Hamburg. Die Zahlen verdeutlichen, welche Gruppe wahrscheinlicher schwer erkrankt. Auch zu Impfdurchbrüchen gibt es aktuelle Erkenntnisse.
„Absehbar werden wir für weitere Tage ,Rekordwerte‘ an Neuinfektionen sehen.“ Diese Prognose hatte die Sozialbehörde schon vor dem vergangenen Wochenende gewagt – und sie lag damit leider richtig. Auch am Donnerstag gingen die Zahlen wieder durch die Decke. Mit 3764 Corona-Neuinfektionen wurden fast 1200 mehr registriert als am bisherigen Rekordtag, dem Mittwoch, (2590) und exakt 1500 mehr als vor einer Woche.
Damit stieg die Inzidenz, also die Zahl der Infektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen, von 723,0 auf 801,8 – der höchste je in Hamburg ermittelte Wert und zudem der größte Anstieg innerhalb eines Tages seit Beginn der Pandemie.
Corona-Zahlen in Hamburg steigen wegen Omikron rasant
Allerdings bewahrheitet sich – zum Glück – auch eine weitere Feststellung, die Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) zuletzt am Dienstag gemacht hatte: Inzidenz und Auslastung der Krankenhäuser verlaufen in dieser vierten Welle nicht mehr ganz parallel. Zwar stieg die Zahl der Covid-19-Patienten in den Hamburger Kliniken erneut um 14 auf 411 und hat sich damit innerhalb von zwei Wochen nahezu verdoppelt.
Doch auf die Intensivstationen schlägt das nur schwach durch. Am Donnerstag ging die Belegung dort sogar leicht zurück, von 86 auf 78 Covid-Patienten. Laut dem etwas aktuelleren Divi-Zentralregister waren es 75 Intensivpatienten, darunter 46 invasiv Beatmete. Allerdings gab es erneut zwei Todesfälle – damit sind nun 2036 Hamburgerinnen und Hamburger an oder mit Corona gestorben.
Nach wie vor sind die meisten Intensivpatienten ungeimpft – und das, obwohl sie nur rund zehn Prozent der Erwachsenen ausmachen. In den sieben Asklepios-Kliniken Hamburgs wurden mit Stand vom Wochenbeginn 49 Patienten intensivmedizinisch behandelt. 32 von ihnen (65 Prozent) waren nach einer noch nicht systematischen Erhebung ungeimpft. Ob die anderen einmal, doppelt oder mit einer Auffrischungsimpfung versehen waren, ist unklar. Bei den Impfdurchbrüchen, die im Krankenhaus behandelt werden, handelt es sich nach Ärzteauskunft um Menschen im höheren Alter, die erhebliche Vorerkrankungen haben. Grundsätzlich nimmt der Impfschutz mit fortschreitendem Alter ab.
Viele Corona-Patienten auf Intensivstationen ungeimpft
Zu den Ungeimpften auf den Intensivstationen zählten auch sechs Patienten unter 50. Auffällig ist, dass im Bezirk Harburg, wo die Inzidenz zuletzt über dem hamburgweiten Wert lag, in der dortigen Asklepios-Klinik sogar 80 Prozent der Corona-Intensivpatienten ungeimpft sind. Nach St. Georg haben auch die Asklepios-Häuser in Rissen und Wandsbek Besuche weitgehend verboten. Nur im Ausnahmefall könnten Angehörige von Patienten noch hinein.
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Aus dem UKE wird dieses Bild bestätigt. Von aktuell 16 Covid-Patienten auf der Intensivstation in dem Uniklinikum seien zehn (62,5 Prozent) ungeimpft, drei zweifach und zwei dreifach geimpft, und bei einem Patienten sei der Impfstatus unklar, teilte Prof. Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin, auf Abendblatt-Anfrage mit. Auch bundesweit waren nach Daten des RKI zuletzt von 8912 Neuaufnahmen auf den Intensivstationen 62 Prozent ungeimpft. Weitere 9,6 Prozent hatten einen unvollständigen Immunschutz (genesen ohne Impfung oder Teil-Immunisierung).
Booster sei „unbedingt“ nötig zum Schutz vor Omikron
Dass der Anteil der Ungeimpften auf der Intensivstation von anfangs 90 auf jetzt rund 65 Prozent zurückgegangen ist, habe mehrere Gründe, sagte Kluge: Zum einen gebe es in der Bevölkerung immer weniger Ungeimpfte, zum anderen nehme der Schutz nach zwei Impfungen mit der Zeit ab, und drittens schütze eine zweifache Impfung nicht so gut gegen die Omikron-Variante wie zuvor gegen die Delta-Variante. „Daraus, dass manchmal auch Geimpfte schwer erkranken, darf man auf keinen Fall schließen, dass das Impfen nicht hilft“, betonte Kluge. „Die Impfung schützt sehr gut, aber eben nicht zu 100 Prozent. Um wirksam gegen die Omikron-Variante geschützt zu sein, sollte man sich unbedingt boostern lassen.“
Bislang seien vier von 16 seiner Patienten mit Omikron infiziert, bei zwei weiteren stehe der Nachweis noch aus, sagte Kluge. „Aber bei den Neuaufnahmen handelt es sich fast ausnahmslos um Omikron-Fälle.“
Corona-Schreiben der Sozialbehörde verwirrt ältere Hamburger
Unterdessen hat ein Anschreiben der Sozialbehörde bei einigen Bürgern für Verwunderung gesorgt. Es werde „dringend“ empfohlen, den Impfschutz aufzufrischen“, heißt es in dem Brief, der Anfang Januar an alle 60- bis 69-Jährigen rausging. Wer zweifach geimpft sei, dem werde geraten, „die Schutzwirkung mit einer weiteren Impfung zu erhöhen“. Das Schreiben enthält zwar den Hinweis, wer bereits eine solche Auffrischungsimpfung erhalten habe, für den bestehe „kein weiterer Handlungsbedarf“. Doch da bereits gut 60 Prozent der Über-60-Jährigen geboostert sind, fragten sich so manche Bürger, warum sie dieses Schreiben noch erhalten. Und warum jetzt und nicht im Herbst?
Laut Sozialbehörde entspricht das Vorgehen der Verabredung von Bund und Ländern, die Bürger schrittweise anzuschreiben, zunächst die Über-80-Jährigen (Mitte Dezember), dann an die Über-70-Jährigen (Ende Dezember), dann an die Über-60-Jährigen (Anfang Januar). Das habe sich einerseits an den Empfehlungen der Stiko und andererseits am Aufbau der Impfkapazitäten orientiert: „Zeitgleich mehr Menschen zu einer Impfung aufzurufen, als überhaupt bedient werden können, wäre nicht sinnvoll“, so Behördensprecher Martin Helfrich.
Auch jetzt erreiche das Schreiben immer noch ein Drittel nicht Geboosterter unter den Über-60-Jährigen: „Das Geld für das Porto ist deswegen gut investiert, wenn wir denjenigen, für die die Auffrischungsimpfung besonders empfohlen wird, damit das Angebot näherbringen können.“