Hamburg/München. Vor einer Razzia gegen die Letzte Generation sollen Beamte Telefone abgehört haben. Auch Gespräche mit Journalisten. War das legal?
Wurden die Aktivisten der Letzten Generation und damit auch Journalisten, die mit ihnen in Kontakt standen, systematisch von der Polizei abgehört? Ende Mai wurde auf Bestreben der Münchner Staatsanwaltschaft und dem Bayerischen Landeskriminalamt eine bundesweite Razzia gegen die durch ihre radikalen Proteste immer wieder Schlagzeilen machende Bewegung angeordnet.
Auch eine Kanzlei am Jungfernstieg und das Elternhaus der bundesweit bekannten Aktivistin Miriam Meyer im Kreis Segeberg wurden dabei durchsucht. Doch nach Recherchen der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) gingen die polizeilichen Maßnahmen gegen die Mitglieder der Letzten Generation noch weiter.
Letzte Generation: Gespräche mit Journalisten wurden systematisch abgehört
So soll laut internen Unterlagen, die der Zeitung vorliegen, bereits im Vorfeld der Razzia die Polizei monatelang die Aktivisten abgehört haben – und machten augenscheinlich auch bei Gesprächen mit Journalisten nicht Halt.
Denn vor allem soll ein Festnetzanschluss überwacht worden sein, der explizit als offizielle Presse-Hotline der Letzten Generation gekennzeichnet ist. Wann immer dort Journalisten anriefen, sollen seit Oktober 2022, von den Gesprächspartnern unbemerkt, auch Ermittler des bayerischen Landeskriminalamts mitgehört haben.
Letzte Generation: Ermittler hörten auch Presseanschlüsse ab
„Auf dem Anschluss gehen fast ausschließlich Anfragen von Medienvertretern, Studenten und Schülern ein, die um eine Presseauskunft oder ein Interview bitten“, heißt es in einem Vermerk der Polizisten von Dezember 2022, der der SZ vorliegt. Dennoch wurde die Überwachung fortgeführt.
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Ebenso wurden die Handy-Anschlüsse von namhaften Mitgliedern der Letzten Generation abgehört, wie das der Pressesprecherin der Organisation, Carla Hinrichs. Mit diesem steht sie durch ihre Position auch in regelmäßigem Austausch mit der Presse.
Letzte Generation: War Abhörung überhaupt in diesem Rahmen erlaubt
Es ist fragwürdig, dass das Abhören dieser Anschlüsse und speziell der Gespräche mit Pressevertretern vonseiten der Ermittler in diesem Rahmen überhaupt gesetzlich erlaubt war. Zwar ist das Abhören von Gesprächen mit Journalisten vom Gesetz nicht generell verboten. Doch muss es dafür triftige Gründe geben.
Bei jedem Einzelgespräch gilt es, Pressefreiheit gegen die Strafverfolgung abzuwägen. „Betrifft das Verfahren keine Straftat von erheblicher Bedeutung, ist in der Regel nicht von einem Überwiegen des Strafverfolgungsinteresses auszugehen“, heißt es in dem dazugehörigen Gesetzestext.
Letzte Generation: Pressefreiheit nur an zweiter Stelle bei den Ermittlungen?
Laut SZ sei das in den vom bayerischen Landeskriminalamt abgehörten Gesprächen zwischen Letzter Generation und Journalisten äußerst zweifelhaft. Jedenfalls zählen viele der Protestaktionen der Letzten Generation nicht als Straftat – anders als etwa eine Privatyacht mit Farbe zu besprühen.
Jedenfalls finden sich in den Gerichtsbeschlüssen aus München, die das Abhören der Letzten Generation erst erlaubten, laut SZ, mit keinem Wort etwas zu der Problematik im Umgang mit der Pressefreiheit.
Letzte Generation ist entsetzt wegen Abhöraktion
Die Klimabewegung Letzte Generation hat sich empört über eine mutmaßliche Abhöraktion bayerischer Ermittler gegen ihre Vertreter und Mitglieder gezeigt. Dass etwa auch private Telefongespräche mitgehört und protokolliert wurden, sei „verstörend“, erklärte die Sprecherin der Bewegung Carla Hinrichs am Sonnabend.
Die möglicherweise gleichfalls betroffene Aktivistin Imke Bludszuweit nannte es laut einer Erklärung „absurd und erschreckend, welche Geschütze hier aufgefahren werden, um friedlichen Protest zu unterdrücken“ (mit AFP)