Hamburg. Luftreinhaltung wichtiger als Verkehr: Zukunftsrat, DGB und Umweltverbände schlagen der Stadt probeweise autofreie Zonen vor.

Die Aufregung um die geplanten Fahrverbote für Lkw und alte Diesel-Pkw an Teilen der Max-Brauer-Allee und der Stresemannstraße ist noch nicht verklungen, da liegen schon Forderungen auf dem Tisch, die noch viel weiter gehen: Lärmschutz und Luftreinhaltung sollen in Teilen Hamburgs generell „Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr“ bekommen. Dazu sollen sogar probeweise „Sperrbezirke“ für Autos, Motorräder und Lkw eingerichtet werden.

Diese Forderungen erhebt der „Hamburger Ratschlag“, ein Bündnis aus zwölf Organisationen wie dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, den Umweltschutzverbänden Nabu und BUND, dem Zukunftsrat Hamburg und kirchlichen Organisationen. Das Bündnis bezieht sich auf die UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, die 2015 von Deutschland und allen anderen UN-Mitgliedsstaaten unterzeichnet worden war.

Vorschläge an Umweltsenator übergeben

Mitglieder des
Mitglieder des "Hamburger Ratschlag" übergaben am Montag im Rathaus ihre Forderungen an Unweltsenator Jens Kerstan (Grüne, 4.v.r.) © Andreas Dey

Unter dem Motto „Die Zukunft – die wir wollen, das Hamburg, das wir brauchen“ hat der „Ratschlag“ Vorschläge erarbeitet, den er am Montag im Rathaus an Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) übergab. Darin wird unter anderem gefordert, die Hamburgische Verfassung an die Agenda 2030 anzupassen, den CO2-Ausstoß drastisch abzusenken, die Armut zu halbieren, 150.000 Sozialwohnungen zur Verfügung zu stellen und „unantastbare Naturschutzflächen“ zu definieren.

Die größte Brisanz dürfte jedoch im Bereich Verkehr liegen: „Hamburg erarbeitet einen Mobilitätsentwicklungsplan, der in der Innenstadt und den Stadtteilzentren konsequent der Inklusion, dem Lärmschutz, der Minderung von CO2-Emissionen und Luftverschmutzung Vorrang einräumt vor dem motorisierten Individualverkehr“, heißt es. „Dazu werden probeweise Sperrbezirke für den motorisierten Individualverkehr eingerichtet.“

Ganz so rigide ist der "Sperrbezirk" jedoch nicht gemeint

Ganz so rigide wie es klingt, ist es jedoch nicht gemeint. Es solle ausprobiert werden, wie sich ein Wohnviertel oder eine Einkaufsstraße wie der Neue Wall entwickelt, wenn dort der Verkehr außen vor bleibt, sagte Jochen Menzel vom Zukunftsrat Hamburg. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigten, dass viele Menschen solche Maßnahmen zunächst ablehnten, später aber begeistert seien. „Sie merken, dass sie nicht nur verzichten müssen, sondern auch an Freiheit gewinnen“, so Menzel. Natürlich müssten die Anwohner einbezogen werden.

Senator Kerstan zeigte sich durchaus aufgeschlossen: „Es ist ja kein Geheimnis, dass ich ein Anhänger autofreier Innenstädte bin. Aber davon sind wir noch weit entfernt.“ Ganz neu wären autofreie Zonen nicht: An der Saarlandstraße in Barmbek-Nord gibt es das Projekt „Wohnen ohne Auto am Osterbekkanal“, die Mönckebergstraße ist für den Individualverkehr gesperrt, und große Neubauprojekte wie „Mitte Altona“ werden bereits „autoarm“ geplant.