Hamburg. Wer den Bau der Hafenautobahn in Hamburg über Bord werfe, nehme in Kauf, dass die Bürger dauerhaft im Stau stehen.

Jetzt hat sich auch Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) mit einer deutlichen Ansage in den neuen Streit um die geplante Hafenautobahn A26-Ost eingemischt. Die Forderung der Grünen, auf die Trasse über Moorburg und den Süden Wilhelmsburgs zu verzichten, erteilte sie eine klare Abfuhr: „Ich sehe keinen Anlass, von der im Koalitionsvertrag gemeinsam festgehaltenen Maßnahme abzuweichen, zumal sie fertig geplant und mit dem Bund vereinbart ist“, sagte Leonhard, die auch SPD-Landesvorsitzende ist.

Nachdem die Grünen-Bundestagsfraktion auf eine Neubewertung aller Autobahnprojekte in Deutschland gedrängt hatte, hatten sich Bürgerschaftsfraktionschef Dominik Lorenzen und der Bundestagsabgeordnete und frühere Justizsenator Till Steffen im Abendblatt dafür ausgesprochen, auch die A26-Ost infrage zu stellen und stattdessen die Hafenhauptroute in Verlängerung der Köhlbrandquerung auszubauen.

A26: Wirtschaftssenatorin Leonhard erteilt Grünen-Vorstoß klare Absage

Dort werde als Ersatz für die marode Brücke ohnehin ein neuer Tunnel gebaut, und zwei große und milliardenschwere Querverbindungen zwischen A7 und A1 brauche Hamburg nicht. Leonhard sagt dazu: „Der Verkehr im südlichen Bereich Hamburgs ist ohnehin da, und das Aufkommen wird sogar noch zunehmen – nicht nur wegen der wirtschaftlich guten Situation der Stadt, sondern auch wegen überregionaler Verkehrsströme. Statt dass sich Verkehr durch innerstädtische Straßen quält und ganze Stadtteile verstopft, ist die A26-Ost zur Entlastung die bessere Variante, zumal sie viele Lärmschutzmaßnahmen und Tunnelabschnitte vorsieht.“

Die A26 von Stade in Richtung Hamburg ist in Teilen bereits eröffnet, in anderen im Bau und erreicht in wenigen Jahren die A7 in Moorburg. Von dort soll sie als A26-Ost durch den Hafen eine knapp zehn Kilometer lange Verbindung zur A1 bei Stillhorn schaffen. Diese 1,9 Milliarden Euro teure Trasse wird vom Bund finanziert und soll einerseits Hafen- und überregionalen Verkehr aufnehmen, andererseits die vielbefahrene B73 durch den Bezirk Harburg entlasten.

Die Wirtschaftssenatorin warnt daher davor, dieses Projekt infrage zu stellen: „Wer den A26-Ausbau über Bord werfen möchte, nimmt in Kauf, dass der Lkw-Verkehr dann durch die Straßen in Hamburgs Süden rollt. Die Zeche für solche Überlegungen zahlen die Harburger mit Stunden im Stau.“

A26-Ost: Viele Reaktionen zum Vorstoß der Grünen

Neben der SPD üben auch CDU und FDP scharfe Kritik an den Grünen – Umweltverbände und die Linkspartei begrüßen den Vorstoß hingegen.

Dirk Kienscherf, SPD-Fraktionsvorsitzender, warf den Grünen nun eine Anti-Hafenpolitik vor. „Ich kann verstehen, dass die Genehmigung des Kohleabbaus in Lützerath durch Bundesminister Robert Habeck die Grünen im Bund unter Zugzwang setzt. Es darf aber nicht sein, dass die Bundes-Grünen deswegen eine Anti-Hafenpolitik verfolgen und eine Phantomdebatte über die A26 Ost anstoßen.“

Kienscherf warnte davor, lange geplante Verkehrsprojekte wie die A26 Ost „aus Profilierungsgründen“ infrage zu stellen. „Das kann langfristig fatale Folgen haben.“ Hamburg leide seit Jahrzehnten darunter, dass es keinen Autobahnring habe. „Wir brauchen daher möglichst schnell eine leistungsfähige Querverbindung zwischen A7 und A1 – zur Entlastung des Hafens, für zehntausende Anwohner entlang der B73 durch Harburg und um die Skandinavien-Verkehre aufnehmen zu können, die im Zuge der Fehmarnbelt-Querung erheblich zunehmen werden“, so der SPD-Mann. „Genau das leistet die A26 Ost.“

Kienscherf: SPD und Grüne haben sich klar zur A26 Ost bekannt

Zudem verwies Kienscherf darauf, dass eine nördlichere Variante entlang der Hafenhauptroute, wie sie jetzt erneut von den Hamburger Grünen ins Spiel gebracht wird, in der Vergangenheit geprüft und verworfen worden sei. „Übrigens auch von einer Stadtentwicklungs- und Umweltsenatorin der Grünen. Wir reden hier von einer sechs- bis achtspurigen Autobahn mit gigantischen Anschlussbauwerken in Waltershof und auf der Veddel, die vielleicht in 30 Jahren fertig wäre – das ist nicht im Interesse Hamburgs.“

Schon die verschleppte Fahrrinnenanpassung der Elbe habe seiner Ansicht nach gezeigt, welche gravierenden wirtschaftlichen Folgen hinausgezögerte Prüfverfahren nach sich ziehen. Kienscherf: „Aber nur aus einer Position der wirtschaftlichen Stärke heraus werden wir das Klima effektiv schützen können.“ Er sei froh, dass der Fraktionsvorsitzende der Grünen betont, dass man zum Koalitionsvertrag stehe. „SPD und Grüne haben sich auch vor dem Hintergrund der Mobilitätswende und des Klimaschutzes darin klar zur A26 Ost bekannt. Das gilt.“

A26 – CDU: Grünen-Vorstoß Provokation auf Kosten der Stadt

„Der Vorstoß der Grünen, den Bau der A26 Ost zu verhindern, ist erneut eine gezielte Provokation auf Kosten der Stadt“, sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering. „Nach der angeblich gescheiterten Elbvertiefung wird jetzt mit der Hafenpassage eine auch für Hamburgs Logistikwirtschaft notwendige Autobahnverbindung infrage gestellt.“

Der überwiegend vom Bund finanzierte Lückenschluss zwischen A7 und A1 verbessere die Anbindung des Hafens, bündele Hafenverkehre und reduziere Lärm- und Schadstoffbelastungen in innerstädtischen Wohnquartieren entlang der B73: „Er muss endlich wie geplant umgesetzt werden“, so Thering.

A26 stoppen? Thering: Vorstoß der Grünen scheinheilig

Er verwies darauf, dass auch der SPD um Bürgermeister Peter Tschentscher die A26 Ost wichtig sei: „Ich frage mich, wie lange diese Alleingänge ohne Konsequenzen noch stattfinden sollen? Hat Bürgermeister Tschentscher noch die Kraft, dieses für Hamburg wichtige Verkehrsprojekt durchzusetzen? Eines steht fest: Dieser Dauerstreit zwischen SPD und Grünen schadet unserer Stadt.“

Der Vorstoß der Grünen sei obendrein scheinheilig, denn im Koalitionsvertrag hätten sie dem Bau der A26 Ost zugestimmt, so Thering. „Aber vielleicht soll mit den Vorstoß gerade jetzt auch bloß von den für die Grünen katastrophalen Ereignissen rund um das Braunkohledorf Lützerath abgelenkt werden?“

FDP: „A26-Hafenquerspange wird dringend benötigt“

Auch der FDP-Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Michael Kruse ging hart mit den Grünen ins Gericht: „Die A-26-Hafenquerspange wird dringend benötigt.“ Die Ampel im Bund habe vereinbart, die Planung und Umsetzung von Infrastrukturprojekten erheblich zu beschleunigen, das gelte auch für die A26, so Kruse. „Dass die Grünen die A26 Ost infrage stellen, zeigt, wie sehr sie den Draht zur Lebensrealität der Bürger und zur Wirtschaft verloren haben.“

Obwohl deren Fraktionschef Dominik Lorenzen seine Kritik an der A26 Ost mit einem Bekenntnis zum Koalitionsvertrag verband, meint Kruse: „Dass die Grünen sich in Hamburg knapp zwei Jahre vor Ende der Legislaturperiode nicht mehr an den Koalitionsvertrag gebunden fühlen, kommt für mich wenig überraschend. Allerdings ist es Aufgabe des gesamten Senats, zum Wohle Hamburgs zu handeln. Das haben die Grünen offenbar aus ideologischen Gründen vergessen.“

Wirtschaft kritisiert grünen A-26-Vorstoß

Der Vorsitzende des Industrieverband Hamburg, Matthias Boxberger, zeigte kein Verständnis für die Forderung: „Die Wirtschaftsverkehre der Industrie und des Hafens werden auch in Zukunft zu einem wesentlichen Anteil über Straßen abgewickelt werden müssen, zukünftig sogar emissionsfrei. Um dies sicherzustellen, brauchen wir dringend die geplante und beschlossene A26 Ost (Hafenpassage).“ Auch eine viel beachtete OECD-Studie sei 2019 zu dem Schluss gekommen, dass Hamburg nur dann eine florierende Metropole bleibe, wenn auch die Infrastruktur konsequent ausgebaut werde, so Boxberger: „In der Studie wird ausdrücklich auf die Verwirklichung der A26 Ost als ‚Maßnahme zur Entlastung des Verkehrsnetzes‘ hingewiesen. Deshalb heißt es jetzt „Kurs halten“.

Ähnlich äußerte sich Malte Heyne, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg: „Die A26 Ost steht exemplarisch für die viel zu langen Planungs- und Genehmigungszeiten wichtiger Infrastrukturprojekte. Der Bund ist jetzt gefordert, die im Bundesverkehrswegeplan verankerten Projekte schnellstmöglich zu finanzieren und umzusetzen.“ Die Erreichbarkeit des Hamburger Hafens zu verbessern, sei eine nationale Aufgabe, so Heyne: „Hamburgs Wirtschaft benötigt eine neue Köhlbrandquerung und die A26 Ost. Fahrzeuge, die im Stau stehen, statt Waren zu liefern, schaden Umwelt und Wirtschaft gleichermaßen.“

Hafenautobahn A26 stoppen? Nabu und BUND begrüßen Forderung

Applaus kam hingegen von den Umweltverbänden. „Nabu und BUND begrüßen den Vorstoß der Grünen außerordentlich, denn eine Diskussion über den Fernstraßenausbau im Allgemeinen und den der A26 Ost im Speziellen ist lange überfällig“, sagte der Hamburger Nabu-Vorsitzende Malte Siegert stellvertretend für beide Verbände.

„Anstatt durch die A26 Ost wertvolle Moorflächen bei Moorburg zu zerstören, sollten besser durch den Verzicht auf die in Bau und Betrieb extrem klimaschädliche Autobahn nachhaltig gewaltige Mengen CO2-Emissionen eingespart werden. Mal ganz abgesehen davon, dass eine A 26 Ost die großflächige Entwicklung einer zukunftsorientierten Wasserstoffwirtschaft auf der Hohen Schaar kaputtmachen würde. Es kann ja nicht im Ernst das Interesse Hamburgs sein, sich die ökonomischen und ökologischen Chancen der energetischen Transformation im Hamburger Hafen durch einen Autobahndinosaurier zertreten zu lassen.“

A26 stoppen? Linkspartei enttäuscht von den Grünen

Die Linkspartei sieht es ähnlich, ist aber dennoch von den Grünen enttäuscht: „Kaum geht den Grünen wegen der Auseinandersetzungen in und um Lützerath der Allerwerteste auf Grundeis, versuchen sie ihr Umwelt-Image aufzupolieren“, sagte ihre Verkehrsexpertin Heike Sudmann.

Lorenzens Vorstoß sei für sie „nur ein hilfloses Rumeiern“, so Sudmann. „Krokodilstränen der Grünen, dass sie die A26 Ost nicht gut finden, helfen genauso wenig wie eine SPD, die sich um die Klimakrise nicht weiter schert. Ich erwarte von Grünen und SPD, dass sie diese völlig aus der Zeit gefallenen Autobahnpläne stoppen – das gilt für die unselige A26 Ost ebenso wie für den achtstreifigen Ausbau der A1.“

Christoph Ploß (CDU) über „Verkehrsinfarkt in Hamburgs Süden“:

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