Hamburg. Nur Notdienst in Hamburg: Es geht um Honorare, Apotheken-Schließungen und fehlende Medikamente – vor allem für Kinder.

  • Apotheker wollen mit einem bundesweiten Protesttag auf ihre Not aufmerksam machen.
  • Besonders der Medikamentenmangel belastet die Pharmazeuten.
  • Die zentrale Forderung: Die Apothekenvergütung soll angehoben werden.

Ein Großteil der Apotheken wird am Mittwoch geschlossen bleiben. Unter dem Motto „Apotheken kaputtsparen? Mit uns nicht!“ ruft die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) zu einem bundesweiten Protesttag mit Streik auf. Mit dieser Aktion wollen die Pharmazeuten auf ihre Not aufmerksam machen. Hamburgs Apothekerkammer-Präsident Kai-Peter Siemsen sagte dem Abendblatt, es werde einen Notdienst geben. Doch nahezu 100 Prozent der 373 Hamburger Apotheken werden sich am Protest beteiligen.

Eine zentrale Forderung ist die Anhebung der Apothekenvergütung, die seit über zehn Jahren nicht mehr angepasst wurde. Ohne diese Erhöhung könnten weder die Fixkosten rund um die Apotheke noch die Personalkosten abgedeckt werden, argumentieren die Apotheker. Die gestiegenen Energiepreise hätten dies noch verstärkt. Zusätzlich würden die Apotheker durch überbordende Dokumentationslast und Bürokratie belastet.

Apotheken in Hamburg geschlossen: Protest gegen Karl Lauterbach

Besonders der Medikamentenmangel belastet die Apothekerinnen und Apotheker. „Arzneimittel-Lieferengpässe haben unsere Arbeit noch komplizierter gemacht und kosten Zeit und Kraft“, heißt es in den Ankündigungen für den Protesttag, die in vielen Apotheken hängen. „Eine finanzielle Anerkennung für diese Mehrarbeit wird den Apotheken jedoch versagt. Auch hier fordern wir von der Politik eine gerechte Lösung.“

Antibiotika-Mangel gefährdet Kinder – drastische Maßnahmen

Apothekerin Dorothea Metzner aus Steilshoop sagte dem Abendblatt: „Das Management der Lieferengpässe erfordert pro Betrieb mindestens sechs Stunden Mehraufwand pro Woche. Wir fordern eine angemessene Honorierung und einen Engpass-Ausgleich für diese Kosten und die tagtägliche Mehrarbeit des Teams.“ Zudem behindere die Bürokratie die Apotheker-Arbeit. „Wir ersticken in sinnlosen Vorgaben, die uns daran hindern, unseren Patienten schnell und wirksam zu helfen.“ Sie warf Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor, in seiner Ablehnung von Honorarerhöhungen Umsatz und Ertrag einer Apotheke zu verwechseln.

„Arzneimittel-Engpass im Herbst noch schlimmer“

Kammerpräsident Siemsen sagte, auch das geplante Liefergesetz für knappe Arzneimittel ändere die angespannte Lage nicht. Sowohl Antibiotika als auch Krebsmedikamente fehlten nach wie vor. Die Scharlachwelle bei Kindern sei glücklicherweise abgeebbt. „Im Herbst laufen wir aber in einen noch größeren Engpass hinein, weil die Hersteller bereits angekündigt haben, die Produktion zu drosseln.“ Die Preise, die in Deutschland gezahlt werden, seien einfach zu niedrig.

Die Zukunft der Apotheken in Hamburg bereitet Kammerchef Kai-Peter Siemsen Sorgen.
Die Zukunft der Apotheken in Hamburg bereitet Kammerchef Kai-Peter Siemsen Sorgen. © Roland Magunia

Der Vorstandschef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, sagte jedoch: „Pauschale Preiserhöhungen sind ein vollkommen ungeeignetes Mittel, um Lieferengpässe zu beseitigen. Wenn die Versichertengemeinschaft mehr für Medikamente zahlt, müssen daran auch verpflichtende Maßnahmen für die Hersteller geknüpft sein, die die Liefersicherheit von Medikamenten auch tatsächlich stabilisieren.“

Unterstützung kommt aus der Hamburger Politik: „Inflation und Kostensteigerung treffen auch die Apotheken hart, hinzu kommt die Kürzung der Vergütung durch Gesundheitsminister Lauterbach und die immer weiter überhand nehmende Bürokratie“, sagt die Bundestagsabgeordnete Franziska Hoppermann (CDU). „Es droht ein flächendeckendes Sterben von Apotheken. Parallel wird die Medikamentenknappheit in Deutschland immer schlimmer.“

Hamburg: Jede sechste Apotheke musste schließen

In den vergangenen zwölf Jahren habe jede sechste Apotheke in Hamburg schließen müssen. Im Bezirk Wandsbek treffe das besonders den Stadtrand mit den Walddörfern. „Apotheken gehören zur medizinischen Grundversorgung und müssen für jeden schnell erreichbar sein. Dies kann nur bei einer flächendeckenden Versorgung gewährleistet sein, und das kann wiederum nur funktionieren, wenn Vergütung und Versorgung an die aktuelle preisliche Entwicklung anschließen“, sagt Natalie Hochheim, Vorsitzende der CDU-Fraktion Wandsbek. Neue Apotheken in den Stadtteilen entstünden so gut wie gar nicht mehr, weitere dürften nicht verschwinden.

Das Bundesamt für Arzneimittelsicherheit (BfArm) weist auf Knappheiten bei mehr als 400 Medikamenten hin. Besonders betroffen: Generika. Die Arzneimittelengpässe waren am Montag Thema im Bundestag bei einer Expertenanhörung im Gesundheitsausschuss.

Arzneimittelengpässe ließen sich zukünftig nur mit langfristigen und strukturellen Lösungen vermeiden, argumentierte der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa). Er hatte auch bereits einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt und vorgeschlagen, ein Frühwarnsystem einzurichten, Lieferketten nach einem Stresstest einer kritischen Prüfung zu unterziehen, die Diversifikation der Produktionsstrukturen zu fördern und strategische Produktionsreserven in modernen Anlagen nach Vorbild der Pandemievorsorgeverträge umzusetzen.

Apotheken in Hamburg: Vorräte an Medikamenten anlegen

Besonders zu spüren bekommen aktuell die Kinderärztinnen und Kinderärzte das Problem knapper Medikamente. Die Bundesregierung hatte wegen der Krise die Einfuhr von Arzneimitteln aus dem europäischen Ausland erleichtert. „Doch die Maßnahmen greifen nicht unmittelbar, zumal auch in den anderen Ländern bestimmte Medikamente knapp sind“, sagt die Vorsitzende der Hamburger Kinder und Jugendärzte, Claudia Haupt.

In den vergangenen zehn Tagen ist die Infektionswelle leicht abgeebbt – ein Grund, vorsichtig aufzuatmen. „Wir hoffen, dass in den Sommermonaten Vorräte angelegt werden, denn der Herbst kommt bestimmt“, sagt die Medizinerin. Die Lage bei den Fieber- und Schmerzmedikamenten, die während der Infektionswelle zwischen November vergangenen Jahres und diesem Februar extrem angespannt war, habe sich mittlerweile stabilisiert.