Hamburg. Mediziner-Appell: Vorsorgeuntersuchungen nicht verschieben. Welche Schulen besonders von Corona betroffen sind.
Wegen der Corona-Pandemie zögern viele Menschen nach Worten der Ärztekammer Hamburg Untersuchungen möglichst lange hinaus. Das sei beunruhigend, sagt Kammerpräsident Pedram Emami. „Erstsymptome werden von manchen Patientinnen oder Patienten länger toleriert. Kollegen sind häufiger mit Fällen konfrontiert, die in einem fortgeschrittenen Stadium sind.“ Auch Vorsorgeuntersuchungen würden oft verschoben. Werde beispielsweise eine Krebserkrankung später erkannt, sei die Prognose schlechter.
Corona: Hamburger verschieben Vorsorgeuntersuchungen
Konkrete Zahlen, wie viele Untersuchungen wegen der Pandemie nicht wahrgenommen würden, liegen der Ärztekammer zwar nicht vor, sagte der 51-Jährige. Untersuchungen mehrerer Krankenkassen scheinen seinen Worten zufolge diese Beobachtung aber zu bestätigen. Emami appellierte an die Hamburgerinnen und Hamburger, nicht aus Angst vor einer Corona-Infektion auf wichtige Untersuchungen zu verzichten. „Alle Praxen und alle Krankenhäuser halten hygienische Regeln ein. Man muss nicht die Sorge haben, dass man am Ende mit einer Covid-Erkrankung nach Hause kommt“, sagte Emami.
Es ist vermutlich nicht mehr als ein kurzes Innehalten in einer insgesamt dramatischen Aufwärtsentwicklung: Die Gesundheitsbehörde meldete am Sonntag 702 Neuinfektionen mit dem Coronavirus. Vor einer Woche waren 1035 neue Fälle registriert worden. Folglich sank die Sieben-Tage-Inzidenz, die die Zahl der Erkrankungen innerhalb einer Woche bezogen auf 100.000 Einwohner angibt, auf 611,6.
Am Sonnabend hatte die Inzidenz mit 629,1 bei 2256 gemeldeten neuen Fällen einen neuen Höchststand erreicht. Vier Menschen, bei denen auch eine Sars-CoV2-Infektion vorlag, sind gestorben, sodass sich die Zahl der Todesfälle seit Beginn der Pandemie auf 2029 erhöht hat. Insgesamt haben sich in Hamburg 155.008 Menschen infiziert, von denen 126.200 als geheilt gelten.
Corona: Erwarten Hamburg weitere Rekordwerte an Neuinfektionen?
Doch, wie um gar nicht erst Zuversicht aufkommen zu lassen, versah die Gesundheitsbehörde den leichten Rückgang der Fallzahlen am Sonntag mit einem Warnhinweis. „Absehbar werden wir aufgrund der aktuell hohen Dynamik des Infektionsgeschehens für weitere Tage ,Rekordwerte‘ an Neuinfektionen sehen“, sagte Behördensprecher Martin Helfrich. Das gehe auch an der Meldelage nicht spurlos vorüber.
Zwar bemühe sich die Behörde, alle positiven Befunde „so zügig als möglich“ zu erfassen. Es bleibe auch dabei, täglich die jeweils bis dahin verarbeitete Fallzahl zu melden. „Es ist aber davon auszugehen, dass die Zahl der tatsächlichen Fälle und damit auch die tatsächliche Inzidenz höher sein kann als angegeben“, sagte Helfrich. Die Labore übermittelten wegen der hohen Probenzahl die Befunde mittlerweile später, und auch die Gesundheitsämter hielten bei der Datenerfassung „nur mühsam Schritt“.
Omikron-Variante in Hamburg vorherrschend
Unterdessen bestätigt die zuständige Behörde nunmehr, dass die Omikron-Variante des Virus vorherrschend ist. „Wir gehen aufgrund laufender Untersuchungen und Hochrechnungen davon aus, dass derzeit rund 90 Prozent des Infektionsgeschehens in Hamburg auf diese Variante zurückzuführen ist“, sagte Helfrich. Für Omikron-Fälle werden nun keine gesonderten Maßnahmen mehr erfordert, weil die Variante nicht mehr die Ausnahme – wie noch vor wenigen Wochen – ist, sondern die Regel.
In ein im Dezember zum Teil heftig diskutiertes Problem der Fallzahlen-Statistik glaubt die Behörde nun Licht bringen zu können. Wie in Bayern wurde auch in Hamburg die Inzidenz getrennt für Geimpfte und Ungeimpfte angegeben und veröffentlicht – mit mehrfach höheren Werten für die Ungeimpften. Dann stellte sich heraus, dass bei einem erheblichen Teil der gemeldeten Neuinfektionen der Impfstatus nicht bekannt war, sie folglich auch nicht in die Inzidenzberechnung einflossen.
Inzidenz bei Ungeimpften deutlich höher als bei Geimpften
Die Behörde kündigte eine Nacherhebung an, deren erste Ergebnisse nun vorliegen. In der Woche vom 8. bis zum 14. November wurden zum Beispiel 3462 Neuinfektionen gemeldet, von denen in mehr als 2000 Fällen der Impfstatus nicht bekannt war. Nunmehr konnten 2662 der 3462 Fälle (77 Prozent) aufgeklärt werden. Auf der Basis dieser bislang zugeordneten Fälle beträgt die Inzidenz für Geimpfte 92,7 und für Ungeimpfte 270,0. „Durch die Nachbearbeitung zeigt sich eine dreimal höhere Inzidenz bei Ungeimpften als bei Geimpften“, sagte der Behördensprecher.
Ein weiteres bisweilen emotional diskutiertes Thema ist die Frage, ob Schulen Ausgangspunkte für Infektionsherde darstellen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat nun in seinem aktuellen „Epidemiologischen Bulletin“ eine Auswertung des Infektionsgeschehens unter Schülerinnen und Schülern an Hamburger Schulen veröffentlicht. Das Hamburger Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ) hat dazu die an die Schulbehörde gemeldeten Infektionsfälle von Schülern im Zeitraum vom 4. August 2020 bis zum 3. Oktober 2021 ausgewertet.
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31,8 Prozent der infizierten Schüler steckten sich in Schule an
Danach ergibt sich in 2281 der 7165 Fälle ein möglicher Schulkontext. Das entspricht einem Anteil von 31,8 Prozent. Dass sich ein Schüler in der Schule angesteckt haben könnte, wurde immer dann angenommen, wenn es eine Infektion innerhalb von 14 Tagen in derselben Jahrgangsstufe nach einer ersten gemeldeten Infektion („Indexfall“) gab.
Insgesamt wurden in dem untersuchten Zeitraum 656 Ausbrüche an 276 der 473 Schulen (einschließlich Vorschulklassen und Schulen des Gesundheitswesens) registriert. Bei 48,4 Prozent der Ausbrüche wurde neben dem Indexfall lediglich ein weiterer Schüler infiziert, in 18,3 Prozent waren es zwei weitere Schüler. Bei fünf Ausbruchsgeschehen wurden jeweils mehr als 30 weitere Infektionen gemeldet, der Höchstwert lag bei 52 Fällen an einer Schule.
2,8 Prozent der Hamburger Schüler mit Corona infiziert
Insgesamt wurden 2,8 Prozent (7165 Fälle) der 257.216 Schülerinnen und Schüler mit dem Coronavirus infiziert. Im gleichen Zeitraum lag der Anteil der Infizierten an der Gesamtbevölkerung bei 4,5 Prozent. Am stärksten von Infektionen betroffen waren die Stadtteilschulen, an denen 3,9 Prozent der Schüler erkrankten, während Grundschulen (2,2 Prozent) und Gymnasien (2,1 Prozent die niedrigsten Werte aufwiesen. Die Differenz zwischen Stadtteilschulen und Gymnasien sei „ein Anzeichnen der sozial ungleichen Risiken einer Sars-CoV-2-Infektion“, heißt es in der Studie.
Tendenziell waren die Schüler höherer Klassen stärker betroffen als die unterer Klassen. Das IfBQ weist darauf hin, dass die Datenlage „keine exakte Rekonstruktion der Infektionsketten“ erlaube. „Insgesamt deuten die Ergebnisse jedoch darauf hin, dass Infektionen im Schulkontext vermutlich in geringerem Umfang vorkommen als außerhalb des Schulsettings“, heißt es weiter.