Hamburg. Stadt testet autonomes Fahren beim Demand-Dienst HVV hop. Ziel sind 10.000 autonome Fahrzeuge – zur Freude von FDP-Minister Wissing.
Auf Bundesebene benehmen sich FDP und Grüne gerade im Verkehrsbereich wie Hund und Katze – Harmonie ist zwischen der gelben Autofahrerpartei und den grünen Freunden der Mobilitätswende eher die Ausnahme.
Im Verhältnis zwischen Bund und Hamburg sieht es dagegen völlig anders aus. Da ist Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) regelmäßig voll des Lobes darüber, wie in der Hansestadt unter Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) mit diversen innovativen und oft Vorbild gebenden Projekten die Mobilitätswende vorangetrieben wird. Sogar auf Auslandsreisen wie jüngst im Baltikum – so erzählt es der Minister – werbe er dafür, sich einmal das Verkehrskonzept der Hansestadt anzuschauen.
Mit HVV hop fängt es an: Ziel sind 10.000 autonome Fahrzeuge in Hamburg
„Ich bin beeindruckt davon, was hier passiert“, sagte Wissing am Dienstag, als er im Innenhof des Rathauses einmal mehr viel Geld aus Berlin für ein Hamburger Projekt vorbeibrachte, das den Verkehr revolutionieren könnte: AHOI – das steht für „Automatisierung des Hamburger On-Demand-Angebots“.
Das Stichwort lautet autonomes Fahren. Bis zu 10.000 Fahrzeuge sollen Tjarks zufolge bis 2030 auf Hamburgs Straßen ohne Fahrer unterwegs sein. Das ist Voraussetzung dafür, dass alle Bürgerinnen und Bürger innerhalb von fünf Minuten ein öffentliches Verkehrsangebot erreichen können („Hamburg Takt“) – und das für die Stadt auch bezahlbar ist.
Fahrzeuge kommen auf Bestellung kosten meist nur zwei Euro pro Fahrt
Und getestet werden soll das nun Rahmen des Angebots HVV hop, das früher Ioki hieß und von den Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein (VHH) betrieben wird. Seit Anfang des Jahres sind im Osten des Bezirks Harburg 14 weiße Elektro-Taxen im britischen Stil unterwegs, die auf Bestellung („On Demand“) bis zu sechs Fahrgäste abholen und zum gewünschten Zielort in dem Gebiet bringen. Auch in den Kreisen Segeberg und Stormarn ist HVV hop im Einsatz.
Wer ohnehin ein HVV-Fahrkarte hat, zahlt dafür nur einen kleinen Aufschlag, in der Regel zwei Euro pro Fahrt. Im April soll das Angebot auf 28 Fahrzeuge im gesamten Harburger Kerngebiet ausgeweitet werden – dann wird eine Region mit rund 100.000 Einwohnern bedient.
Bund fördert Anschaffung von 20 autonom fahrenden Fahrzeugen mit 18 Millionen Euro
Und möglichst bald sollen 20 autonom fahrende Autos hinzukommen. Die Anschaffung wird vom Bund mit 18 Millionen Euro gefördert, die gleiche Summe gibt die Stadt dazu. Damit kann die Ausschreibung nun starten.
Wenn die neuen Fahrzeuge da sind, beginnt zunächst eine Testphase, in der noch Fahrer an Bord sind, aber keine Fahrgäste. Schrittweise sollen die Fahrzeuge, die ebenfalls im HVV-hop-Stil lackiert sein werden, „lernen“, sich allein im Stadtverkehr zu bewegen, bevor sie von 2025 an völlig autonom unterwegs sein sollen – allerdings überwacht aus einer zentralen Leitstelle.
Wissing (FDP) lobt Tjarks (Grüne): „Einer muss anfangen, und Hamburg fängt an“
Der Verkehr in Deutschland werde „deutlich zunehmen“, sagte Wissing. Große Infrastrukturprojekte für Schiene und Straße bräuchten aber viele Jahre bis zur Realisierung, daher sei es „wichtig, dass wir uns auf neue Mobilitätsangebote konzentrieren“ und dafür die Chancen der Digitalisierung nutzen.
Der Bund habe die rechtliche Voraussetzungen für autonomes Fahren geschaffen, jetzt müssten auch Angebote geschaffen werden, forderte der Verkehrsminister. „Wenn jeder auf den anderen wartet, wird das nichts“, so Wissing. „Einer muss anfangen, und Hamburg fängt an“, lobte er die Hansestadt, die vom Bund Ende 2022 zur „Modellregion Mobilität“ ernannt worden war.
HVV hop als „ideale Ergänzung“ zum neuen Deutschland-Ticket
„AHOI“ als ein Teil dieser Modellregion sei „einzigartig in einer Millionen-Metropole“ und habe europaweit Modellcharakter, so Wissing. Er warb dafür, die ÖPNV-Angebote konsequent aus Sicht der Nutzer zu entwickeln, die nun einmal individuelle Bedürfnisse hätten. HVV hop als Hybridmodell zwischen ÖPNV und Individualverkehr sei daher die „ideale Ergänzung“ zum neuen Deutschland-Ticket, so der Minister.
„Das Beste ist: HVV hop ist bereits in die Tarifstruktur des ÖPNV integriert – das heißt, auch das Deutschland-Ticket wird hier anerkannt.“ Er sei sich daher sicher, dass die autonomen Shuttles Nachahmer finden werden.
Verkehrssenator: Brauchen auch aus Kostengründen fahrerlose Fahrzeuge
Für Hamburg spiele das autonome Fahren eine zentrale Rolle, sagte Verkehrssenator Tjarks. In der inneren Stadt erreiche man es schon, dass alle Bürger innerhalb von fünf Minuten ein ÖPNV-Angebot erreichen können. In den äußeren Stadtteilen hingegen noch nicht.
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Um alle diese eher dünner besiedelten Stadtteile wie im HVV-hop-Gebiet auch mit zu versorgen, müssten bis 2030 mindestens 10.000 autonome Fahrzeuge im Einsatz sein. „Wir können das nur schaffen, wenn wir am Ende des Tages einen Großteil der Flotte autonom betreiben, weil wir sonst die Fahrerinnen und Fahrer nicht finden und es auch nicht bezahlen können“, so der Senator. „Deswegen ist es wichtig, diesen technologischen Sprung zu machen.“
Auch Hochbahn und Moia testen autonom fahrende Fahrzeuge
Dabei ist AHOI nicht der erste Testversuch für autonomes Fahren in Hamburg. So hatte die städtische Hochbahn im Rahmen des Projekts HEAT (Hamburg Electric Autonomous Transportation) von 2019 bis 2021 einen autonom fahrenden Kleinbus durch die HafenCity kurven lassen – anfangs noch ohne Passagiere, später mit. Die Bilanz von Hochbahn-Chef Henrik Falk: „Autonom fahrende Busse können in der Zukunft ein wichtiger Baustein sein, um das Angebot von Bus und Bahn zu ergänzen – gerade in Tagesrandzeiten sowie in Quartieren, die bislang noch nicht so gut erschlossen sind.“
Auch die VW-Tochter Moia, die in Hamburg nördlich der Elbe einen On-Demand-Shuttle-Dienst mit Kleinbussen anbietet, testet bereits autonom fahrende Fahrzeuge. Ziel ist es ebenfalls, diese ab 2025 im regulären Betrieb einzusetzen. Nicht zuletzt soll auch die neue U-Bahn-Linie 5 komplett digital gesteuert werden. An Fahrzeuge ohne Fahrer wird man sich in Hamburg also gewöhnen müssen.