öffentlichkeit zu Oppositionszeiten auch nicht viel zugetraut – dennoch seien sie, einmal im Amt, beliebte Regierungschefs geworden.
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Und wie schätzt der neue CDU-Alleinherrscher die Lage selbst ein? „Wenn Fraktions- und Landesvorsitz in einer Hand sind, steht man allein in der ersten Reihe und ist verantwortlich für das Ergebnis. Aber Angst, meine Ämter zu verlieren, wäre ein schlechter Ratgeber“, sagt Thering am Ende des Gesprächs und zieht eine Parallele zu seinem früheren Berufswunsch: „Ich war Torwart. Da galt damals wie heute: Wenn der Torwart einen Fehler macht, fällt ein Gegentor, und er ist schuld. Diese Situation kenne ich also sehr gut.“ Als Druck habe er das nie empfunden.
Auf einem Bücherregal steht eine Biografie über den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz („Die Schulz-Story“). Es geht um Aufstieg und Fall eines Spitzenpolitikers. Möglicherweise lehrreicher Stoff. Andererseits: Dennis Thering will erst mal nur Bürgermeister werden.