Norderstedt. Personal in medizinischen Berufen muss bis Mitte März geimpft sein. Pflegedienste in Norderstedt vermelden schon die ersten Abgänge.
Ein neues Gesetz sorgt derzeit für Diskussionen und teilweise auch für große Unruhe bei Menschen, die im Kreis Segeberg in medizinischen Berufen oder in der Pflege tätig sind. Stein des Anstoßes ist die sogenannte Einrichtungsbezogene Impfpflicht, die der Bundestag am 10. Dezember des vergangenen Jahres beschlossen hat.
Personen, die in besonders sensiblen Bereichen - beispielsweise in Krankenhäusern oder in der Altenpflege – tätig sind, müssen bis zum 15. März nachweisen, dass sie vollständig gegen Covid-19 geimpft oder genesen sind – oder dass sie aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden dürfen. Anderenfalls dürfen sie in ihren Jobs nicht mehr arbeiten.
Impfpflicht: Ambulante Pflegedienste mussten Mitarbeiter entlassen
Wie berichtet, befürchten Seniorenpflegeheime im Kreis deshalb, einen Teil ihrer Beschäftigten zu verlieren. Das Problem betrifft auch den Bereich der ambulanten Altenpflege. „Ich habe wegen der Impfpflicht eine Mitarbeiterin verloren und werde eine weitere verlieren“, sagt Kornelia Knaack. Sie ist Pflegedienstleiterin bei dem ambulanten Pflegedienst Elim Mobil in Norderstedt, der 42 Mitarbeiter hat. Eine der betreffenden Mitarbeiterinnen sei in der Pflege tätig, eine im Bereich der Hauswirtschaft. Beide wollten sich nicht impfen lassen. Kornelia Knaack: „Wir haben mehrere Gespräche mit den beiden geführt, auch unser Betriebsarzt hat versucht, sie zu überzeugen. Aber das war leider nicht erfolgreich.“
Zur Folge des Verlustes sagt Kornelia Knaack: „Das bedeutet für die anderen jetzt mehr Arbeit. So einfach bekommt man ja kein neues Personal.“ Die Impfpflicht sieht Knaack deshalb aber nicht kritisch: „Wir haben 140 Patienten, die müssen wir schützen. 99 Prozent unserer Mitarbeiter sehen das genauso. Ich akzeptiere, wenn sich jemand nicht impfen lassen will. Aber dann muss man eben mit Konsequenzen rechnen.“
Impfpflicht verschärfe Personalmangel in der Pflege
Auch bei dem ambulanten Pflegedienst „Hope and Care“ in Bad Segeberg, für den elf Mitarbeiter tätig sind, stehen Personalabgänge an. „Ich stehe kurz davor, jemand wegen der Impfpflicht zu verlieren“, sagt Inhaberin Jennifer Strauß. Das Gesetz sieht sie deshalb „definitiv kritisch“. Es böte „keine Lösung“, da es im Pflegebereich ohnehin schon Personalmangel gebe. Ihre übrigen Mitarbeiter seien geimpft, einige allerdings seien ebenfalls skeptisch, „die ziehen nun nach, aber mit einem unguten Gefühl.“
Zur Folge des Personalverlusts sagt sie: „Mir fehlt dann halt eine Pflegefachkraft und ich bekomme Tourenprobleme.“ Neues Personal sei nur sehr schwierig zu bekommen. Diese Sorgen hat Rocco Worm, Pflegedienstleiter bei dem Dienst „Pflege zu Hause“ in Norderstedt, nicht: alle seiner acht Mitarbeiter seien geimpft.
Physiotherapeuten und Rettungsdienste sehen kaum Probleme
Marcel Berg, Inhaber des Physiotherapiezentrums Berg in Kaltenkirchen, fürchtet ebenfalls keine Personalabgänge – denn „alle meiner acht Mitarbeiter sind geimpft.“ Das Gesetz sieht er nicht negativ. Berg sagt aber: „Es gibt in Kaltenkirchen und Umgebung Praxen, in denen das anders bewertet wird, weil sie einige Mitarbeiter verlieren.“ Von weiteren Physiotherapie-Praxen im Kreis Segeberg gab es aber gestern keine Auskünfte zu diesem Thema.
Das neue Gesetz betrifft auch Rettungssanitäter und Krankenwagenbesatzungen – bei der Rettungsdienst- Kooperation in Schleswig-Holstein (RKiSH) sieht man dem 16. März aber eher gelassen entgegen. RKiSH-Sprecher Christian Mandel rechnet nicht mit Personalabgängen im größeren Umfang. „Unsere Impfquote ist bei über 1300 Beschäftigten in den Bereichen Einsatzdienst und Verwaltung größer als 95 Prozent“, sagt Mandel. Und weiter: „Jegliche Personalverluste, ob durch Krankheit oder sonstige Faktoren, werden momentan durch flexible Dienstpläne kompensiert.“
- „Mit ungeimpften Patienten diskutiere ich nicht mehr“
- Omikron: „Man muss sich Worst-Case-Szenarien überlegen“
- Impfpflicht in Einrichtungen: Bundestag stimmt Gesetz zu
Ähnlich wird die Lage in den Segeberger Kliniken bewertet. Von den etwa 2000 Beschäftigten seien weniger als fünf Prozent noch nicht beziehungsweise noch nicht vollständig geimpft beziehungsweise genesen, sagt Sprecherin Lea Petzold. „Wir gehen davon aus, dass sich weitere bisher unentschlossene Mitarbeiter für die Impfung entscheiden werden“, so Petzold. Bisher hätten das nur wenige ausgeschlossen, sodass man hoffe, dass die Personalverluste überschaubar sein werden. Vom Paracelsus-Klinikum in Henstedt-Ulzburg gab es gestern keine Antwort auf ein entsprechende Abendblatt-Anfrage.
Impfpflicht sei "ein großes Druckmittel"
Menschen, die bei gesundheitlichen Problemen Heilpraktiker aufsuchen, brauchen sich offenbar auch keine Sorgen zu machen. „Ich glaube wirklich nicht, dass jemand wegen der Impfpflicht seine Praxis aufgibt“, sagt Ralf Jörgensen, Vorsitzender des Landesverbandes Schleswig-Holstein der Union Deutscher Heilpraktiker (UdH). Die Pflicht sei ein „großes Druckmittel“, er glaube, dass die meisten Kollegen, so wie er, geimpft seien. Jörgensen: „Ich glaube auch, dass es besser ist, sich impfen zu lassen.“ Allerdings hält er die Pflicht nicht für gut: „Es gibt Leute, die wollen das aus Überzeugung nicht. Die muss man lassen.“