Hamburg. Laut Senat sprengt ein Drittel der Bauvorhaben den Kostenrahmen – für ein Gebäude gibt es gar keine Prognose mehr.
Es war im Jahr 2012, als der damalige SPD-Senat die Grundsätze für „kostenstabiles Bauen“ einführte – eine unmittelbare Reaktion auf die Kostenexplosion bei der Elbphilharmonie. Dass das neue Konzerthaus die Steuerzahler am Ende 789 Millionen Euro kosten würde, war zu dem Zeitpunkt zwar noch nicht klar – wohl aber, dass die vom früheren Bürgermeister Ole von Beust (CDU) angekündigten 77 Millionen Euro nicht mal annähernd der Realität entsprechen würden.
Knapp acht Jahre später zeigt sich nun, dass „kostenstabiles Bauen“ für die Stadt immer noch eine Herausforderung ist. Denn von 81 aktuellen Großprojekten erfüllen 27 oder exakt ein Drittel die Anforderungen bislang nicht: 14 von ihnen überschreiten die geplanten Kosten um bis zu zehn Prozent, weitere 13 laufen sogar um mehr als zehn Prozent aus dem Ruder – und das, obwohl nach den neuen Grundsätzen immer auch gewisse Risiken von vornherein mit eingepreist sind. Die Daten gehen aus dem aktuellen „Baumonitoring“ des Senats hervor.
Größte Kostensteigerung beim Neubau der Veddelkanalbrücke
Die größte Kostensteigerung gibt es demnach beim Neubau der Veddelkanalbrücke. Für das Projekt der Hamburg Port Authority (HPA) waren 2017 Kosten von 20,8 Millionen Euro errechnet worden, mittlerweile liegen sie bei 30,8 Millionen – ein Anstieg um zehn Millionen Euro oder 48,1 Prozent. „Die Kosten haben sich im Wesentlichen aufgrund der Entwicklung der Marktpreise, der Auslastung der Baufirmen, der Dauer der Vergabeverfahren sowie zusätzlicher Terminverschiebungen erhöht“, heißt es im Senatsbericht.
Mit einem Plus von gut 24 Prozent entfällt die zweitgrößte Steigerung auf das „Inkubator“ genannte Innovationszentrum am Desy. Der Neubau, in dem sich junge Firmen aus der Hightech-Branche ansiedeln sollen, wird statt 14,16 wohl 17,58 Millionen Euro kosten. Zur Begründung wird lediglich auf Mehrkosten für die Beauftragung des Generalunternehmers verwiesen. Es seien „keine angemessenen Angebote“ eingegangen.
„Haus der Erde“ hätte schon im Herbst 2019 eröffnen sollen
Zumindest prozentual kräftig über dem Soll liegt auch der barrierefreie Umbau des Rathauses: Mit 3,48 Millionen Euro wird er 610.000 Euro oder 21,3 Prozent teurer als noch 2017 berechnet. Auch hier wird mit der „schwierigen Vergabesituation aufgrund der angespannten Marktlage“ argumentiert. Zudem habe es „Überplanungen“ gegeben.
Auch die Fassadensanierung der Viktoria-Kaserne in Altona (plus 20,5 Prozent auf 1,94 Millionen Euro), der Rückbau der Rethehubbrücke in Wilhelmsburg (plus 20 Prozent auf 32,5 Millionen) und die S-Bahn-Zugbildungsanlagen in Eidelstedt und Stellingen (plus 13,5 Prozent auf 63 Millionen) werden erheblich teurer. Für eines der größten Sorgenkinder gibt es hingegen keine konkrete Prognose: Das neue „Haus der Erde“ am Campus Bundesstraße, in das Klimaforscher und Geowissenschaftler der Universität Hamburg einziehen sollen, hätte schon im Herbst 2019 eröffnen sollen.
Manche Projekte werden günstiger
Doch „gravierende Mängel“ in der Planung der technischen Gebäudeausrüstung, so der Senat, hatten die Kündigung des Auftragsnehmers für die Gewerke Sanitär, Lüftung und Kälte zur Folge. Nun muss alles neu geplant werden, was sich auch auf viele andere Gewerke auswirkt. Die Prognose zum Bauende lautet derzeit: „offen“. Inwiefern es bei dem 176-Millionen-Projekt zu Mehrkosten kommt und wer sie zu tragen hat, ist ebenfalls noch nicht klar.
Doch es geht auch umgekehrt: Unter den 54 Projekten, für die die Einhaltung des Kostenrahmens prognostiziert wird, sind immerhin neun, die zum Teil sogar erheblich günstiger werden. An der Spitze liegt das Neubaugebiet Jenfelder Au, dessen Erschließung mit 30,8 Millionen Euro um gut elf Millionen oder 26,4 Prozent günstiger wird als noch 2013 geschätzt. Der Ausbau des „Großschiffswarteplatzes Finkenwerder“, ebenfalls ein Projekt der Hafenverwaltung HPA, wird jetzt nur noch mit 21,3 Millionen Euro veranschlagt – 5,7 Millionen oder 21,1 Prozent weniger als noch 2017. Und die Sanierung der Amsinckstraßenbrücke in Hammerbrook soll statt 16,9 jetzt nur noch 15,1 Millionen Euro kosten – ein Minus von 10,6 Prozent.
„Immer mehr Probleme und Kostensteigerungen“
Ein belastbarer Trend ist aus dem Baumonitoring schwer herauszulesen. Zwar ist der Anteil der Projekte, die im Kostenrahmen bleiben, gegenüber 2018 von 72 auf 66 Prozent zurückgegangen. Nach dem Bauvolumen betrachtet, ist der Trend hingehen umgekehrt: Waren 2018 nur 61 Prozent (2,9 von 4,8 Milliarden Euro) im Kostenrahmen, waren es 2019 schon 78 Prozent (4,8 von 6,2 Milliarden). Uneinheitlich ist auch der Vergleich der abgeschlossenen Bauprojekte: Während der Senat betont, dass seit Einführung des „kostenstabilen Bauens“ 82 Projekte nach diesen Grundsätzen kalkuliert und abgeschlossen wurden und man dabei insgesamt 2,2 Prozent weniger ausgegeben habe als geplant, macht CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer eine andere Rechnung auf: Er weist darauf hin, dass von den 2019 fertiggestellten Baumaßnahmen lediglich sieben von 14 innerhalb des Budgets abgeschlossen wurde, während es im Vorjahr noch zwölf von 17 gewesen seien.
„Von dem versprochenen kostenstabilen Bauen des Senats ist nichts mehr zu erkennen“, sagt Kleibauer. „Obwohl inzwischen Baupreissteigerungen und zusätzliche Reserven von vornherein bei Investitionen eingeplant werden, gibt es immer mehr Probleme und Kostensteigerungen.“ Sehr kritisch sieht er, dass es beim „Haus der Erde“ vier Jahre nach Baubeginn weder eine fertige Planung noch einen verlässlichen Zeitplan gebe: „Das erinnert immer mehr an die Entwicklung bei der Elbphilharmonie.“
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Der Senat hebt hingegen hervor, dass es mit den neuen Prinzipien gelungen sei, eine „hohe Kostenbewusstheit“ herzustellen. Den Erfolg des kostenstabilen Bauens dürfe man nicht allein auf Basis der Prognosen für die laufenden Projekte bewerten, sondern müsse dafür die abgeschlossenen Projekte heranziehen. Und da stünden 2,2 Prozent Minderkosten zu Buche. Allerdings räumt der Senat auch ein, dass dieser Wert rückläufig ist, also schon mal besser war. Im Vorjahr lag er bei 7,0 Prozent. Zur Begründung wird auf die hohen Baupreise verwiesen: „Dies ist überwiegend der aktuellen Marktlage geschuldet.“