Hamburg. So viel würde es kosten, Wohnungsbau auf der ehemaligen Deponie Neusurenland zu ermöglichen. Wirtschaftlich nicht machbar.

Schulen, Kitas und Bushaltestellen liegen in unmittelbarer Nähe, die U-Bahn-Station ist nur 15 Gehminuten entfernt. Das Areal Neusurenland in Farmsen, 64.000 Quadratmeter groß, gilt in der Sprache der Immobilienbranche als Filetstück. Und die Mieter- und Wohnungsbaugenossenschaft Farmsen (MGF) wäre als Bauherr ein Garant für bezahlbares Wohnen.

Und doch wird hier mit hoher Wahrscheinlichkeit nie eine Wohnung entstehen. Denn unter dem Gras des maroden Sportplatzes, einst Heimat des Post SV, jetzt auch Standort einer BMX-Bahn, schlummert eine Altlast von gigantischer Dimension. Bis in die 1960er-Jahre wurden in die alte Tongrube auf eine Tiefe von bis zu elf Metern tonnenweise Sperrmüll, Bodenaushub, Bauschutt und Industriemüll gekippt, was nun für entsprechende Gasbildung sorgt.

Dressel: „Gute Lösung für Farmsen finden“

Jetzt liegen die Ergebnisse des Gutachtens der Behörde für Umwelt und Energie vor. Auf den Euro genau haben die Wissenschaftler in vier Varianten berechnet, was es kosten würde, die Altlasten zu beseitigen. Für das Modell „Komplettaushub für Wohnbebauung auf der kompletten Fläche“ veranschlagen die Experten 190.914.565 Euro und eine Dauer von 12,2 Jahren. Bei Teilbebauungen wären je nach Fläche 129.723.913 Euro (Dauer: 9,4 Jahre) oder 76.478.936 Euro (Dauer 6,9 Jahre) fällig.

„Eine Nutzung des Geländes für den Wohnungsbau ist angesichts der immensen Kosten der dann notwendigen kompletten Altlastenbeseitigung leider nicht zu vertreten“, sagt Finanzsenator An­dreas Dressel. Der SPD-Politiker bevorzugt die vierte Variante, eine Aufwertung des Geländes für Sport und Freizeit. Dann müsste nur die Oberfläche abgetragen werden, was 3.051.336 Euro kosten würde. Dauer: 19 Monate. „Eine solche Herrichtung und Nutzung ist unproblematisch und mit vergleichsweise überschaubaren Kosten verbunden. Das werden wir mit den Beteiligten vor Ort sorgfältig erörtern und eine gute Lösung für Farmsen finden“, sagt Dressel.

Potenzieller Gefahrenpunkt beseitigt

Eine solche Nutzung wäre aus Sicht der Umweltbehörde gesundheitlich unproblematisch: „Für den Aufenthalt im Freien stellt die Gasbildung keine Gefahr dar. Mit dem Abriss des Vereinsgebäudes des Postsportvereins wurde ein potenzieller Gefahrenpunkt beseitigt.“ Auch eine „Gefährdung durch direkten Kontakt“ könne durch die „Abdeckung mit Mutterboden mit Grasnarbe, Asphalt, Pflaster, Grandbelag etc. ausgeschlossen werden“.

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MGF-Vorstand Matthias Diekhöner wäre der Bau von Wohnungen dennoch lieber gewesen: „Wir hätten auf diesem Gelände bis zu 600 genossenschaftliche Wohnungen in der Architektur der Gartenstadt bauen können. Aber auch uns ist klar, dass sich ein solches Projekt angesichts der Kosten für die Beseitigung der Altlasten nicht rechnen kann.“

Dressel sichert Genossenschaft seine Unterstützung zu

Sein Vorteil: Seine rührige Genossenschaft hat noch andere Bauprojekte in Arbeit. Allein an der Straße Am Luisenhof entstehen durch einen Neubau nach dem Abriss von fünf Bestandsgebäuden 260 neue Wohnungen. Dressel sichert seine Unterstützung zu: „Wir werden mit der MGF die Planungen für den Wohnungsbau auf den anderen Flächen weiter beherzt angehen. Mit ihrer guten Verankerung im Quartier ist die MGF ein wirklich guter Partner für Nachverdichtung.“

Doch was wird nun aus den ehrgeizigen Plänen der Stadt, Grundstücke von Altlasten zu befreien, um Platz für Wohnungsbau zu schaffen? „Die Sanierung von belasteten Grundstücken für den Wohnungsbau hat für uns weiter höchste Priorität. Gerade jetzt sind wir gut beraten, diese städtebaulichen Wunden zu heilen und alle Flächenpotenziale zu nutzen“, sagt Dressel. Er sieht auch den Bund in der Pflicht: „Die Bundesregierung sollte gerade die großen Metropolen mit knappen Flächen hier genauso fördern, wie sie es für verschuldete Kommunen angekündigt hat.“ Denkbar wäre aus Dressels Sicht ein „maßgeschneidertes Förderprogramm der Kreditanstalt für den Wiederaufbau“.

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In der Tat sind die Herausforderungen gigantisch. Aktuell werden im Hamburger Altlasthinweiskataster 1556 belastete Flächen aufgeführt. Als Vorbild für eine Sanierung gilt das Kolbenschmidt-Areal an der Friedensallee in Ottensen. Über Jahrzehnte wurden dort Kolben für Flugzeuge, Schiffe und Autos montiert. Nach dem Aus für den Produktionsstandort lag das Gelände lange brach. Nun entstehen nach einer umfangreichen Altlastenbeseitigung für einen einstelligen Millionenbetrag die Kolbenhöfe mit Gewerbe und Wohnungen, auch der Altonaer Spar- und Bauverein baut.

Dass Stadtentwicklung immer für Volten gut ist, könnte sich auch in Farmsen zeigen. Denn der Eishockey-Oberligaclub Crocodiles erwägt trotz der Giftstoffe einen Umzug nach Neusurenland. „Das Gelände ist eine Option“, sagte Gesellschafter Klaus-Peter Jebens.