Hamburg. Klaus von Dohnanyi wird 95 Jahre alt. Was sich der Altbürgermeister zu seinem Geburtstag von der aktuellen Politik wünscht.
Klaus von Dohnanyi wünscht sich zu seinem 95. Geburtstag am heutigen Freitag, „dass es in der Politik wieder mehr Leute gibt, die erst mal einen anderen Beruf erfolgreich ausgeübt haben. Was ist das Fundament eines Landes? Oder einer Stadt? Ich fände es schön, wenn die Menschen das wüssten und nicht zu jung in die Politik kommen. Man braucht Erfahrung mit dem wirklichen Leben“, sagte der ehemalige Bundesbildungsminister und Hamburger Bürgermeister.
Klaus von Dohnanyi: „Die Ukraine nicht nur mit Waffen unterstützen“
Mit seiner Partei, der SPD, geht er zum Teil hart ins Gericht, vor allem wenn es um ihre Position in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und den Umgang mit Altkanzler Gerhard Schröder geht. Zum Krieg sagt von Dohnanyi: „Die SPD hat zwei Hauptwurzeln: Sozialpolitik und Friedenspolitik sind ihre DNA. Was ich sehr bedauerlich finde, ist, dass man aus der SPD in Berlin im Moment gar nichts dazu hört, wie wir uns eigentlich das Ende des Ukraine-Krieges und dann einen Frieden vorstellen. Man könnte doch wenigstens eine Kommission einrichten, die sich dazu schon mal Gedanken macht“, so der Altbürgermeister.
„Ich hätte gern, dass wir die Ukraine nicht nur mit Waffen unterstützen, sondern auch bei jeder neuen Lieferung darüber nachdenken, wie wir dort zugleich zum Frieden beitragen könnten. Dass das fehlt, stört mich sehr. Man muss doch auch an die Zukunft denken, und in der bleibt Russland ein naher, mächtiger Nachbar, mit dem wir leben müssen. Deshalb ist es wichtig, immer wieder zu versuchen, einen Weg zu finden, uns mit diesem Russland auch zu verständigen. Dafür muss Deutschlands Diplomatie eine erfolgreichere Rolle spielen.“
Klaus von Dohnanyi: SPD habe „manchmal auch eine kleinkarierte Seite“
Und zum Verhältnis der SPD zu Schröder: „Die SPD ist eine wundervolle Partei, aber sie hat manchmal auch eine kleinkarierte Seite. Ich fand es unwürdig, dass Gerhard Schröder bei der Feier des 160. SPD-Geburtstages nicht dabei war, er war schließlich doch ein bedeutender SPD-Kanzler. Die Agenda 2010 war eine große und mutige Sozialreform, von der Deutschland bis heute profitiert.“
Von Dohnanyi bedauert, „dass wir Schröders Kontakte zu Wladimir Putin nicht nutzen können, jetzt, wo wir sie so dringend bräuchten“, und er findet auch klare Worte in Richtung des ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck, der den SPD-Politiker in seinem Buch für dessen Aussagen zur Ukraine und zu Russland kritisiert hatte: „Bundespräsident Gauck ist ein netter und entgegenkommender Mensch, ein Mann voller guter Absichten. Aber er hat in seinem Buch historische Fehler gemacht, die ich mir selber nicht verzeihen würde.“
Klaus von Dohnanyi: „Die Letzte Generation hat recht“
Etwas überraschend springt von Dohnanyi auch den Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ zur Seite, wenn er dieses sagt: „Die ‚Letzte Generation‘ hat in der Sache recht: Klimaschutz und die Folgen des Klimawandels sind die größten Aufgaben, vor denen die Menschheit steht. Aber Beschmutzen, Ankleben, Rechtsbrüche sind darauf keine zulässige Antwort. Doch während Berlin vor extremer Wasserknappheit steht, dürfen wir uns auch nicht ins Militärische verlaufen! Deutschlands größte Bedrohung kommt nicht von Putin, sondern von den sozialen, humanitären und demokratischen Folgen des Klimawandels.“
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Zu den Partnern seiner SPD in der Ampelkoalition sagt von Dohnanyi schließlich: „Ich bin am allermeisten enttäuscht von der FDP. Von den Grünen habe ich nie erwartet, dass sie mit viel Vernunft regieren würden. Sie waren immer zu ideologisch, zu stürmisch, eine Partei mit großen Vorstellungen, wie die Welt sein sollte, wie sie aber nun einmal nicht ist. Ich bin von der FDP enttäuscht, weil die ihren großen Außenminister Genscher offenbar gänzlich vergessen hat. Der war doch noch vor Kurzem der herausragende Vermittler zwischen Ost und West. Wie man dann jetzt als FDP Frau Strack-Zimmermann so viel Gewicht geben kann, verstehe ich nicht.“