Hamburg. Mit rund 70 Prozent ihrer 5000 Fälle ist die Stadt in Verzug. Der Finanzsenator ist damit auch „nicht zufrieden“, hat aber eine Erklärung.
Wochenlang war Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) im Frühjahr über Hamburgs Wochenmärkte gezogen und hatte die Bürgerinnen und Bürger zusammen mit seinen Mitarbeitern persönlich über die neue Grundsteuer informiert. Immer wieder hatte er an die Hamburger appelliert, sich frühzeitig mit der Aufgabe, die alle Immobilien- und Grundbesitzer in Deutschland betrifft, zu befassen, um das Abgabefenster vom 1. Juli bis zum 31. Oktober einhalten zu können.
Wie sich im Herbst zeigte, hatte das nicht ausreichend gefruchtet: Weil nur rund 40 Prozent der Bürger ihre Unterlagen bis Ende Oktober eingereicht hatten, wurde die Frist für die Abgabe der Grundsteuererklärung bundesweit einmalig bis zum 31. Januar 2023 verlängert.
Grundsteuer: Hamburg hat viele Erklärungen noch nicht abgegeben
Doch wie jetzt herauskommt, hat es auch die Stadt selbst mit dieser Frist nicht so genau genommen. Der Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG), der rund 5000 Grundsteuererklärungen für etwa 22.000 städtische Flurstücke zu bearbeiten hat, hat die Unterlagen selbst ganz überwiegend noch nicht eingereicht.
Bekannt wurde das durch eine Schriftliche Kleine Anfrage, die der CDU-Bezirksabgeordnete Philipp Kroll an das Bezirksamt Hamburg-Nord gestellt hatte. Auf seine Frage, für welche Grundstücke des Bezirks Grundsteuer fällig werde und welche Erklärungen schon abgegeben wurden, hieß es, das übernehme der LIG: „Hierzu laufen gegenwärtig die erforderlichen Datenerfassungen. Erklärungen für den Grundbesitz des Bezirksamtes sind nach Kenntnis des Bezirksamtes zum gegenwärtigen Zeitpunkt durch den LIG noch nicht abgegeben worden.“
Grundsteuer – LIG in Hamburg hat erst 30 Prozent eingereicht
Eine Nachfrage des Abendblatts bei der Finanzbehörde bestätigte, dass dies nicht nur in Hamburg-Nord so gelaufen ist. Der LIG bearbeite die Grundsteuer-Erklärungen für alle Behörden und Ämter und reiche diese immer in „Paketen“ ein: Bis zum 31. Oktober seien rund 300 Erklärungen abgegeben worden, aktuell seien es rund 1500.
Mit anderen Worten: 3500 oder 70 Prozent fehlen noch. Damit ist die Stadt sogar stärker in Verzug als Bürger und Unternehmen: Sie haben laut Finanzbehörde in Hamburg bislang exakt 201.331 Grundsteuererklärungen abgegeben, was einem Rücklauf von immerhin 47,5 Prozent entspricht – 52,5 Prozent fehlen also noch.
CDU-Politiker Philipp Kroll: „Das grenzt an Heuchelei“
Für Kroll ist das alles ein Unding: „Es grenzt an Heuchelei, wenn der Finanzsenator Dressel die Bürger zur Abgabe der Grundsteuererklärung mahnt, aber der LIG selber bisher noch kaum eine Erklärung abgegeben hat“, sagt der CDU-Bezirkspolitiker. „Selbst die Zustimmung zur Verlängerung der Abgabefrist hatte er an die Forderung geknüpft, der Bund solle die Informations- und Werbekampagne noch verstärken. Dabei war schon damals klar, dass der LIG die Frist Ende Oktober selber nicht halten kann.“
Finanzsenator Dressel wirbt dagegen um Verständnis: „Der LIG kümmert sich im Rahmen der Grundsteuerreform nicht nur um die eigenen Grundsteuerfeststellungserklärungen, sondern auch um die der anderen Ämter und Behörden. Allein die große Zahl der Vorgänge ist schon eine Herausforderung.“ Schließlich müssten mehr als 5000 Steuernummern mit insgesamt mehr als 22.000 Flurstücken geprüft werden.
Dressel: Städtische Grundstücke komplizierter als ein Einfamilienhaus
„Und dann kommt noch hinzu, dass städtisches Eigentum meist nicht so unkompliziert zu erklären ist wie ein selbst genutztes Einfamilienhaus“, so Dressel. „Wir haben es mit vielen Akteuren zu tun, die einbezogen werden müssen und auf deren Zulieferung wir angewiesen sind. Teilweise haben wir Flurstücke mit bis zu 30 Miteigentümern, die unter Umständen noch nicht einmal alle bekannt sind und ermittelt werden müssen.“
Dennoch räumt er ein: „Gleichwohl bin ich auch noch nicht zufrieden mit dem Erklärungsrücklauf im städtischen Verantwortungsbereich. Es ist viel Arbeit, aber ich bin zuversichtlich, dass wir als Stadt im Rahmen der Fristverlängerung nunmehr zügig unsere Erklärungen abarbeiten. Dass wir die von der Finanzministerkonferenz gewährte Fristverlängerung genauso nutzen, wie die privaten Steuerpflichtigen, ist dabei völlig in Ordnung.“
Grundsteuer: Bundesverfassungsgericht hatte Reform angeordnet
Wie berichtet, muss die Grundsteuer auf Anordnung des Bundesverfassungsgerichts reformiert werden, weil sie über Jahrzehnte auf Basis völlig veralteter Werte erhoben wurde – und immer noch wird. Das führt teilweise zu haarsträubend ungerechten Ergebnissen. So kann sich zum Beispiel für zwei benachbarte und nahezu identische Gebäude die Grundsteuerhöhe extrem unterscheiden, nur weil diese unterschiedlich alt sind. Ab 2025 soll damit Schluss ein – bis dahin muss die Reform umgesetzt werden.
Bund und Länder hatten sich nach zähem Ringen darauf verständigt, dass mehrere neue Modelle infrage kommen. Hamburg setzt auf eine Wohn-Lage-Modell, das ausschließlich die Wohn- und Grundstücksfläche berücksichtigt und dies nur mit einem Lagefaktor – „normal“ oder „gut“ – kombiniert. Niedersachsen und Bayern verfahren im Grundsatz ähnlich, während Schleswig-Holstein auf das Bundes-Modell setzt, in dem auch die Grundstückswerte weiter eine Rolle spielen. Das wollte Hamburg unbedingt verhindern, da so die explodierenden Grundstückspreise voll auf die Steuer durchschlagen könnten.
Bund und Länder versprechen: Wollen mit Reform nichts verdienen
Grundsätzlich hatten Bund und Länder versprochen, dass die Reform „aufkommensneutral“ sein soll: Mehr als die 14 Milliarden Euro bundesweit (davon gut 500 Millionen in Hamburg) wolle man auch künftig nicht einnehmen – weniger aber auch nicht. Konkret wird das dazu führen, dass einige Bürger weniger zahlen müssen, andere dagegen mehr, und für viele wird sich kaum etwas ändern.
Die konkreten Steuerbescheide können erst erstellt werden, wenn alle aktuellen Daten vorliegen und nach dem neuen Modell durchgerechnet wurden. Denn erst dann werden die letzten Stellschrauben justiert, etwa der Grundsteuerhebesatz, um die angepeilte Aufkommenneutralität auch zu erreichen. Daher wird die Reform bundesweit erst Anfang 2025 umgesetzt.
- Dressel mahnt: Grundsteuerfrist nutzen – es droht Zwangsgeld
- Grundsteuer: Finanzminister beschließen Fristverlängerung
- Grundsteuer: Experten geben Eigentümern wertvolle Tipps
Grundsteuer: Hamburg Stadt startet neue Info-Kampagne
Unterdessen startet die Stadt eine weitere Informationskampagne. Finanzsenator Dressel wird von kommender Woche an gemeinsam mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seiner Behörde mit einem Infomobil in allen sieben Hamburger Bezirken Station machen. Dabei können Bürgerinnen und Bürger sich nicht nur informieren und den Fachleuten Fragen stellen, sondern – das ist der Clou – sie können ihre Feststellungserklärung dann auch gleich direkt abgeben.
Anders als im Frühjahr werden die Infostände aufgrund der Wetterbedingungen im Spätherbst nicht auf den Märkten, sondern direkt in den Finanzämter aufgebaut:
- 24. November, von 11 bis 13 Uhr im Finanzamt Harburg
- 22. Dezember, von 14 bis 17 Uhr am Finanzamt Altona
- 5. Januar, von 14 bis 17 Uhr am Finanzamt Hamburg-Ost in Bergedorf
- 12. Januar, von 11 bis 14 Uhr am Finanzamt Hamburg-Nord und von 15 bis 17 Uhr am Finanzamt Oberalster im Bezirk Wandsbek
- 16. Januar, 10 bis 13 Uhr in den Mitte-Finanzämtern Hamburg-Hansa und Hamburg-Mitte
- 19. Januar, jeweils von 14 bis 17 Uhr in den Eimsbütteler Finanzämtern Hamburg-Am Tierpark und Hamburg-Eimsbüttel. Dazwischen liegt ein Montags-Termin: Am
Grundsteuer – Dressel: Nutzen Sie die Zeit zur Abgabe der Erklärung!
„Wer Fragen zu seiner Grundsteuererklärung persönlich besprechen möchte, ist herzlich eingeladen, an einem der Termine in den Finanzämtern vorbeizukommen“, sagt Finanzsenator Dressel. „Darüber hinaus bieten wir den Hamburgerinnen und Hamburgern vor allem Online weiterhin viele Anleitungen und Hilfestellungen zum Ausfüllen der Erklärung.“
Er appelliere daher an alle Steuerpflichtigen, die bislang noch nicht tätig geworden sind: „Nutzen Sie die verbleibende Zeit zur Abgabe der Grundsteuererklärung – und nutzen Sie dafür unser breites, hilfreiches Informationsangebot!“ Die Stadt selbst nutzt dies ja auch...