San Francisco. In den USA zeigt sich Tschentscher fasziniert nach der Tour in einem selbstfahrenden Auto. Moia-Chef kündigt Pläne für Hamburg an.

Es ist 22.50 Uhr am Mittwoch in San Francisco, als zwischen dem Hotel Grant und der Bar Sushi Toni ein weiß-roter Kleinwagen am Straßenrand hält. Am Steuer sitzt: niemand. Dafür steigt ein Mann in dunkelblauer Jacke und Jeans ein und nimmt mit zwei Begleitern auf den Rücksitzen Platz: Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher.

In seiner Rolle als Bundesratspräsident hält er sich gerade in der Metropole an der US-Westküste auf, die wie keine zweite für IT und Hightech steht – und als Vorreiterin für autonomes Fahren gilt. Es gibt gleich zwei Anbieter dafür in der Stadt: Cruise, eine Tochterfirma von General Motors, und Waymo, ein Tochterunternehmen der Google-Muttergesellschaft Alphabet.

Autonomes Fahren: Bürgermeister testet Auto ohne Fahrer in San Francisco

Tschentscher in einem autonomen Fahrzeug der Firma Cruise in San Francisco.
Tschentscher in einem autonomen Fahrzeug der Firma Cruise in San Francisco. © Privat

Tschentscher erprobt am Mittwoch einen mit Außenkameras und diversen Sensoren versehenen Cruise-Chevrolet. Mit einem leisen Rauschen saust das Fahrzeug los, beschleunigt auf etwa 50 km/h. Eine gute halbe Stunde dauert die Fahrt, dann kommt das selbstfahrende Auto zurück und hält auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

Der Bürgermeister ist perplex, ringt um Worte. „Gespenstisch“ sei das gewesen, auf den leeren Fahrersitz zu blicken, sagt er zuerst, fügt dann aber hinzu, die Fahrt sei „auch faszinierend“ gewesen, „Science-Fiction live“. Schon nach den ersten Kurven und Manövern habe er sich „ziemlich sicher gefühlt“, erzählt Tschentscher.

Auch Hochbahn-Chef Henrik Falk ist begeistert

„Ich bin sehr angetan, dass das im echten Straßenverkehr funktioniert, ohne dass es ruckelt oder eine Situation besteht, in der man das Gefühl hat: Oha, das hätte ich selbst anders gemacht“, sagt der Bürgermeister. Nach den ersten Kreuzungen und Kilometern habe er den Eindruck gewonnen: „Das System ist sicher.“ Um Fahrzeuge von Cruise zu nutzen, muss man zuerst eine App der Firma herunterladen; anschließend kann man Fahrten buchen.

Bereits am Dienstag hatte Hamburgs Hochbahn-Chef Henrik Falk ein Cruise-Fahrzeug und ein selbstfahrendes Waymo-Auto getestet und sich begeistert gezeigt. „Ich war zuerst skeptisch“, erzählt Falk. Aber: „Enge Straßen, Steigungen, links und rechts kommen Fußgänger, Radfahrer, also wirklich ein innerstädtisches Erlebnis – all das hat das Auto souverän gemeistert.“ Falk gehört zu der 19-köpfigen Wirtschafts- und Wissenschaftsdelegation, die Tschentscher auf dessen USA-Reise begleitet.

Der größte Vorteil dieser Mobilitätsform sei, dass sich viele Menschen ein autonomes Fahrzeug teilen könnten, sagt Falk. Einen eigenen Pkw bräuchten dann weniger Menschen in Hamburg, Parkplätze könnten wegfallen. Der frei werdende Raum lasse sich für andere Angebote nutzen.

Moia-Chef setzt für Erweiterung seines Sammeltaxi-Dienstes auf autonome Fahrzeuge

Hamburgs Moia-Chef Sascha Meyer – auch er gehört der USA-Delegation an – hält es wie berichtet für „unausweichlich“, dass Hamburg bald eine ähnliche Entwicklung erleben wird wie San Francisco. Angesichts des demografischen Wandels könnte es künftig einen Mangel an Arbeitskräften geben, der auch bedeute, dass es an Fahrerinnen und Fahrern für Busse und Bahnen mangele. „Dies wird auch Mobilitätsdienste wie Moia betreffen“, sagt Meyer.

Schon deshalb setze er auf selbstfahrende Autos als Ergänzung der Flotte: „Wenn wir unser Angebot in Hamburg ausbauen wollen, werden wir um autonomes Fahren kaum herumkommen.“ Für einen solchen Ausbau der Moia-Fahrten spreche auch, dass sich damit noch erheblich mehr Lücken füllen ließen, die es im Netz des städtischen Bus- und Bahnnetzes gibt.

Autonomes Fahren: bis zu 10.000 Fahrzeuge auf Hamburgs Straßen bis 2030

Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) strebt wie berichtet an, dass bis zum Jahr 2030 auf den Straßen der Hansestadt bis zu 10.000 autonome Fahrzeuge unterwegs sein sollen – eine Voraussetzung dafür, dass alle Bürgerinnen und Bürger innerhalb von fünf Minuten ein öffentliches Verkehrsangebot erreichen können („Hamburg-Takt“), das für die Stadt bezahlbar ist. Hamburgs Grüne haben angeregt, dass in Bereichen der äußeren Stadt, wo sich ohne Auto kaum die nächste Bahnstation oder Bushaltestelle erreichen lässt, Online-Rufdienste wie Moia zeitweise kostenlos sein könnten.

Für ein Pilotprojekt im Hamburger Süden will die Stadt wie berichtet 20 autonom fahrende Autos anschaffen, wie Anjes Tjarks und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) im März mitteilten. Hamburg und der Bund fördern dies mit jeweils 18 Millionen Euro. Wenn die neuen Fahrzeuge ausgeliefert sind, beginnt eine Testphase, in der noch Fahrer an Bord sind, aber keine Fahrgäste. Schrittweise sollen die Autos dann „lernen“, sich allein im Stadtverkehr zu bewegen, bevor sie voraussichtlich von 2025 an völlig autonom fahren sollen – allerdings dann überwacht aus einer zentralen Leitstelle.