Hamburg. Trend geht zu fahrrad- und fußgängerfreundlichen Innenstädten. Ein Gespräch mit Prof. Jörg Knieling von der HafenCity-Uni.

Zum Beispiel Madrid: Die spanische Hauptstadt will das Autofahren einschränken, in der Innenstadt dürfen nur noch Autos von Anwohnern und besonders saubere Wagen parken. Weitere europäische Metropolen wie London und Oslo erproben ebenfalls Einschränkungen für private Pkw. Auch Hamburg schließt sich an - allerdings nur in kleinen Teilen und befristet: Zumindest bis Ende Oktober ist eine Zone in Rathausnähe für Autos tabu. In Ottensen wird für sechs Monate das Viertel rund um den Spritzenplatz fast autofrei.

Diese Entwicklung werde sich verstärken, sagt Jörg Knieling, Professor für Stadtplanung und Regionalentwicklung an der HafenCity Universität (HCU). „Innenstädte werden international an vielen Orten neu gedacht und zunehmend rückt ihre Qualität als öffentlicher Raum in den Vordergrund“, sagt der Forscher, der unter anderem an dem Projekt „Cities-4-People“ beteiligt ist, aus dem die Idee für ein autofreies Ottensen hervorging. „Der Trend geht hin zu fußgänger- und fahrradfreundlichen Innenstädten, die damit eine höhere Aufenthalts-und Lebensqualität bekommen.“

Autofreie Orte: Mehr körperliche Bewegung, mehr Kommunikation

Weniger Abgase, weniger Lärm, mehr körperliche Bewegung, mehr Kommunikation an vom Autoverkehr befreiten Orten – all das könne dazu beitragen, „Innenstädte als Räume zu sehen, die man gerne besucht, die familienfreundlich sind und wo man auch länger verweilt“, sagt Knieling. „In der Hamburger Innenstadt werden bisher leider viele Flächen dauerhaft zugeparkt oder sind für den fließenden Verkehr reserviert. Der Nutzen als Gemeinschaftsflächen ist für die Allgemeinheit allerdings erheblich höher zu bewerten als der Nutzen des Parkens.“

Jörg Knieling, Professor für Stadtplanung und Regionalentwicklung an der HafenCity Universität (HCU)
Jörg Knieling, Professor für Stadtplanung und Regionalentwicklung an der HafenCity Universität (HCU) © HafenCity Universität Hamburg

Knieling plädiert dafür, dass private Pkw in Park & Ride-Plätzen und Anwohner in Quartiersgaragen am Rand der Innenstadt parken sollten. „Wenn sich die bisherigen Parkflächen für attraktive Gemeinschaftszwecke nutzen ließen, könnte den Kunden ein angenehmeres Einkaufserlebnis geboten werden – davon würden dann auch Einzelhandel und Gastronomie profitieren“, sagt Knieling.

FDP: „Gift für den Handel in der Innenstadt“

Handel und Restaurants als Profiteure eines eingeschränkten Autoverkehrs? Die FDP bezeichnete „flächendeckende Fahrverbote“ als „Gift für den Handel in der Innenstadt“. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte, jede Maßnahme müsse „vor allem mit dem Einzelhandel abgestimmt werden, der in den letzten Jahren starke Konkurrenz durch den Onlinehandel bekommen hat und nicht auf der Strecke bleiben darf.“

HCU-Forscher Jörg Knieling macht sich keine Sorgen, dass der Handel leiden könnte, wenn die Innenstadt in weiten Teilen nur für private Pkw tabu wäre. „Man sieht schon seit Jahren, dass Kunden zunehmend mit dem ÖPNV in die Innenstadt fahren“, sagt er. „Hier sollte man ansetzen und die Zugänglichkeit der Innenstadt durch Busse, Bahnen und weitere Angebote verbessern.“

Bürgergutachten könnte Sicht der Bevölkerung einbringen

In Rom gebe es etwa eine flexible Kleinbuslinie, die in der Innenstadt verkehre und es dort ihren Fahrgästen ermögliche, auf Wunsch zu- oder auszusteigen. „In Hamburg kommt man mit U- und S-Bahnen zwar gut in die Innenstadt, aber diese Transportmittel bringen zumindest für weniger mobile Menschen, etwa Ältere, oft Probleme mit sich, wenn etwa ein Lift oder eine Rolltreppe nicht funktioniert“, sagt Knieling. „Hinzu kommt: Die Wege zwischen den Stationen sind auch im Stadtzentrum teils zu weit, so dass es für weniger mobile Menschen beschwerlich sein kann, sich ohne Auto in der Innenstadt zu bewegen“, sagt Knieling. Die Busse seien häufig überfüllt und böten damit keine ausreichende Servicequalität, um vom Auto auf den ÖPNV umzusteigen.

Eine Innenstadt, in der größere Bereiche zu autofreien Zonen werden, sei ein Thema, das „unbedingt in einem intensiven Dialog mit allen Betroffenen besprochen werden muss, weil damit so viele Befürchtungen verbunden sind, die ernstgenommen werden müssen“, sagt der Stadtplaner. Ein Bürgergutachten könnte die Sicht der Bevölkerung einbringen, ein Forum könnte die verschiedenen Interessen veranschaulichen und Kompromisse herausarbeiten. „Natürlich müssten etwa die betroffenen Geschäfte weiterhin für den Lieferverkehr erreichbar sein. Die Anlieferung sollte aber nicht den ganzen Tag über stattfinden, sondern nur in einem Zeitraum, in dem wenige Kunden einkaufen.“

Menschen in die Innenstadt locken – ohne Auto

Zu Befürchtungen, dass die Innenstadt durch Einschränkungen für private Pkw an Attraktivität verlieren und das Überseequartier als Konkurrent den Handel in der Innenstadt überholen könnte, sagt Knieling: „Es lässt sich vermeiden, dass es soweit kommt, indem man die Innenstadt attraktiver macht. Beispielsweise ist das Zentrum derzeit sehr stark versiegelt, in den Einkaufsstraßen ist es im Sommer sehr heiß. Durch mehr Grün und Verschattung sowie Überdachung an ausgewählten Stellen lassen sich viele Anreize schaffen, dass die Kunden länger verweilen und die Innenstadt mehr zu schätzen wissen.“ Dies könnte eher mehr Menschen in die Innenstadt locken – ohne Auto.