Hamburg. Nach dem Abkommen mit BMW über mehr Elektroautos für Hamburg debattierte die Bürgerschaft den neuen Luftreinhalteplan.

Der Mittwochvormittag war so recht nach dem Geschmack von Olaf Scholz. Im prunkvollen Bürgersaal des Rathauses unterzeichnete der Bürgermeister­ eine Grundsatzvereinbarung mit dem Autohersteller BMW: Die Bayern stellen die gesamte Hamburger Flotte ihrer Carsharing-Tochter DriveNow­ – 550 Fahrzeuge – bis 2019 auf Elektroantrieb um, die Stadt fördert das, indem sie parallel die Zahl der Ladestationen auf 1150 ausbaut und mehr Parkplätze für E-Autos ausweist.

So eine strategische Partnerschaft ist BMW noch mit keiner anderen Stadt eingegangen, was Vorstandsmitglied Peter Schwarzenbauer zu einem überschwänglichen Lob verleitete: „Hamburg ist der absolute Spitzenreiter, wenn es darum geht, das Thema E-Mobilität voranzutreiben.“

Scholz vernahm den Ritterschlag – noch dazu aus München – mit stiller Genugtuung. Hamburg tut etwas, ist kreativ, schreitet voran – das sind Botschaften, die der SPD-Politiker gern sendet, zumal in Kombination mit technischem Fortschritt. Umso weniger dürften ihm die Diskussionen am Nachmittag in der Bürgerschaft gefallen haben.

Tempo einer „toten Schnecke“

Dort wurden der Luftreinhalteplan des Senats und die geplante Umstellung des Bussystems auf emissionsfreie Antriebe debattiert, und die Opposition malte dort ein ganz anderes Bild der Hansestadt: Der Senat bewege sich beim Thema Luftreinhaltung im Tempo einer „toten Schnecke“, schimpfte CDU-Umweltpolitiker Stephan Gamm. Der Luftreinhalteplan enthalte „keine einzige innovative Lösung“, und der Bürgermeister habe sein Wort gebrochen, dass es in Hamburg keine Fahrverbote für Dieselautos geben werde.

Stephan Jersch (Linkspartei) verwies darauf, dass die EU-Grenzwerte für die Luftbelastung seit 2010 gelten, dass die Stadt schon von einem Gericht verdonnert worden sei, sie einzuhalten, nun aber noch einmal acht Jahre dafür einplane: 15 Jahre für die Einhaltung von Grenzwerten, das sei „abgrundtief schlecht“, so Jersch. Die Behauptung von SPD und Grünen, die geplanten Maßnahmen seien „mutig“, könne er nur an einer Stelle nachvollziehen: „Mit König Olaf über Durchfahrtsverbote zu sprechen, das war mutig.“

FDP-Verkehrsexperte Wieland Schinnenburg unkte, der Luftreinhalteplan sei offenkundig unter drei Prämissen zustande gekommen: Auf Geheiß des Gerichts musste er bis Ende Juni fertig sein, die Grünen sollten etwas zum Vorzeigen bekommen, aber das Wort „Fahrverbot“ durfte nicht vorkommen: „Das Ergebnis ist entsprechend dürftig“, so Schinnenburg.

Belastung stellenweise über EU-Grenzwerten

Wie berichtet, liegt in Hamburg die Belastung der Luft mit giftigen Stickstoffdioxiden aus Diesel- und Schiffsmotoren stellenweise über den EU-Grenzwerten. Der Luftreinhalteplan des Senats sieht ein Bündel an Maßnahmen vor: Bekannte Ziele wie den Ausbau des Radverkehrs, den Bau neuer U- und S-Bahn-Linien oder die Energieversorgung von Schiffen im Hafen über Landstrom oder Flüssiggas (LNG), aber auch erstmals „Durchfahrtsbeschränkungen“ für ältere Dieselfahrzeuge an einem kurzen Abschnitt der Max-Brauer-Allee und für Lkw an einem Teil der Stresemannstraße. Allerdings muss das Bundesverwaltungsgericht zunächst entscheiden, ob Länder und Kommunen solche Beschränkungen für bestimmte Motorentypen überhaupt anordnen dürfen.

„Das ist der erste Luftreinhalteplan, der errechnet, mit welchen Maßnahmen man welche Verbesserungen erreichen kann“, verteidigte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) in der Bürgerschaft das Werk und versprach: „Wir haben nicht nur einen Plan, wir setzen ihn auch um.“ Scharf kritisierte Kerstan die Opposition, die nicht einen einzigen eigenen Vorschlag zur Verbesserung der Luftqualität gemacht habe, sowie die Autohersteller: Wären deren Dieselautos so sauber gewesen, wie immer versprochen wurde, wäre man ohne Durchfahrtsbeschränkungen ausgekommen. Diese Ultima Ratio zeige aber die Entschlossenheit des Senats.

Umweltsenator Jens Kerstan
Umweltsenator Jens Kerstan © HA | Klaus Bodig

Auch beim Thema emissionsfreie Busse gingen die Meinungen weit auseinander. Die CDU sprach von „Totalversagen“. Die FDP hielt dem Senat vor, sein Ziel, ab 2020 nur noch emissionsfreie Elektro- oder Hybridbusse anzuschaffen, sei nicht zu erreichen. Die Hersteller seien noch gar nicht so weit. Das sei in der Tat „nicht einfach“, räumte Verkehrssenator Frank Horch (parteilos) ein. Daher mache man zusammen mit anderen Städten wie Berlin nun Druck auf die Hersteller. Das Ziel dürften ähnliche Vereinbarungen wie die mit BMW sein. Bürgermeister Scholz kündigte jedenfalls bereits an, es werde davon weitere geben.