Hamburg. Hamburg weicht von der Vorlage des Bundesfinanzministers Olaf Scholz ab. So wird die Grundsteuer künftig berechnet.
Auf dieses Papier haben Hunderttausende Immobilienbesitzer und Mieter in Hamburg gewartet: Der rot-grüne Senat hat am Dienstag seinen Gesetzentwurf für eine neue Grundsteuer beschlossen und vorgestellt. Damit können nun alle Bürger zumindest grob überschlagen, ob ihre Belastung steigen, sinken oder gleich bleiben wird.
Eine exakte Berechnung ist allerdings noch nicht möglich, da der Senat den Grundsteuer-Hebesatz erst 2024 endgültig festlegen will, nachdem er im Jahr 2022 alle Daten der Immobilien- und Grundstücksbesitzer einmal erhoben und durchgerechnet hat. So soll das politische Versprechen von Bund und Ländern eingehalten werden, dass das Aufkommen aus der Steuer insgesamt neutral bleibt.
Alte Grundsteuer wurde 2018 für verfassungswidrig erklärt
Doch von Anfang an: Wie berichtet, hatte das Bundesverfassungsgericht die alte Grundsteuer 2018 für verfassungswidrig erklärt und eine Reform gefordert, die von 2025 an umgesetzt werden muss. Grund war, dass die bisherige Steuer auf Basis von zum Teil völlig veralteten Immobilienwerten berechnet wird – daher zahlen einige Bürger extrem wenig Grundsteuer und andere für eine vergleichbare Immobilie teilweise ein Vielfaches.
Ein Reformvorschlag von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) stieß in Hamburg und etlichen anderen Ländern auf wenig Gegenliebe, weil er im Kern auf eine Neubewertung aller Immobilien setzt – das hätte gerade in wachsenden Großstädten für extreme Steuererhöhungen gesorgt und das Wohnen weiter verteuert.
Hamburger Senat will ein Wohnlage-Modell“ einführen
Der Senat nutzt daher die vom Bund eingeräumte Möglichkeit, einen eigenen Weg zu gehen und will ein „Wohnlage-Modell“ einführen. Dabei soll die Grundsteuer einzig nach Fläche und Lage der Immobilie berechnet werden, mit Abschlägen vor allem für Wohnnutzung.
„Eine neue Grundsteuer muss mehrere Kriterien erfüllen: einfach zu administrieren, klare und folgerichtige Belastungsentscheidungen, aufkommensneutral und für alle nachvollziehbar“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) am Dienstag und betonte: „Wir wollen Wohnen in Hamburg nicht weiter verteuern. Unser Wohnlagemodell wird den spezifischen Bedingungen einer Großstadt wie Hamburg mit einem dynamischen und angespannten Wohnungsmarkt am besten gerecht.“
So soll die Grundsteuer künftig berechnet werden
Seit der Vorstellung der Überlegungen im September haben sich die einzelnen Parameter aber noch einmal verändert: So sollen pro Quadratmeter Grundstücksfläche jetzt 4 Cent (bisher: 2) und pro Quadratmeter Gebäudefläche 50 Cent (bisher: 40) angesetzt werden. Dafür gibt es aber dämpfende Faktoren für „normale Lage“, Sozialwohnungen und denkmalgeschützte Gebäude.
Einige Beispiele der Finanzbehörde:
- Beispiel 1: Einfamilienhaus, normale Wohnlage, Grundstücksfläche 1.000 m2, Wohnfläche 100 m2. Für Grund und Boden (1.000 x 0,04 Euro) sind 40 Euro fällig, für das Gebäude (100 x 0,50 Euro) 50 Euro. Nun wird das Ganze mit Messzahlen multipliziert: Für den Grund und Boden gilt die Messzahl 1, es ändert sich also nichts (40 Euro x 1 = 40 Euro). Für Wohngebäude ist die Messzahl dagegen nur 0,7 und reduziert sich je nach Lage weiter, wobei wie beim Mietenspiegel nur nach „gut“ (Messzahl 1) und „normal“ (0,75) unterschieden wird. In diesem Fall würde also 0,7 mal 0,75 eine Messzahl von 0,525 ergeben, die mit den 50 Euro für das Gebäude multipliziert werden – macht 26,25 Euro. Heraus kommt ein Grundsteuermessbetrag von 66,25 Euro (40 Euro + 26,25 Euro). Darauf wird nun der Grundsteuer-Hebesatz angewendet. Für seine Beispielrechnungen hat der Senat 1.000 Prozent zugrunde gelegt: Für das Einfamilienhaus in normaler Lage wären also 662,50 Euro Grundsteuer fällig.
Wie hoch der Hebesatz tatsächlich ausfallen wird, ist noch offen, betonte , sagte Finanzsenator Dressel. Die zunächst zugrunde gelegten 1000 Prozent seien aber „halbwegs realistisch“.
- Beispiel 2: Einfamilienhaus, gute Wohnlage, 1000 m2 Grundstück, 100 m2 Wohnfläche: Hier erfolgt die Berechnung zunächst wie in Beispiel 1. Wegen der guten Lage werden die 50 Euro für das Wohngebäude aber mit der Messzahl 0,7 multipliziert (0,7 für Wohnen mal 1 für gute Lage), macht also 35 Euro. Ergibt einen Messbetrag von 75 Euro und (bei einem Hebesatz von 1000 Prozent) eine Grundsteuer von 750 Euro.
- Beispiel 3: Mehrfamilienhaus mit 20 Sozialwohnungen, normale Lage, 1000 m2 Grundstück, 1.000 m2 Wohnfläche: Hier fallen für Grund und Boden 40 Euro an (1.000 x 4 Cent) und 500 Euro für das Gebäude (1.000 x 50 Cent). Die Messzahl für das Grundstück wird hier wegen der Sozialwohnungen auf 0,75 reduziert, sodass aus den 40 Euro 30 Euro werden. Für das Wohngebäude werden die 500 Euro mit der Messzahl 0,7, mit dem ermäßigten Lagefaktor 0,75 und zusätzlich mit einem Sozialwohnungs-Faktor von 0,75 multipliziert, was 196,88 Euro ergibt. Plus die 30 Euro kommt nach Hebesatz-Anwendung eine Grundsteuer von 2.268,80 Euro für die Immobilie heraus. Die Belastung pro Wohnung (sofern sie alle gleich groß sind) läge also bei 113,44 Euro im Jahr.
- Beispiel 4: Das gleiche Mehrfamilienhaus wie in Beispiel 3, nur denkmalgeschützt: In diesem Fall kommt für die Wohnfläche zusätzlich zu den dämpfenden Faktoren für Wohnen, Lage und Sozialwohnungen noch eine Ermäßigung (Faktor 0,75) für den Denkmalschutz zum Tragen. Die Messzahl sinkt dadurch auf den niedrigst möglichen Wert 0,2953 (0,7 x 0,75 x 0,75 x 0,75). Die Grundsteuer liegt dann bei 1.776,50 Euro für die Immobilie oder 88,83 Euro pro Wohnung.
Breitner vom VNW: Hamburger Weg klug und überzeugend
Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) betonte, dass es künftig auch eine neue Grundsteuer C auf baureife, unbebaute Grundstücke geben soll. Damit solle Grundstücksspekulation „unattraktiver werden“.
Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), begrüßte die Pläne des Senats. „Der Hamburger Weg ist klug, einfach, überzeugend und transparent“, sagte er. „Das jetzt vorgelegte Hamburger Modell wird nach unserer ersten Begutachtung dafür sorgen, dass die neue Grundsteuer nicht als Preistreiber für die Wohnkosten in Hamburg wirkt.“
CDU: Einfaches und transparentes Modell findet unsere Unterstützung
Auch CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer begrüßte, dass Hamburg eine eigene Landesregelung einführen will: „Es ist gut, dass auch der Senat erkannt hat, dass das Grundsteuer-Modell von Olaf Scholz auf Basis aktueller Immobilienwerte für Hamburg keine Lösung ist. Ein einfaches und transparentes Modell bei der Grundsteuer auf Basis von Grundstücks- und Gebäudeflächen findet unsere Unterstützung. Eine spezielle Grundsteuer C für unbebaute Grundstücke sehen wir allerdings weiter sehr skeptisch. Dies ist eine Alibi-Lösung, die schon einmal gescheitert ist.“
Lesen Sie auch:
- Selbstkritischer Senat: Das lief 2020 nicht gut in Hamburg
- Rot-Grün will keine Immobilien-Spekulanten in Hamburg
- Neue Grundsteuer: So viel müssen Hamburger künftig zahlen
Handwerkskammer befürwortet neues Grundsteuermodell
Auch der Präsident der Handwerkskammer, Hjalmar Stemmann, zeigte sich erfreut über das neue Hamburger Grundsteuermodell. „Ich freue mich, dass der Senat unsere Forderung, die Grundsteuer nach Lage zu bemessen, berücksichtigt", sagte er. So gelinge es, die Grundsteuer von auch künftig wahrscheinlich noch weiter steigenden Immobilien-Verkehrswerten zu entkoppeln.
In der Umsetzungsphase wolle die Handwerkswerkskammer genau darauf achten, dass über die Festlegung der Hebesätze das politische Versprechen eingelöst wird, eine Verschiebung der Steuerlast von Wohnen auf Gewerbe zu vermeiden und Aufkommensneutralität zu gewährleisten. "Kritisch sehe ich, dass der Gesetzentwurf offenbar keine Steuerermäßigungen für Azubiwohnheime bzw. Mikroapartments für einpendelnde Auszubildende zulässt", so Stemmann.
Bund der Steuerzahler: Grundsteuer verteuert Wohnkosten
„Die Grundsteuerreform des rot-grünen Senats betrachtet ausschließlich das Interesse der Stadt und nicht das der Steuerzahler:innen", so Jürgen Nielsen, stellvertretender Vorsitzender vom Bund der Steuerzahler Hamburg. Oberste Maxime des Senats sei, genauso viel einzunehmen wie vorher. Das sei der falsche Weg in einer Stadt, in der sich das Wohnen so stark verteuert wie in Hamburg.
"Wer sein Grundstück bebaut, wird mit einem hohen Faktor für jeden bebauten Quadratmeter bestraft. Dabei müsste über das Steuersystem die Bebauung viel stärker angereizt werden. Staatliche Maßnahmen sollten das Bauen erleichtern und nicht bestrafen. Die Grundsteuer verteuert das Leben in der Stadt, deshalb sehen wir sie sehr kritisch", so Nielsen weiter. "Eine Senkung dieser Steuer, die sofort auf alle Mieter:innen abgewälzt wird, wäre das richtige Signal am Ende der Corona-Pandemie".
"Der Senat sollte die Bürger:innen nicht weiter im Unklaren lassen, wie viel Grundsteuer sie in Zukunft zahlen müssen und sich frühzeitig auf einen Hebesatz festlegen. Diese Planungssicherheit brauchen auch die Unternehmen in der Stadt", sagt Nielsen.