Hamburg. Hamburger Innensenator feierte mit 30 Gästen in einer Bar. CDU übt scharfe Kritik am Verhalten und fordert Rücktritt.

Deutlich zu viele Menschen beieinander, alkoholische Getränke und ausgelassene Stimmung: Es waren erneut Bilder, die der Senat wegen der Corona-Risiken nicht sehen will. Rund 1500 Menschen „cornerten“ am Sonnabend im Schanzenviertel auf Straßen und Gehwegen, die Polizei schritt mit Beamten vor Ort ein. In den vergangenen Wochen hatte vor allem Innen­senator Andy Grote (SPD) immer wieder darauf gepocht, die Disziplin hochzuhalten. Statt in aktuell mahnenden Worten ist Grote aber nun bei der Verteidigung seiner eigenen Glaubwürdigkeit gefragt.

Weil er am 10. Juni bei einer „lockeren Zusammenkunft“ mit insgesamt 30 Gästen in einer Bar in der HafenCity auf seine zweite Amtszeit angestoßen hatte, forderte die CDU am Sonntag den Rücktritt des Innensenators. „Ein Innensenator, der im Senat Regeln für alle Hamburgerinnen und Hamburger beschließt, dann aber dagegen verstößt, anstatt sie durchzusetzen, ist nicht länger tragbar für unsere Stadt“, so der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Dennis Gladiator. „Erst recht nicht, weil Grote keinerlei Einsicht und Schuldbewusstsein zeigt.“

Grote nach Privatparty: Es ist ein schlechtes Bild entstanden

Grote hatte bereits am Freitagabend nach einem ersten Bericht des Abendblatts über die Zusammenkunft sein Bedauern darüber ausgedruckt, dass der Vorfall so wirken könnte, als würde er es mit den Corona-Regeln nicht genau genug nehmen.

Am Sonntag ergänzte er gegenüber dem Abendblatt: „Es ist ein schlechtes Bild entstanden, und das tut mir ausdrücklich leid. Rückblickend wäre es besser gewesen, auf dieses Zusammentreffen zu verzichten.“ Er bleibt jedoch bei seiner Argumentation, dass bei der Zusammenkunft alle Corona-Auflagen der Rechtsverordnung erfüllt worden seien und es keine „Party“ gegeben habe, sondern nur eine „Art Stehempfang“ ohne Ausgelassenheit.

Lesen Sie auch:

Rechtlich ist diese Argumentation jedoch nicht nur bei der Opposition stark umstritten. Auch die internen Auslegungsrichtlinie für die Corona-Verordnung, die dem Abendblatt vorliegt, klingt wenig vorteilhaft für Grote. Veranstaltungen sind demnach weiterhin verboten, sofern sie nicht dezidiert gestattet wurden.

„Indizien für eine Feierlichkeit sind unter anderem eine nicht unerhebliche Anzahl von Gästen, eine erhöhte Lautstärke, feierliche Stimmung, erhöhter Alkoholkonsum“, heißt es darin. Und weiter: „Von einer Feierlichkeit kann in der Regel ausgegangen werden, wenn neben den Gastgebern mehr als acht Gäste zugegen sind“ Dabei sei immer der Einzelfall zu betrachten.

Innensenator lud per Textnachricht zu Umtrunk ein

Auch in Senatskreisen ist hinter vorgehaltener Hand davon die Rede, dass die Regeln eindeutig seien und eine Zusammenkunft mit 30 Gästen an einem Abend sehr wahrscheinlich einen Verstoß bedeute. Der SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf ließ es auf Anfrage aus, sich deutlich zu der Sichtweise Grotes zu bekennen. „Der Innensenator hat mir versichert, dass diese Zusammenkunft den rechtlichen Rahmenbedingungen entsprach. Da ich selber nicht dabei war, verlasse ich mich auf seine Aussage.“

Interaktive Karte: Das Coronavirus in Deutschland und weltweit

Nach Abendblatt-Informationen hatte Grote den Club 20457 an der Osaka­allee in der HafenCity als Ort für seinen Umtrunk ausgewählt. Aus der Innenbehörde hieß es dazu nur, dass ein anliegender Bereich eines Gastronomiebetriebes für die Zusammenkunft genutzt worden sei, „der an diesem Abend nicht für den regulären Betrieb benötigt wurde“. Eine Miete sei dabei nicht fällig geworden.

In der Antwort auf einen umfangreichen Fragenkatalog des Abendblatts zu dem Umtrunk gab die Innenbehörde am Sonntagabend erstmals Details zu dem Treffen preis. Demnach habe Grote den Umtrunk allein organisiert, die Teilnehmer mündlich und per Textnachricht eingeladen – und bereits dabei auf die geltenden Regelungen verwiesen. „Der Rahmen wurde bewusst so gewählt, dass alle geltenden Bestimmungen eingehalten werden konnten“, so der Behördensprecher Daniel Schaefer.

Abstandsregeln seien eingehalten worden

Die Zusammenkunft am 10. Juni habe „ein paar Stunden“ gedauert, so die Behörde auf Anfrage weiter – und dabei sei „maßvoll“ Alkohol konsumiert worden. Die Teilnehmer hätten keinen Mund-Nasen-Schutz getragen, da dies in der Gastronomie keine allgemeine Pflicht für Gäste sei, und die Abstandsregeln seien eingehalten worden. Alle Teilnehmer hätten wie vorgeschrieben ihre Kontaktdaten in eine Liste eingetragen.

Der Behördensprecher Schaefer bestätigte, dass keine Ausnahmegenehmigung für eine Veranstaltung vorgelegen hat – dies sei jedoch nach Sicht des Senators auch gar nicht nötig gewesen, da der Umtrunk „der Verabredung zu einem gemeinsamen Gastronomiebesuch“ entsprochen hätte.

Senatssprecher Marcel Schweitzer äußert sich nicht zu der Affäre

Wie das Abendblatt erfuhr, waren mehrere SPD-Bürgerschaftsabgeordnete unter den Gästen am 10. Juni. Die betreffenden Politiker ließen schriftliche und telefonische Anfragen dazu unbeantwortet. Hinter den Kulissen heißt es, dass die Gäste vermeiden wollten, mit dem Umtrunk in Verbindung gebracht zu werden. Auf seiner Website bittet der SPD-Kreisverband Mitte, zu dem auch Grote gehört, weiter um den „ganz großen Gefallen“, die Sozialkontakte auf ein Minimum reduziert zu lassen.

Senatssprecher Marcel Schweitzer wollte sich auf Anfrage nicht zu der Affäre äußern. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hatte wiederholt vor Verstößen gegen die Corona-Regeln gewarnt und vertritt eine strikte Linie. Tschentscher sei bislang aber noch nicht von Grote abgerückt, heißt es im Rathaus.

Grote bezeichnet Feier als "Fehler"

Am Montag ruderte Innensenator Grote zurück und räumt ein: “In einer Zeit, in der immer noch strikte Regeln gelten und viele auf vieles verzichten, darf nicht der Eindruck entstehen, dass gerade ich als Innensenator mich nicht an die Regeln halte. Sowas darf nicht passieren und ich kann das Unverständnis und den Ärger, den das bei vielen ausgelöst hat, sehr gut verstehen. Deshalb sage ich: Dieses Treffen hätte nicht stattfinden sollen, das war ein Fehler und dafür entschuldige ich mich ganz ausdrücklich.“