Hamburg. Mit viel Geld sollen Hamburgs Hochschulen saniert und erweitert werden – dafür müssen sie ein Stück Eigenständigkeit aufgeben.
Es ist eines der größten Investitionsprogramme, die Hamburg sich je vorgenommen hat: Der rot-grüne Senat will in den kommenden zwei Jahrzehnten rund 2,6 Milliarden Euro in die Sanierung und den Neubau von Hochschulgebäuden investieren. Damit soll eine Gebäude-Nutzfläche von 780.000 Quadratmetern erneuert oder auf Vordermann gebracht werden – das entspricht in etwa der Fläche von 100 Fußballfeldern. In der Summe sind bereits bekannte Projekte ebenso enthalten wie neue. So soll nun auch der Campus der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), mit gut 17.000 Studierenden Hamburgs zweitgrößte Hochschule, umfangreich modernisiert werden und Neubauten erhalten.
Um das neue Ziel zu erreichen, sollen künftig alle Bauprojekte im Mieter-Vermieter-Modell abgewickelt werden: Damit sind nicht mehr die Hochschulen selbst für die Planung und Beauftragung der Arbeiten zuständig, sondern dies übernimmt eine darauf spezialisierte städtische Immobilienfirma, die die neuen oder sanierten Gebäude dann an die Unis vermietet. In einigen Fällen, etwa bei der Sanierung des Philturms auf dem Campus Von-Melle-Park, wird bereits so verfahren. Künftig soll dies ausnahmslos so sein. Das kündigten Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) und Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) an.
Sanierung von Hochschulen: Es geht auch um "internationale Strahlkraft"
Beide verwiesen auf die Erfolge des Mieter-Vermieter-Modells im Schulbereich: Dort werden seit 2011 und noch bis 2030 sogar sechs Milliarden Euro in die Sanierung und den Neubau von Schulen investiert. Nachdem zwei Milliarden davon verbaut sind, seien die Kinderkrankheiten ausgemerzt und der bauliche Zustand der Schulgebäude habe sich von Note 4 auf 2 verbessert, sagte Dressel. „Jetzt wollen wir das Prinzip ,Gute Räume für gute Bildung’ auch auf die Hochschulen übertragen“, so der Finanzsenator. Im Schnitt würden bis 2037 rund 150 Millionen Euro jährlich verbaut.
„Eine gut bauliche und technische Infrastruktur ist ein wichtiger Standortfaktor, der die Attraktivität unserer Hochschulen steigert“, sagte Fegebank. Dabei gehe es auch um „internationale Strahlkraft“. Bislang gehe im komplexen Zusammenspiel von Hochschulen, Planern, Architekten und Behörden viel Zeit und Energie verloren. Daher schaffe man nun klare Strukturen: Die Hochschulen könnten sich als Mieter auf Forschung und Lehre konzentrieren und müssten nur noch ihre Bedarfe an Räumlichkeiten ermitteln.
Hochschulen müssen ein Stück Eigenständigkeit abgeben
Auf der anderen Seite stünden städtische Immobilienfirmen wie Gebäudemanagement Hamburg (GmH) oder die Sprinkenhof GmbH, die vollumfänglich für den baulichen Zustand der Gebäude sowie deren Funktionsfähigkeit verantwortlich seien. Einzige Ausnahme: Das Universitäts-Klinikum Eppendorf (UKE) soll dies über seine eigene Immobilientochter KFE (Klinik Facility-Management Eppendorf) gewährleisten, da die Ansprüche an Klinikgebäude als zu speziell gelten.
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„Künftig hat jeder seine klar definierte Rolle, die auch einzuhalten ist“, sagte Fegebank. Sie räumte ein, dass es im Vorfeld intensive Gespräche mit den Hochschulen gegeben habe, da diese zum Teil noch ganze Bauabteilungen unterhielten und nun ein Stück Eigenständigkeit abgeben müssten. Aber sie sei von dem Konzept überzeugt, so die Zweite Bürgermeisterin: „Man muss auch loslassen können.“ Der ungewöhnlich enge Schulterschluss zwischen der Wissenschafts- und der auch für Immobilien zuständigen Finanzbehörde beim Thema Schulbau und nun auch beim Hochschulbau werde nicht umsonst in anderen Städten und Bundesländern aufmerksam beobachtet.
Vorbild "Hamburger Modell" beim Schulbau: Ersparnis von 20 Prozent
Auswärtige Delegationen würden sich häufig nach dem „Hamburger Modell“ erkundigen, bestätigte GmH-Geschäftsführer Ewald Rowohlt. Abgesehen von den klaren Strukturen und dadurch schnelleren Abläufen könne er vor allem mit den Kosten überzeugen: Früher habe man Schulgebäude für rund 3.600 Euro pro Quadratmeter errichtet, im Mieter-Vermieter-Modell sei man inzwischen bei unter 3.000 Euro angekommen – eine Ersparnis von 20 Prozent.
Und analog zum Schulbereich, wo künftig mit einem standardisierten „Hamburger Klassenhaus“ gearbeitet werden soll, soll nun auch ein „Hamburger Hochschulhaus“ entwickelt werden. Wie sein kleineres Schul-Pendant handelt es sich dabei um ein einmal durchgeplantes und genehmigungsfähiges Funktionsgebäude, das in unterschiedlicher Geschosszahl und Form (etwa als Riegel oder in L-Form) immer wieder zum Einsatz kommen soll. Der Aufteilung im Inneren kann flexibel den Bedürfnissen der Hochschulen angepasst werden – Büros und Seminarräume sind ebenso möglich wie kleinere Vorlesungssäle oder Labore. Rowohlt und Dressel betonten allerdings, dass das „Hochschulhaus“ immer nur ergänzenden Charakter habe und keine repräsentativen oder städtebaulich prägenden Gebäude ersetzen solle oder könne.
Campus der HAW wird "erstes praktisches Beispiel" für neues Modell
Der Campus der HAW, auf dem unter anderem zwei in die Jahre gekommene Gebäude durch Neubauten ersetzt werden sollen, sei „das erste praktische Beispiel“ für die vollständige Überführung des Hochschulbaus ins Mieter-Vermieter-Model, sagte Fegebank. „Wir werden da einen Campus schaffen, der den Namen auch verdient hat.“ Die Nutzfläche der HAW solle dadurch von 50.000 auf 77.000 Quadratmeter gesteigert werden.
Sie erhoffe sich von der Strategie aber auch langfristige Effekte: „Wir wollen zu jedem Zeitpunkt moderne und sanierte Gebäude haben, das ist bislang nicht immer der Fall“, so Fegebank. „Das Mieter-Vermieter-Modell ist die nachhaltigste Lösung, um diese strategischen Ziele zu erreichen.“ Auch in der Science City Bahrenfeld rund um das renommierte Desy sollen diverse Neubauten entstehen.
Kritik an Mieter-Vermieter-Modell aus der Opposition
Doch es gibt auch Kritik. So hatte die CDU in der Bürgerschaft mehrfach die vom Senat angekündigte Evaluation des MVM eingefordert, also eine Untersuchung darüber, ob das Modell wirklich so wirtschaftlich ist. Den Auftrag dafür will der Senat demnächst vergeben. „Es kann nicht sein, dass der Senat große Bauvorhaben im Mieter-Vermieter-Modell ohne jegliche Wirtschaftlichkeitsprüfung startet“, hatte ihr Finanzexperte Thilo Kleibauer kritisiert.
Als ein Beleg für seine Skepsis sieht er das „Haus der Erde“ an: Denn der Zeitplan für den 176-Millionen-Euro-Neubau für die Uni Hamburg an der Bundesstraße ist wegen eines Streits mit einer Baufirma völlig aus dem Ruder gelaufen – obwohl es ein Mieter-Vermieter-Projekt ist. Statt der Eröffnung Ende 2019 gibt es derzeit gar kein Datum für den Abschluss der Arbeiten. Dressel und Fegebank räumten ein, dass bei diesem Projekt einiges schief gelaufen ist – sehen den Grund aber darin, dass es erst im Laufe der Planung zu einem Mieter-Vermieter-Model wurde. „Da haben wir Lehrgeld gezahlt“, sagte Dressel. „Das bestätigt uns darin, von Anfang an ganz auf das Mieter-Vermieter-Modell zu setzen.“