Hamburg. In dem Quartier entstehen 1700 Wohnungen und 171 Kleingärten. In dem Areal am Stadtpark wird fast nichts dem Zufall überlassen.
Ihr neues Heim sollte zentral liegen, aber mit viel Grün in der Nähe, außerdem wünschte sich Katharina Krull-Euler einen Aufzug, eine Tiefgarage und eine nette Nachbarschaft. All das hat die Apothekerin im Norden des Pergolenviertels, am Winterlindenweg, gefunden. Im Februar 2020 zog sie in eines der ersten fertiggestellten Gebäude des Wohnquartiers, das seit 2016 nahe dem Stadtpark heranwächst.
In zwölf drei- bis 17-stöckigen Gebäudekomplexen werden hier 1700 Wohnungen entstehen, davon 60 Prozent öffentlich gefördert, außerdem drei Kitas mit 300 Plätzen, ein Lehrschwimmbecken, Arztpraxen, 170 Kleingärten sowie Parkflächen, Spiel- und Bolzplätze. Arkadengänge, durchlässige Innenhöfe und Backstein sollen an die Fritz-Schumacher-Ära erinnern, großformatig angelegte Baukörper die Dimensionen der benachbarten City Nord aufgreifen. Die Wege um das Quartier herum werden von Pergolen überspannt, die gemeinschaftlich bepflanzt werden sollen.
„Wie aus einem Guss, aber trotzdem abwechslungsreich“
Vom Balkon ihrer Eigentumswohnung blickt Katharina Krull-Euler in einen Innenhof, der mit seinen Grünflächen, Spielgeräten und Sitzgelegenheiten typisch für das Viertel ist. Ebenso charakteristisch ist die handwerklich aufwendig gestaltete Backsteinfassade des Gebäudes sowie die in Schwarz gehaltenen Fenster-, Tür- und Balkonelemente. Für die gesamte Bebauung des Pergolenviertels gilt ein Gestaltungsleitfaden, der dem Quartier eine schon jetzt sichtbare einzigartige Charakteristik verleiht.
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„Wie aus einem Guss, aber trotzdem abwechslungsreich“, sagt Katharina Krull-Euler. Festgelegt sind unter anderem die Farbe und Beschaffenheit der Ziegel, die den Fassaden – ergänzt durch unterschiedliche Setzweisen – eine besondere Lebendigkeit verleihen, und die hohen Rundbogendurchgänge, die in die Höfe führen. Darüber hinaus ist für den Backstein ein Farbverlauf vorgesehen, der sich von einem rötlichen Grau im Norden des Quartiers zu einem grauen Rot im Süden entwickelt. Gegenläufig dazu blühen die unterschiedlichen Sorten des zum Quartiersbaum erkorenen Weißdorn rosa-rot im Norden und Weiß im Süden des Quartiers.
Mobilitätsstation mit Fahrradwerkstatt
Wie der Farbverlauf zeichnet sich auch die angestrebte Durchmischung der Bewohner schon ab. Neben den bereits bezogenen Eigentumswohnungen in Katharina Krull-Eulers Nachbarschaft hat die Saga Unternehmensgruppe im Norden und im Süden des Quartiers insgesamt mehr als 360 öffentlich geförderte Zwei- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen für Singles, Paare und Familien sowie Wohnungen für Menschen mit Assistenzbedarf sowie eine Kita und einen Quartiers- und Bewegungsraum für die Bewohnerinnen und Bewohner fertiggestellt.
Dieses und kommendes Jahr werden dann die zwei Gebäude der Hansa Baugenossenschaft, die am zentralen Loki-Schmidt-Platz entstehen, bezogen. Hier entstehen insgesamt 116 Zwei- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen, die teils öffentlich gefördert, teils frei finanziert werden (Mietpreis voraussichtlich 14,50 Euro pro Quadratmeter), außerdem Ateliers, ein Kiosk mit Paketstation, eine Mobilitätsstation mit Fahrradwerkstatt, ein bereits eröffneter Bio-Hofladen, ein Familien-Café, eine bilinguale Kita sowie eine Tagesstätte des Vereins „Leben mit Behinderung“.
Rest des Pergolenviertels wird bis voraussichtlich 2023 Baustelle bleiben
Der Rest des Pergolenviertels wird noch bis voraussichtlich 2023 Baustelle bleiben – bis dahin wollen alle Bauherren ihre Gebäude fertigstellen: Im Norden wird die Wohnkompanie Nord GmbH ein 17-stöckiges Hochhaus mit 200 öffentlich geförderten Studentenapartments, 81 frei finanzierte Apartments und 78 frei finanzierte Mietwohnungen, 20 Apartments für das Projekt „Hier wohnt Hamburgs Jugend“ sowie Praxis- und Gewerbeflächen errichten. Im Süden baut die Hansa Baugenossenschaft weitere 88 Mietwohnungen sowie Mutter-Kind-Wohnungen im ersten und zweiten Förderweg.
Die Buwog errichtet hier ein Gebäude mit 92 Mietwohnungen, Wohnraum für sozialtherapeutisches Wohnen, Gemeinschaftsräumen und einem Kiosk mit Bäcker und Paketannahme, die noch nicht in der Vermarktung sind. Daneben baut das Unternehmen Evoreal 122 Eigentumswohnungen, einige davon als Townhouses, die bereits überwiegend verkauft sind (Quadratmeterpreise ab 7000 Euro). In der Nachbarschaft werden verschiedene Baugemeinschaften weitere 130 Wohnungen errichten, davon einige für Flüchtlinge, sowie ein Nachbarschaftscafé.
Viele neue Ideen
Nach der langen Entwicklung, an der sich immer schon viele Interessierte beteiligt haben, stecke das Pergolenviertel jetzt in der Pubertät, sagt Maike Schwarz-Müller vom Bezirksamt Hamburg-Nord. „Nach und nach die Bewohner dazu. Neben vielen sprudelnden neuen Ideen geht es jetzt auch um Beschwerden über störende Gerüche, illegales Parken und Verstopfungen der unterirdischen Müllcontainer. Aber das ruckelt sich in den nächsten Jahren sicher noch zurecht.“
Die Stadtplanerin begleitet die Entstehung des Pergolenviertels seit zehn Jahren begleitet. Alles, was seither geplant und umgesetzt wurde, lief über ihren Schreibtisch. Auch die Einrichtung eines Quartiersmanagements, das sich für die Belange der Bewohner einsetzt und in dessen Entwicklung die Stadt ein Prozent der Einnahmen aus den Grundstücksverkäufen gesteckt hat.
Bewohner sprachen bei der Gestaltung des Viertels mit
Überhaupt ist die Beteiligungskultur im Pergolenviertel beispielhaft. Schon seit 2011 gibt es die Kommunikationsplattform Forum Pergolenviertel und die AG „Leben im Pergolenviertel“. Gemeinsam haben sie verschiedene Leitsätze und Anforderungen für die Planungen formuliert: an die Architektur (Loggien zur Straßen hin, Balkone zu den Innenhöfen), die soziale Infrastruktur (Gemeinschaftsprojekte, benutzergerechte Grundrisse), den Städtebau (Anbindung an die Fuhlsbüttler Straße durch Wege über die S-Bahn), die Freiraumgestaltung (viele Kleingärten und Spielplätze) oder das Mobilitätskonzept (Carsharing und Leihfahrräder). .
Dass dieses vorzeitig installiert wird, war mit eine Idee der AG „Leben im Pergolenviertel“. Diese wurde von Bernd Tißler mitbegründet, damals Schulleiter der heutigen Emil-Krause-Schule in Barmbek. „Uns war es wichtig, dass die späteren Anwohnerinnen, Institutionen, Wohngemeinschaften, Anrainer, Planer und Investoren frühzeitig zusammenfinden“, sagt der Pädagoge, der sich dem Rundgang durch das wachsende Quartier angeschlossen hat.
Gelungenes Ergebnis zur Bürgerbeteiligung
„Es ist schon beeindruckend, wie viel von den ersten Planungen umgesetzt wurde. Das Pergolenviertel ist ein rundum gelungenes Ergebnis zur Bürgerbeteiligung.“ Auch die Idee, einen Bezug zu Loki Schmidt herzustellen, stammte von der AG und wurde umgesetzt. Die für die Botanik begeisterte Lehrerin sammelte früher gern auf ihrem Schulweg über das Kleingartengelände und durch den Stadtpark schützenswerte Pflanzen für den Unterricht.
Nach ihr wurde der zentrale Platz im nördlichen Pergolenviertel benannt, im Süden entsteht das Kooperationsprojekt „Lokis Blumenwiese“ zum gemeinsamen Gärtnern für Anwohner und Kleingärtner. Katharina Krull-Euler überlegt, ebenfalls bei dem Kleingarten-Projekt mitzumachen. Auf jeden Fall aber möchte sie eine Pflanzpatenschaft für eine der zahlreichen Pergolen übernehmen. Ihre Nachbarn endlich auf Bewohnerfesten und Eigentümerveranstaltungen kennenlernen, die bislang wegen Corona ausgefallen sind. Und später mit ihren Enkeln in das Schwimmbad gehen, das am Loki-Schmidt-Platz entsteht.