Hamburg. Innensenator muss sich am Donnerstag Fragen im Innenausschuss stellen. Warum Gastronomen nun eine Klage gegen die Stadt prüfen.
Der Innensenator müsse „durchs Feuer“ gehen – das sagen selbst Vertraute, die es gut mit Andy Grote (SPD) meinen. Am Donnerstag soll er sich nach einem umstrittenen „Stehempfang“ im Innenausschuss der Bürgerschaft den Fragen der Parlamentarier stellen. Die gesamte Opposition fordert Grotes Rücktritt. Und Gastronomen prüfen anlässlich des Vorfalls, die Stadt zu verklagen. Unterdessen werfen neue Details ein trübes Licht auf Grote und eine Reihe von SPD-Abgeordneten, die ebenfalls an dem Umtrunk teilnahmen.
Auf Anfrage bestätigte die Bürgerschaftsfraktion, dass die „in der Presseberichterstattung“ genannten Parlamentarier Grotes Einladung zum Anstoßen in der „Toni Bar“ des Club 20457 in der HafenCity gefolgt sind. Dabei handelt es sich um Arne Platzbecker, Hansjörg Schmidt, Julia Barth und Annkathrin Kammeyer sowie die Ex-Abgeordnete Henriette von Enckefort, die alle privat mit Grote befreundet sein sollen. Auch der Bezirksabgeordnete Yannick Regh soll an dem Treffen teilgenommen haben, das keine Feier gewesen sein darf. Regh werden Ambitionen auf die Nachfolge des kürzlich zurückgetretenen SPD-Kreischefs und Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs nachgesagt.
Abgeordnete hatten offenbar keinen Zweifel an Legalität von Grotes Umtrunk
Offenbar stellte keiner der SPD-Abgeordneten die Rechtmäßigkeit der mehrstündigen Zusammenkunft in einer Bar infrage. In der Fraktionssitzung der SPD am Montag hatte es keine sonderlich deutliche Kritik am Senator, sondern Solidaritätsbekundungen gegeben.
Grote betont, die Zusammenkunft sei politisch und moralisch ein „Fehler“ gewesen, juristisch aber legal. Es habe sich um eine „Verabredung zu einem gemeinsamen Gastronomiebesuch“ gehandelt, bei der auch die Obergrenze von zehn Gästen aus zwei Haushalten überschritten werden kann – damit hätte Grote eine „Regelungslücke“ ausgenutzt, wie es in Senatskreisen heißt. Bei Gastronomen und in der Öffentlichkeit war diese größtenteils nicht bekannt und nicht vom Senat kommuniziert worden.
Keine Feier? Innensenator bezahlte die Getränke – für alle seine Gäste
Auf die Frage des Abendblattes, wie die SPD diesen Umstand bewerte, sagte Dirk Kienscherf, Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion: „Die Verhaltensregeln in der Corona-Krise sind vom Senat beschlossen und umfassend erläutert worden. Zudem sind die Verordnungen des Senats öffentlich einsehbar.“ Unabhängig davon gelte es aber, die Möglichkeiten der Rechtsverordnung „sehr zurückhaltend“ auszuschöpfen. „Wir teilen daher die Einschätzung des Innensenators, dass er besser anders gehandelt hätte“, so Kienscherf.
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Dass die Bußgeldstelle in der Innenbehörde den Umtrunk auch als „gemeinsamen Gastronomiebesuch“ einstuft, ist alles andere als sicher. Vielmehr wird in Polizeikreisen und Senat für wahrscheinlicher gehalten, dass der Umtrunk rechtlich den Charakter einer „Feierlichkeit“ hatte und mit einem Bußgeld von 500 oder 1000 Euro sanktioniert wird.
Dafür spricht etwa, dass sich neben Grote und seiner Frau 29 Teilnehmer in die ausliegenden Listen eingetragen haben und die Zusammenkunft in einem abgetrennten Bereich stattfand. Wie ein Sprecher der Innenbehörde auf Nachfrage des Abendblattes bestätigte, lud Grote nicht nur allein alle Teilnehmer mündlich oder per Textnachricht in die Bar ein – er bezahlte auch die gesamte Getränkerechnung, was als klares Indiz für eine Gastgeberrolle gilt.
Grote schweigt weiter zu zentralen Fakten der Zusammenkunft
Für den Moment kann sich Grote aber der politischen Rückendeckung des Bürgermeisters gewiss sein. Peter Tschentscher (SPD) beließ es bislang bei einer scharfen Rüge und ließ verbreiten, dass ein solcher Fehler „nur einmal vorkommen“ dürfe. Auch eine mögliche behördliche Feststellung, dass die Feier illegal war, hätte nicht zwangsläufig eine Entlassung des Senators zur Folge, heißt es dazu in Koalitionskreisen.
Auch auf wiederholte Nachfragen des Abendblattes schweigt Grote bislang zu vielen Details der Zusammenkunft. So wollte ein Sprecher weder die genaue Dauer des Umtrunks, noch die Höhe der Getränkerechnung mitteilen. Auch die Frage, ob Grotes Staatsräte Christoph Holstein und Bernd Krösser (beide SPD) oder andere Mitarbeiter der Innenbehörde in der Bar vor Ort waren, lässt Grote unbeantwortet. Es habe sich um eine rein private Zusammenkunft des Senators gehandelt, heißt es dabei zur Begründung. Andere Senatsmitglieder sollen jedoch nicht vor Ort gewesen sein.
Gastronomen prüfen wegen "Regelungslücke" Klage gegen die Stadt
Unter Gastronomen ist der Ärger über die Affäre und die Nutzung der „Regelungslücke“ groß. „Bislang sind wir davon ausgegangen, dass sich nur zwei Haushalte mit maximal zehn Personen treffen dürfen“, sagt Lars Brinkmann, der eine der bekanntesten Hamburger Firmen für Eventausstattung und große Banken, Versicherungen und die Handelskammer zu seinen Kunden zählt. „Aber jetzt kommt im Zuge des Empfangs von Innensenator Grote heraus, dass es ja anscheinend legal ist, wenn sich 30 oder mehr Personen treffen.“
Dieser Argumentation folgend hätten also bereits seit Wochen wieder kleinere Events stattfinden können. „Das heißt, der Senat hat unsere Branche über diese Regelung nicht informiert und dadurch verhindert, dass wir Geld verdienen“, so Brinkmann. Dafür solle die Politik nach Bekanntwerden der Affäre nun nach Möglichkeit zur Haftung gebracht werden. „Ich werde mich mit den Unternehmen aus meiner Branche austauschen und juristisch prüfen lassen, ob wir den Senat verklagen können.“
CDU-Innenpolitiker Dennis Gladiator zeigte sich fassungslos über den Fortgang der Affäre. „Der Innensenator klebt an seinem Stuhl, mit jedem weiteren Tag schadet das der Glaubwürdigkeit des gesamten Senats mehr“, so Gladiator. Jetzt suche Grote „auch noch nach Regelungslücken für sich, um behaupten zu können, er habe gegen nichts verstoßen“. Dies sei eines Senators unwürdig – und Grote daher nicht mehr tragbar.
Anmerkung: Am Dienstagabend teilte der Sprecher der Innenbehörde mit, dass sich neben Andy Grote und seiner Frau exakt 29 Teilnehmer in die ausliegenden Listen eingetragen hätten.