Hamburg. Höher, dichter und in Geschäftsvierteln: Neues Bundesgesetz gibt Städten deutlich mehr Rechte. Wie der Senat diese nutzen will.
Die niedrig hängenden Früchte seien längst geerntet, jetzt werde es komplizierter – so heißt es immer wieder aus Senat und Bezirken, wenn es um Wohnungsbau geht. Gemeint ist: Nach fast zehn Jahren „Bündnis für das Wohnen“ mit zunächst 6000 und dann 10.000 Baugenehmigungen pro Jahr gibt es kaum noch Grundstücke, die relativ zügig für den Bau neuer Wohnungen zur Verfügung stehen. Für die deswegen nötigen Nachverdichtungen, Aufstockungen von Gebäuden oder anteiligen Wohnungsbau in Gewerbegebieten aber gibt es bisher harte gesetzliche Grenzen.
Um dieses Problem abzumildern, mit dem vor allem Großstädte kämpfen, hat der Bund ein neues Gesetz beschlossen: das im Juni in Kraft getretene „Baulandmobilisierungsgesetz“. Es enthält neue Instrumente zur Erleichterung des Wohnungsbaus: Behörden können einfacher Befreiungen von Bebauungsplänen erteilen; Dachgeschossausbauten und Anbauten werden erleichtert; die Vorkaufsrechte der Kommunen werden gestärkt; und es können spezielle (sektorale) Bebauungspläne aufgestellt werden.
Zudem werden die Möglichkeiten für „Baugebote“ ausgebaut, durch die die Bebauung von Grundstücken und Baulücken angeordnet werden kann – und für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ist künftig eine Genehmigung der Behörden nötig.
Wohnungsbau: Was sich für Hamburg ändert
Einige dieser Instrumente sind nur in Gebieten mit einem „angespannten Wohnungsmarkt“ anwendbar. Deswegen hat der Senat am Dienstag eine Verordnung erlassen, in der offiziell festgestellt wird, dass der Wohnungsmarkt in ganz Hamburg angespannt ist.
Mit den neuen Möglichkeiten können nun etwa höhere Geschosszahlen genehmigt werden, als in einem Bebauungsplan vorgesehen sind. Zudem kann die Stadt anordnen, dass lange brachliegende Grundstücke bebaut werden – oder diese leichter kaufen. Auch eine dichtere Bebauung wird ermöglicht. Deutlich einfacher wird es, bestehendes Baurecht aufzuheben, sodass in bisherigen Gewerbegebieten künftig auch Wohnungen gebaut werden können. Hier hat die Stadt nach eigenen Angaben bereits 25 bisherige „Geschäftsgebietsflächen“ in den Bezirken Nord, Mitte und Harburg im Auge, in denen künftig auch Wohnungen gebaut werden sollen.
Mehr Wohnungen: Hamburg freut sich
„Das Baulandmobilisierungsgesetz bietet große Chancen für mehr bezahlbaren Wohnraum, den wir dringend brauchen“, sagte Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD). „Deshalb haben wir uns auf Bundesebene intensiv dafür eingesetzt. Mit der Verordnung stellen wir sicher, dass die Neuerungen jetzt schnell und effektiv zum Tragen kommen.“ Gezielt auf den Wohnungsbau zugeschnittene „Baugebote und gestärkte Vorkaufsrechte“ ermöglichten es der Stadt, „entschlossen gegen Grundstücksspekulationen vorzugehen“, so die Senatorin. „Enorm wertvoll sind auch die erleichterten Baugenehmigungen im Befreiungswege: Sie geben uns innerhalb des Planrechts mehr Spielraum für den dringend benötigten Wohnungsneubau.“
Der Eimsbüttler Bezirksamtsleiter Kay Gätgens (SPD) hofft auf „mehr Schlagkraft im Vorgehen gegen Spekulation und brachliegende Wohnbauflächen“. Zudem gebe es nun mehr Flexibilität bei Baugenehmigungen. „Mit Aufstockungen oder sonst nicht zulässigen Bebauungen lässt sich das vorhandene Potenzial der Grundstücke besser ausnutzen“, so Gätgens. „Für die Bezirke bedeutet das mehr Beinfreiheit, um das Wohnungsbauprogramm fortsetzen zu können. Wir können die neuen Chancen aber nur ausschöpfen, wenn uns in den Bezirken auch entsprechende Bauanträge vorliegen. Deshalb appelliere ich an alle Bauherrinnen und Bauherren: Loten Sie aus, was auf Ihren Flächen vielleicht möglich gemacht werden kann!“
Wie viele zusätzliche Wohnungen mithilfe des neuen Gesetzes gebaut werden können, lasse sich noch nicht sagen, so Senatorin Stapelfeldt.
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Ein Schub für den Wohnungsbau in Hamburg
Ein großes Lob für die Senatsentscheidung kam vom Direktor des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), Andreas Breitner. „Die Hansestadt zeigt einmal mehr, wie moderne Stadtentwicklungspolitik funktioniert“, sagte Breitner. „Mehr Flexibilität bei der Ausweisung von Wohngebieten, bei der Aufstockung von Wohngebäuden und mehr Wohnungsbau an den Hauptverkehrsachsen sind dazu wichtige Schritte. Angesichts des Mangels an Baugrundstücken erhoffe ich mir durch die neuen Regelungen einen weiteren Schub für den Wohnungsbau.“
CDU-Stadtentwicklungspolitikerin Anke Frieling dagegen wies darauf hin, dass höheres und dichteres Bauen „nicht in allen Teilen der Stadt auf Begeisterung stoßen“ würden. „Die neuen Instrumente sollen die Schaffung von Planrecht beschleunigen und erleichtern“, so Frieling. „Scheitern kann und wird dies nach wie vor an den zu geringen Planungskapazitäten der Bezirke – hier herrscht seit Jahren Personalmangel.“