Hamburg. Kandidaten von vier Bürgerschaftsparteien diskutieren: Fegebank (Grüne) und Weinberg (CDU) auffallend oft einig.
Gemeinsam als rot-grüne Koalition zu regieren und gleichzeitig um die Führung im Senat zu konkurrieren, ist ein ziemlicher Drahtseilakt. Das wurde auch bei der Podiumsdiskussion „Weichenstellungen – Hamburg vor der Bürgerschaftswahl 2020“ des Unternehmensverbands Nord am Donnerstagabend deutlich.
Vor rund 400 geladenen Gästen im Foyer der HanseMerkur Versicherung am Dammtor trafen mit der Zweiten Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne), Marcus Weinberg (CDU), Anna von Treuenfels-Frowein (FDP) sowie der Sozialsenatorin und SPD-Landesvorsitzenden Melanie Leonhard erstmals in diesem Wahlkampf Vertreter von vier der sechs Bürgerschaftsparteien, darunter drei Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten, direkt aufeinander.
Grüne und SPD uneinig bei Wirtschaftsthemen
Und insbesondere zwischen den Senatskolleginnen Fegebank und Leonhard (die Bürgermeister Peter Tschentscher vertrat, der bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Bayern war) knisterte es einige Male vernehmlich, auch wenn sie an anderer Stelle, etwa beim Wohnungsbau, gemeinsame Erfolge betonten.
Beispiel Wirtschaft: Nachdem UV-Nord-Präsident Uli Wachholtz einleitend gewarnt hatte, dass die Metropolregion Hamburg gegenüber anderen Regionen zurückfalle, betonte Leonhard, wie wichtig bei der Kooperation der Nord-Länder Verlässlichkeit sei, etwa beim Bau der A 26: Wenn man sich einmal dafür entschieden habe, dürfe man es sich plötzlich nicht wieder anders überlegen – das war unausgesprochen auf die Grünen gemünzt, die den Bau der Autobahn teilweise wieder infrage stellen.
Fegebank sagte zum gleichen Thema, sie wolle „auf die pessimistische Prognose der Wirtschaft eine optimistische Antwort geben“ und appelliere zu mehr Mut. So liege in der Förderung von Wissenschaft und Innovationen noch ein „Wahnsinnspotenzial“, so Fegebank. „Wir können als Norden so viel mehr heben.“ Das durfte wiederum als Erneuerung ihrer Kritik am Bürgermeister verstanden werden, über den sie schon im Sommer gesagt hatte, dass bei seiner Politik der ruhigen Hand „auch mal gute Ideen auf der Strecke“ blieben.
Fegebank fordert mehr Mut beim Thema autofreie City
Und während Leonhard auf die Frage von Abendblatt-Chefredakteur und Moderator Lars Haider nach einem nötigen Aufbruch feststellte, dass Hamburg bereits „mitten im Aufbruch“ sei und als Beispiel die norddeutsche Energiewende-Initiative NEW 4.0 anführte, bemerkte Fegebank, dass Hamburg bei der Energiewende zwar „große Sprünge nach vorn“ gemacht habe, es gebe aber große Defizite bei der Vernetzung der Akteure untereinander und mit dem Umland: „Da bleibt unheimlich viel liegen.“
Auch bei der Frage nach einer autofreien Innenstadt offenbarten die beiden Senatskolleginnen unterschiedliche Haltungen. „In zwei Jahren wird sie autoarm sein. Die wunderschöne Innenstadt ist größtenteils mit Autos zugeparkt. Wir brauchen Mut, die Dinge auch mal anders zu denken“, sagte Fegebank und löste damit eine Diskussion aus.
„Wir sollten die Pilotprojekte abwarten. In dem Probegebiet am Rathaus gibt es schon weniger Tischtennisspieler auf den Straßen“, gab sich Leonhard zurückhaltend. Die Verkehrshauptachsen über die Lombards- und die Kennedybrücke würden auch in zwei Jahren nicht autofrei sein. „Das sollte man sich auch nicht wünschen“, so Leonhard.
Nahverkehr muss besser werden
„Eine autofreie Innenstadt kann es nur geben, wenn der ÖPNV besser ausgebaut ist“, sagte FDP-Spitzenkandidatin Anna von Treuenfels-Frowein. „Das autofreie Ottensen ist nicht so gut gelaufen. Ein Klempner braucht nun einmal einen Parkplatz und muss auch an sein Auto herankommen“, sagte CDU-Spitzenkandidat Marcus Weinberg.
Einig waren sie sich hingegen, dass Rot-Grün gut regiere und auch dem nächsten Senat nach der Bürgerschaftswahl am 23. Februar nur zwei Parteien angehören werden. Gemeint waren wohl SPD und Grüne – offen blieb nur, unter welcher Führung. Fegebank bekräftigte dabei ihre Ambitionen auf das Bürgermeisteramt: „Ich kann nicht die ganze Zeit über Mut sprechen und mich dann selbst nichts trauen.“ Leonhard kommentierte das knapp: „Sie weiß, was sie tut.“ Auf die Frage, ob es Zeit für eine Frau an der Senatsspitze sei, sagte sie: „Es ist Zeit für einen Bürgermeister, der die ganze Stadt im Blick hat.“ Das sei Peter Tschentscher.
Die Diskussion zeigt auch, dass es angesichts der Zuspitzung auf das senatsinterne Duell für die anderen Parteien schwer wird, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. „Es gibt nicht nur Rot-Grün oder Grün-Rot, es gibt auch noch andere Parteien“, sagte Treuenfels-Frowein und warb für eine „liberale Politik im Senat“. Ihr gehe es auch um Haltung und Glaubwürdigkeit. So seien viele AfD-Wähler nicht rechtsradikal, sondern einfach von den etablierten Parteien enttäuscht. „Wir dürfen nicht in Politsprech verfallen, sondern müssen klar sagen, was ist“, forderte die FDP-Fraktionschefin.
FDP: Mietendeckel schreckt Investoren ab
Bei Infrastrukturprojekten im Norden dürfe sich Hamburg nicht immer als Mittelpunkt betrachten, sondern müsse die anderen Länder stärker mitnehmen. Beim Wohnungsbau dürfe man Investoren nicht durch Mietendeckel und Mietpreisbremsen abschrecken. Generell müsse mehr in den Außenbezirken gebaut werden, wofür aber die ÖPNV-Anbindung viel besser werden müsse. Treuenfels-Frowein warb außerdem dafür, die P+R-Gebühren wieder abzuschaffen, da sie Pendler abschreckten.
Auffällig oft waren sich Fegebank und Weinberg einig. Auch der CDU-Spitzenkandidat warb für mehr Mut und Aufbruchstimmung, stärkere Investitionen in die Wissenschaft (Fegebanks Ressort) und eine schnellere Anbindung von Stadtteilen wie Lurup und Osdorf. Wenn der Bürgermeister sage, 2038 komme die neue S-Bahn, sage er: „Dann bin ich 71 und meine noch ungeborene Tochter macht gerade Abitur.“
Weinberg warb erneut dafür, den Grasbrook als Industriefläche für innovative Firmen zu erhalten und Wohnungen stattdessen lieber entlang der Magistralen, auf Supermärkten und im Umland zu errichten.
Der Meinungsforscher Manfred Güllner (Forsa) sagte mit Blick auf die Bezirks- und Europawahlen, bei denen die Ökopartei in Hamburg jeweils vorn gelegen hatte, bestehe auch für die Bürgerschaftswahl „eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Grünen stärkste Partei werden“. Zu bedenken sei aber, dass die Grünen in Umfragen oft überbewertet würden. Mit anderen Worten: Er wisse auch nicht, wie die Wahl ausgehe.