Hamburg. Bundesweite Razzia gegen Letzte Generation – auch in Hamburg. Vorwürfe sind schwerwiegend. Spontane Demonstration in der City.
Auf Bestreben der Staatsanwaltschaft München sowie dem Bayerischen Landeskriminalamt ist es an diesem Mittwoch zu einer Razzia bei der Klimaschutzgruppe „Letzte Generation“ gekommen. Insgesamt 15 Objekte in sieben verschiedenen Bundesländern wurden durchsucht – darunter soll sich nach Abendblatt-Informationen auch eine Anwaltskanzlei am Neuen Jungfernstieg befinden sowie ein Objekt im Kreis Segeberg. Festnahmen gab es keine.
Auch die Website der Aktivisten ist von der Justiz vorerst abgeschaltet worden. Der Verdacht mehrerer Straftaten stehe im Raum, allerdings keine davon habe etwas mit der Blockade von Straßen durch die Gruppe zu tun.
Letzte Generation: Büro in Hamburg wird durchsucht
So wird insgesamt sieben Mitgliedern der Letzten Generation im Alter von 22 bis 38 Jahren die Bildung und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Sie sollen eine Spendenkampagne zur Finanzierung „weiterer Straftaten der Letzten Generation organisiert, diese über deren Homepage beworben und dadurch einen Betrag von mindestens 1,4 Millionen Euro an Spendengeldern gesammelt haben“, heißt es in einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft München.
Zwei der Beschuldigten werden zudem verdächtigt, im April 2022 versucht zu haben, die Ölipeline Triest-Ingolstadt zu beschädigen. Um für beide Vorwürfe Beweise sicherstellen zu können, durchsuchten am Mittwoch nun 170 Polizisten verschiedene Objekte, die mit der Aktivistengruppe in Verbindung stehen, so auch in Bad Segeberg, Berlin und München.
Die Hamburger CDU begrüßt die Durchsuchungen. Dazu erklärt Dennis Thering, Vorsitzender der CDU-Fraktion: „Es ist gut, dass endlich entschieden gegen die Klima-Kleber vorgegangen wird. Ich danke der Staatsanwaltschaft München, die diesen bundesweiten Vorstoß ins Rollen gebracht hat.“
Hamburger Linke zeigt sich nach Razzia bei Letzter Generation erschüttert
Die Hamburger Linke zeigt indes kein Verständnis für die Razzia. Cansu Özdemir, justizpolitische Sprecherin der Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, kritisiert: „Die Kriminalisierung der Letzten Generation stellt einen erheblichen Angriff auf das demokratische Gemeinwesen und die Versammlungsfreiheit dar.“
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Bereits im Mai hätten sich Vertreter der Linken und der Letzten Generation ausgetauscht. Diesen Austausch plane man fortzusetzen und fordert zugleich eine Entkriminalisierung der Gruppe.
Extinction Rebellion ruft zur Demonstration am Jungfernstieg auf
Extinction Rebellion und weitere Organisationen hatten für Mittwochabend spontan zu einer Demonstration am Jungfernstieg aufgerufen. Unter dem Motto „Klimaschutz ist kein Verbrechen – Solidarität mit der letzten Generation“ trafen sich Aktivisten ab 18.30 Uhr am Jungfernstieg nahe der Kanzlei, die an diesem Tag durchsucht worden war.
Christina B. aus Hamburg wird in der Mitteilung der Gruppe Extinction Rebellion aus Klimaaktivisten, die ebenfalls durch grenzüberschreitende Aktionen auf sich aufmerksam machten, so zitiert: „Es ist paradox, dass Menschen, die sich mit viel Engagement gewaltfrei einsetzen, kriminalisiert werden. Während gleichzeitig die fortgesetzte Zerstörung der Umwelt, das Brechen der Pariser Klimaziele, weiterhin geduldet werden, ja mit Polizeigewalt verteidigt werden. Obgleich das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, dass die Regierung verpflichtet ist, diese Ziele einzuhalten. Wer ist denn hier der Gesetzesbrecher?“
Dem Aufruf von Extinction Rebellion zur Demo am Jungfernstieg folgten gut hundert Personen, die meisten von ihnen gehörten Gruppen wie Parents for Future, Ende Gelände, Letzte Generation und Animal Extinction an. Birthe Krabbes von Extinction Rebellion in Hamburg: „Mit der Demonstration wollen wir unsere Solidarität mit den mutigen Aktivistinnen und Aktivisten zum Ausdruck bringen. Solche Menschen haben wir bitter nötig. Sie protestieren, damit wir auch in Zukunft ein Leben haben. Wir waren entsetzt, als wir heute morgen hörten, dass 25 schwerbewaffnete Polizisten die Wohnung einer Berliner Aktivistin gestürmt haben.“
Letzte Generation in Hamburg: Polizeigewerkschaft spricht von „Klebe-Touristen“
Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der der Deutschen Polizeigewerkschaft, begrüßt dagegen die Durchsuchungen. „Es muss klar gemacht werden, dass vor dem Gesetz jeder gleich ist. Das ist einer der wichtigsten Bausteine unserer Demokratie.“ Die Straße sei eben kein rechtsfreier Raum, in dem durch das Motiv bestimmt werde, was legal ist und was nicht. Jungfer: „Die Hamburger müssen sich nicht der Willkür einiger Leute ausgesetzt, die sich selbst über Recht und Gesetz stellen.“
In den vergangenen Monaten machte die Letzte Generation vor allem durch die Sperrung von zentralen Straßen in Hamburg auf sich aufmerksam. So blockierten Aktivisten Anfang April über Stunden die Köhlbrandbrücke. Dass in Hamburg lediglich eine Rechtsanwaltskanzlei durchsucht wurde, wundert Jungfer allerdings nicht. „Schon bei den Blockaden hat sich gezeigt, dass kaum Hamburger, sondern eher Klebe-Touristen daran beteiligt waren, die sich hier in Szene setzten.“
Letzte Generation nennt Polizei-Aktion „völlig bekloppt“
Seitens der „Letzten Generation“ sieht man das ganz anders. Dort findet man die Durchsuchungen „völlig bekloppt“. „Völlig bekloppt“ hatte zuvor Bundeskanzler Olaf Scholz die Aktionen der Gruppierung genannt. Nach Selbsteinschätzung der Sprecher der „Letzten Generation“ sei man nicht kriminell. Das wäre die „fehlende politische Führung in der Klimakrise“.
Die Razzia selbst hätte die Gruppierung verunsichert. Trotzdem will man weiter gegen die Bundesregierung „Widerstand leisten“. So soll es am Mittwoch nach Pfingsten in verschiedenen Städten Protestmärsche geben.